Film über Armenien-Völkermord: Romanze in grausamen Zeiten
Terry George verschmalzt in seinem Drama „The Promise“ den Völkermord an den Armeniern. Allein Christian Bale lehnt sich gegen die Glätte auf.
Natürlich ist es erst mal hochehrenwert, wenn ein sehr sichtlich fürs große Publikum entworfener Film auch geschichtliche Aufklärung liefern und so das Gute und Wahre mit dem schön Unterhaltsamen verbinden will.
Der nordirische Regisseur Terry George ist für derlei dramatisches Infotainment ein Spezialist. So war er vor 13 Jahren mit „Hotel Ruanda“, der im afrikanischen Kigali zur Zeit des 1994 von Hutu-Milizen betriebenen Völkermords an der Minderheit der Tutsi angesiedelt ist, zu Recht für den Oscar nominiert. Nun möchte er in „The Promise – Die Erinnerung bleibt“ einen anderen Genozid ins möglichst weltweite Gedächtnis rufen: die Ermordung von etwa anderthalb Millionen Armeniern durch das Osmanische Reich in den Anfangsjahren des Ersten Weltkriegs.
Man möchte da sofort auf der Seite von George und seinem Film sein. Denn die Türkei als geografisch geschrumpfte Rechtsnachfolgerin des Osmanen-Imperiums weigert sich bis heute, das Verbrechen an der armenischen Minderheit als Völkermord anzuerkennen. Und gerade in der durch Präsident Erdogan so nationalistisch aufgeheizten Stimmung wird „The Promise“ offenbar seit seiner Premiere beim Toronto Film Festival 2016 mit organisierten Shitstorms im Internet und Boykottdrohungen verfolgt.
Drama aufs Auge gedrückt
Aber kann man darum den Film mit ganz anderen Augen sehen? Das fiele schon schwer, weil Terry George und sein Kameramann Javier Aguirresarobe die Bilder und mit ihnen die Menschen und ihre Geschichte nicht einfach erzählen, sie einem vielmehr aufs Auge drücken. So, als dürfe keines je trocken bleiben, als sei nie ein freier Blick erlaubt und als heilige der gute Zweck die filmischen Mittel.
1914: Nachdem er einem Nachbarmädchen die Heirat versprochen hat, bricht der junge Armenier Michael Boghosian (Oscar Isaac) aus seinem südtürkischen Dorf, in dem armenische Christen mit muslimischen Türken zusammenleben, gen Westen auf, um auf Kosten der Mitgift seiner Braut, wie verabredet, in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, Medizin zu studieren und dann als Arzt und Ehemann zurückzukehren. Im Haus eines wohlhabenden Onkels trifft er auf die hübsche Ana (Charlotte Le Bon), eine schon länger im Westen lebende Künstlerin mit armenischen Wurzeln, die im Hause des Onkels die beiden Töchter das Tanzen lehrt und, für ihre Zeit ungewöhnlich, ohne Trauschein mit dem amerikanischen Fotoreporter Chris Myers (Christian Bale) liiert ist. Diese Liaison wird durch dessen schwermütigen Alkoholismus immer wieder auf die Probe gestellt – zumal sich die Armenier Ana und Michael auf Anhieb ineinander verlieben. Zwei anders Versprochene.
Schon das erste Treffen der beiden auf einer vor malerischstem Meer und Minaretten in den Bosporus ragenden Terrasse im Haus des Onkels ist derart inszeniert, nein choreografiert, dass jedes Geheimnis sofort verraten wird: weil immer mit bedeutungsvoller Zentralperspektive gefilmt oder wechselseitig im Close-up auf Oscar Isaacs dunkel leuchtende oder Charlotte Le Bons samtig verträumte Augen geschnitten wird.
Verschmalzung des Horrors
Verraten, das Wort gilt im doppelten Sinne. Denn in „The Promise“ gibt es keine Einstellung, die nicht, auf einem parfümierten Soundteppich, zeigefingert und in der erfundenen Schmachtstory auch den historischen Schrecken instrumentalisiert. Ob rassistische Knallchargen (osmanische und kaiserdeutsche Offiziere im orientalischen Salon), ob Kriegsausbruch, eine Pogromnacht in Istanbul, ob später Vertreibungen und Massaker in Wäldern und Wüsten, fast immer ist es auch eine Ästhetisierung, wenn nicht Verschmalzung des Horrors. Klar, dass dabei die Romanze wider alle Wahrscheinlichkeiten unsterblich bleibt. Allerdings verrät sich das Machwerkhafte dann auch im Handwerklichen: wenn etwa bei Verfolgungsjagden erkennbar Timing und Distanzen nicht stimmen und Terry George dieses Manko durch Schnitte mühsam zu kaschieren sucht.
Wie eine Auflehnung gegen die Glätte wirkt hier allein Christian Bales Spiel als rauer Reporter, harter Trinker und hellsichtiger Zeitzeuge, der noch durch Whiskyschwaden hindurch den Zerfall eines Imperiums und seiner Vielvölkerschaft durchschaut.
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