James Levine eröffnet die Saison an der Met: Rückkehr im Rollstuhl
Zwei Jahre musste er den Taktstock ruhen lassen. Jetzt hat James Levine wieder eine Saisoneröffnung an der Met dirigiert. Die New Yorker lieben ihn.
Er strahlt vor Glück. James Levine, Generalmusikdirektor der Metropolitan Opera in New York, darf endlich wieder eine Spielzeiteröffnung leiten. An diesem Abend ist es Mozart, „Die Hochzeit des Figaro“, eine seiner Lieblingsopern. Der 71- Jährige hat lange um seine Rückkehr bangen müssen: Nach einem Sturz vor drei Jahren musste er mehrmals operiert werden, komplizierte Therapien ertragen und zwei Jahre den Taktstock ruhen lassen. Sein Comeback feierte er 2013/14 mit „Così fan tutte“. Seitdem leitet er das Orchester vom Rollstuhl aus.
Es wird dunkel, ein breiter Lichtstrahl fällt auf Levine. Der dreht sich mit dem Rollstuhl zum Parkett, fasst sich ans Herz, sendet Grüße an die Menschen im Saal, die gerührt aufstehen, ihm die Zuneigung mit tobendem Applaus und Bravo- Rufen zurückgeben. New York liebt Levine und Levine liebt New York. Dann stimmen alle die Nationalhymne an – Tradition bei Saisoneröffnungen amerikanischer Opernhäusern. Am Times Square und vor dem Lincoln Center schauen Tausende den Live-Übertragungen zu. Trotzdem: Es war eine Premiere mit Stolpersteinen. Ein Generalstreik des Orchesters bedrohte die Eröffnung – die erstmals seit 1980 ausgefallen wäre. Levine erklärte, der letzte Streik war „ein Albtraum“ für ihn – künstlerisch wie persönlich. Deshalb tat er alles, um die Gewerkschaft mit Manager Peter Gelb zusammenzubringen. Am Ende konnte eine Einigung erzielt werden.
Ist John Adams Oper "The Death of Klinghoffer" antisemitisch?
Damit nicht genug: Ende August kam es zu Tumulten, als Gelb John Adams Oper „The Death of Klinghoffer“ auf den Spielplan setzte, die mehrere jüdische Organisationen als antisemitisch kritisieren. Premiere ist im Oktober. Hunderte von Demonstranten kamen zum Lincoln Center, zeigten Transparente: „Gelb unterstützt Terrorismus“ oder „Metropolitan Nazi Opera.“ Adams Werk handelt von der Entführung eines Kreuzfahrtschiffes, bei dem Mitglieder der Palästinensischen Befreiungsfront den jüdisch-amerikanischen Passagier Klinghoffer ermordeten. Regisseur Tom Morris verteidigt das Werk: Es sei weder antisemitisch noch würde es Terrorismus verherrlichen. „Man könnte bei dieser Logik auch behaupten, ‚Othello’ propagiert einen Frauenmord.“
Außerdem machten Besetzungsfragen Sorgen. Regisseur Michael Grandage war wegen Dreharbeiten abhanden gekommen, Richard Eyre sprang ein. Marina Poplavskaya konnte die Gräfin aus gesundheitlichen Gründen nicht singen, die 29-jährige Debütantin Amanda Majewski übernahm. Das tut der Produktion gut: Majewski singt filigran und selbstsicher. Der Regisseur hat „Figaro“, diese Oper um Geschlechterdifferenzen, Eifersucht und Liebe, in die 30er Jahre versetzt, um ihr eine dunkle, exaltiert-erotische Note zu verleihen. Die Darsteller, vor allem Marlis Petersen als Susanna, spielen koketter als an der konservativen Met üblich. Auch die Herren – Ildar Abdrazakov als Figaro, Peter Mattei als Graf Almaviva – überzeugen. Nur das Orchester hat mit dem Tempo zu kämpfen. Dafür entschädigt auf der Bühne ein amüsantes, laszives Beziehungsgewirr, das sich auch in einer WG in Brooklyn abspielen könnte. Ein Figaro, aktueller denn je.
Live-Übertragung in den Berliner Kinos Cinestar Sony Center, Alexanderplatz, Kulturbrauerei und Tegel am 18. Oktober um 19 Uhr.