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Gelbe Wand. Die Rückansicht der Reclamregale - hier 1999 auf der Leipziger Buchmesse - wird sich nicht verändern.
© dpa

Reclams neues Design: Sanfter Engel im Buchregal

Schwarz-Gelb ist Macht, Weiß-Gelb Käsekuchen: Im neuen Design der Reclam-Universalbibliothek gibt es einen "aus der Farbfläche ausgesparten" Schild. Ob der die Bände wirklich schöner macht, darüber darf diskutiert werden.

Es fällt nicht schwer, das neue Design der Reclam-Universalbibliothek mit Häme zu überschütten. Und tatsächlich: Im traditionell hämefreudigen Internet hat Friedrich Forssmans und Cornelia Feylls „eher behutsame Renovierung“ des charakteristischen Äußeren der Reclambände, die laut Forssman „kein deutlicher Bruch“ mit dem Vorgängerentwurf des „hochgeschätzten Lehrers und Freundes Hans Peter Willberg“ ist, bereits viel Spott auf sich gezogen. Die Abschaffung des rechtsbündigen Balkens, für Forssman ein „80er-Jahre-Motiv“ und damit „nicht mehr recht zeitgemäß“, zugunsten eines „auf der Farbfläche ausgesparten“, also weißen Schildes über einem zentrierten Balken mit linksbündiger Schrift darin: Wahlweise wird sie von bibliophilen Facebook-Benutzern – die gibt es wirklich! – als „Lacher des Tages“, „grauenvoll“ oder, ironisch, als „Quantensprung“ respektive „einfach beeindruckend“ apostrophiert.

Renoviert. Ein Reclamband in neuem Gewand.
Renoviert. Ein Reclamband in neuem Gewand.
© Verlag

Nun muss Designkritik, die in einem Forum geäußert wird, dessen chaotisches Layout selbst durchaus zweifelhaft ist, den Reclam Verlag nicht weiter beeindrucken. Dass dessen eigener Facebook-Auftritt bis zum heutigen Tag von einem Profilfoto mit dem „nicht mehr recht zeitgemäßen“ rechtsbündigen schwarzen Balken auf gelbem Grund geziert wird, spricht ganze Reclambände für die Geringschätzung der dortigen Kommunikation. Die Elogen, die Forssman und andere jetzt in dem 94 Seiten (!) umfassenden Promoheft „Die Welt in Gelb. Zur Neugestaltung der Universal-Bibliothek 2012“ zu Papier gebracht haben, zeigen es deutlich an: Hier sprechen Buchmenschen über Buchkunst – und man sollte sich wohl hüten, ihnen aus der Sphäre jener, die ihre Zeit „vertwittern“ (Peter Haffner, ebd.), unbedacht vors Knie zu treten.

Aber auch abseits der Netzkritik – es bleibt die hiermit immerhin auf Zeitungspapier gedruckte Frage, ob das neue Design nicht tatsächlich etwas unglücklich ist. Das klare Schwarz-Gelb der Vergangenheit teilte der Verlag mit machtvollen Institutionen: Bundesregierung, Borussia Dortmund, Post – auch die Heraldik kennt zahlreiche Variationen von schwarzen Adlern auf gelbem Grund. Der nun beherrschende Farbkontrast, gelb und weiß, weckt ungleich kleinere Assoziationen. Man denkt an Käsekuchen oder an „Sanfter Engel“, jene Mixtur aus Vanilleeis und Orangensaft, der man eins nicht bescheinigen kann: übertrieben schön zu sein.

Ein großes Design muss wohl, genau wie große Kunst, in der ersten Phase seines Erdendaseins Spott ertragen – ziemlich genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Welt am Design und nicht mehr das Design an der Welt gemessen wird. Wenn Bildungsbürger aufhören, angesichts einer Umschlag-Renovierung von „Sanfter Engel“ zu faseln und stattdessen ihre Kinder im Café sagen „Guck’ mal, das Getränk sieht aus wie unsere Bücher zuhause“, dann darf Reclam sich – Schönheit hin oder her – sicher sein, wieder einen Klassiker geschaffen zu haben. Bis dahin bleibt auch hier eher amüsierte Irritation: Im Promoband „Die Welt in Gelb“ findet sich eine Top Ten der beliebtesten Reclamtitel seit 1948: Schillers „Wilhelm Tell“ liegt vorne, auf Platz 2: Goethes „Faust 1“. Auf den Plätzen folgen unter anderen noch Storms „Schimmelreiter“ und, als zweiter Goethetitel, „Götz von Berlichingen“. Dass die in Zukunft alle optisch als „sanfte Engel“ daherkommen – das hat doch was.

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