Billy Joel: Rückkehr nach zwölf Jahren Abstinenz
Zwölf Jahre hatte der US-Sänger Billy Joel nicht mehr in Deutschland gespielt. Entsprechend ungeduldig und vielleicht auch etwas zweifelnd sehnten die mehr als 8000 Fans in der Hamburger Color Line Arena diesen Augenblick herbei.
Hamburg - "I'm bald, but I'm back" (Ich bin kahl, aber ich bin zurück), ruft Billy Joel seinem Hamburger Publikum zu. Bereits mit den ersten Songs wischt Joel an diesem Abend letzte Zweifel weg und zeigt, dass er es durchaus ernst meint.
Stakkatoartig hämmert der 57-Jährige bei dem kraftvollen, ironischen ersten Lied "Angry Young Man" in die Tasten. Um ihn herum eine sechsköpfige Band, die sich ebenfalls gleich zu Beginn mächtig ins Zeug legt. Das Publikum dankt es Joel und seinen Mitstreitern mit tosendem Applaus. Vor Beginn der zweiten Nummer stimmen Joel und seine Mitstreiter Beethovens "Freude schöner Götterfunken" an. Beim anschließenden "My Life" hält es viele bereits nicht mehr auf ihren Sitzen.
Joel hat in seiner Karriere mehr als 100 Millionen Alben verkauft und sechs Grammys erhalten. Damit gehört er zu den erfolgreichsten Interpreten aller Zeiten. Sein letzter großer Hit "River of Dreams" stammt von 1993. Danach war von Alkoholproblemen die Rede. Es wurde ruhig um ihn. Eine neue Platte hat der New Yorker bei seinen beiden Auftritten in Deutschland nicht im Gepäck. Das macht an diesem Abend aber gar nichts. Keiner der alten Hits wirkt überspielt. Im Gegenteil: Viele der Songs wirken frischer denn je.
Im dunkelgrauen Jackett und blauen Jeans sitzt der "Piano Man" die meiste Zeit vor seinem Arbeitsgerät. Genau so, wie Joel verlässlich einen Ohrwurm nach dem anderen aus seinem Repertoire zaubert, dreht sich sein Flügel langsam im Kreis. So können ihm alle Zuschauer in der Halle bei der Arbeit zusehen.
Mit kristallklarer Stimme
Äußerlich mögen die Jahre vielleicht nicht spurlos an ihm vorübergegangen sein. Seine Stimme aber ist kristallklar und durchdringend wie eh und je. Liebeslieder wie das oft gecoverte "Just the way you are" oder "She's always a woman to me" klingen aus seinem Mund, als hörte man sie zum ersten Mal.
Bei den poetischen, zuweilen auch melancholischen Balladen in der ersten Hälfte des Konzerts wie "Honesty" liegen sich Zuschauer in den Armen oder wippen zum Takt von "New York state of mind". Später bei "Uptown Girl" hält es dann endgültig keinen mehr auf den Sitzen. Der Song sitzt, trotz vorheriger Warnung des Sängers, er habe ihn seit den 80ern nicht mehr gespielt.
Joel spielt sich fast in einen Rausch, fuchtelt wild mit einem Mikrofonständer herum. Schließlich greift er selbst zur Gitarre und stellt einen Roadie vor, der nun einen "religiösen Song singen will". Was folgt, ist der AC/DC-Klassiker "Highway to Hell". Wenn Joel dann zu "I go to extremes" vollkommen aufdreht, tut es ihm der Großteil der Zuschauer nach, egal ob jung oder alt.
Erst nach knapp zweieinhalb Stunden verabschiedet sich der New Yorker standesgemäß mit dem vom Publikum sehnsüchtig erwarteten "Piano Man". Der 57-Jährige greift noch einmal in die Tasten - und der Abend mündet in einen Chor aus mehr als 8000 Stimmen: "We're all in the mood for a melody and you've got us feelin' alright".
Ein zweites und vorerst letztes Konzert in Deutschland gibt Joel am Sonntag in der Frankfurter Festhalle. Für das Konzert sind noch einige wenige Karten an der Abendkasse erhältlich. (Von André Klohn, ddp)
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