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Mission Familie. Dorothy (Manon Capelle) und Paul (Bouli Lanners).
© Film Kino Text

Film "Alle Katzen sind grau": Sagt mir endlich die Wahrheit!

In ihrem Debütfilm „Alle Katzen sind grau“ inszeniert die belgische Regisseurin Savina Dellicour eine stimmige Mischung aus Familiendrama und Coming-of-Age-Geschichte.

Kühl geht es zu in Dorothys Elternhaus. Gegessen wird am viel zu großen Esstisch. Geredet wird kaum. Schon gar nicht über die Vergangenheit. Dabei hätte Dorothy durchaus Gesprächsbedarf. Als Kind hat sie ihre Mutter einmal darauf angesprochen, dass ihr Vater nicht ihr leiblicher Vater ist, aber die Wahrheit nicht erfahren.

Nun, mit 15, wagt sie einen neuen Anlauf. Weil sie in einem Alter ist, in dem die Frage der eigenen Identität alles andere überlagert. Und vielleicht auch, weil ein anderer Vater einen Ausweg aus dem rigiden Familienleben bedeuten könnte. Doch die Mutter wimmelt sie wieder ab.

Dass es von Dorothy kaum Babyfotos gibt und gar keine, die sie mit ihrem Vater zeigen, liege daran, dass der die Bilder wohl geschossen habe. Außerdem hätten sie damals noch keine Digitalkamera besessen. Dorothy gibt trotzdem nicht auf. Durch Zufall lernt sie den Privatdetektiv Paul kennen, Mitte 40, ein Außenseiter, aber vertrauenswürdig und hilfsbereit. Sie lässt ihn nach ihrem wahren Vater suchen. Was sie nicht ahnt, er aber weiß: ihr Vater ist er selbst.

Die talentierte Newcomerin Manon Capelle spielt die Rolle der Tochter

In dieser Konstellation ist die Verwechslungskomödie ebenso angelegt wie das Familiendrama und die Coming-of-Age-Geschichte, was sich auch in der Besetzung der drei Hauptrollen widerspiegelt: Paul wird von dem vor allem aus Komödien bekannten Bouli Lanners gespielt, Charakterdarstellerin Anne Coesens verkörpert Dorothys Mutter Christine, und für die schüchtern-trotzige Dorothy wurde die talentierte Newcomerin Manon Capelle entdeckt. Leichtfüßig wechselt der Film zwischen den Registern, wahrt in Christines Haus statische Strenge und entwickelt Dynamik, sobald Paul ins Spiel kommt.

„Alle Katzen sind grau“ ist ein beachtliches Debüt der Regisseurin Savina Dellicour, die nach einem Filmstudium in England in den bürgerlichen Bezirk von Brüssel zurückkehrt, aus dem sie stammt. Souverän verwebt sie die Perspektiven ihrer Figuren. Alle haben ihren eigenen, glaubwürdigen Anteil an der Geschichte.

Denn mehr noch als um Wendungen und Wirren geht es Dellicour um die psychologische Motivation der Charaktere. Dabei zeigen sich bei allen Unterschieden doch Gemeinsamkeiten: Alle drei kämpfen um Selbstbehauptung in einem Milieu, in dem das gewahrte Gesicht wichtiger ist als individuelles Glück. Und alle treibt der Frust darüber in einen selbstzerstörerischen Kontrollverlust. Am Ende bleibt die Erkenntnis: die Wahrheit ist zumutbar. Und überschätzt.

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