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 Channing Tatum und Jamie Foxx in "White House Down".
© Sony

Schneller, Mr. President!: Roland Emmerichs "White House Down"

Blockbuster-Regisseur Roland Emmerich lässt in seinem Actionthriller „White House Down“ Terroristen ins Weiße Haus eindringen. Jamie Foxx spielt den Präsidenten, dem ein Afghanistan-Veteran zur Hilfe eilt.

Es gehört zur Ironie der Filmgeschichte, dass in ihrem Verlauf wohl kaum ein Gebäude häufiger in Schutt und Asche gelegt wurde als das Weiße Haus in Washington. Vermutlich stellt es eine besondere Herausforderung für Regisseure und Drehbuchautoren dar, ihre destruktive Fantasie an einem der bestgesicherten Bauwerke der Welt in immer neuen Variationen auszuprobieren.

So gibt es allein im Œuvre des Desasterfilmkönigs Roland Emmerich gleich drei spektakuläre Zerstörungsszenarien. Bei „Independence Day“ radieren Aliens mit Strahlenwaffen das symbolische Herz der Weltmacht USA aus. Im Endzeitfilm „2012“ sieht der von Danny Glover gespielte Präsident eine gigantische Flutwelle über das Weiße Haus hereinbrechen. Emmerichs neuer Actionthriller „White House Down“ macht schon im Titel unmissverständlich klar, um was es geht: Ein Kommando schwer bewaffneter Terroristen stürmt das Weiße Haus, überbrückt mit Unterstützung eines Verschwörers aus dem innersten Kreis alle Sicherheitssperren und verschafft sich Zugriff auf die Codes für Amerikas Atomwaffen. Nur der Polizist und Afghanistan-Veteran (Channing Tatum), der zum Zeitpunkt der Erstürmung mit seiner Tochter zufällig eine Touristenführung mitmacht, kann als versprengter Einzelgängerheld das Allerschlimmste verhindern.

Ein Szenario, das einem vage bekannt vorkommt. Erst vor wenigen Monaten lief Antoine Fuquas inhaltlich verwandter „Olympus Has Fallen“ in den Kinos. Eine bittere Pille für Emmerich: Fuquas halb so teurer Krawallschinken schöpfte in den USA einen Großteil des Zuschauerpotenzials ab, „White House Down“ droht ein 150 Millionen Dollar schwerer Flop zu werden. Bei allen Parallelen gibt es jedoch signifikante Unterschiede zwischen beiden Filmen.

Im Vergleich zur ideologischen Unbekümmertheit, mit der Fuqua einen Haufen Nordkoreaner in Uncle Sams Allerheiligstes schickt, ist Emmerich um ein realistischeres, politisch korrekteres Szenario bemüht, bei der die Gefahr aus den eigenen Reihen kommt. Das macht weniger Spaß als Fuquas trashiges David-gegen-Goliath-Spiel, funktioniert aber als Action- und Verschwörungsthriller mit hohem Bodycount, präzisem Timing und intensiver Spannungskurve gut.

Die Bösewichte schießen in "White House Down" dauernd daneben

Auf der Habenseite kann „White House Down“ ein prächtig harmonierendes Hauptdarstellerpaar verbuchen. Der Kontrast zwischen Jamie Foxx als am gegenwärtigen Original orientierter, in Sachen Coolness und Glaubwürdigkeit überhöhter Präsident und dem wortkargen Schlagetot Channing Tatum schlägt durchaus komödiantische Funken.

Natürlich ist der Plot hochgradig unrealistisch. Findige Nerds listen im Internet genüsslich alle waffentechnischen Unmöglichkeiten auf, doch auch dem Laien fallen diverse Ungereimtheiten ins Auge: Ein als Gebäudereiniger verkleideter Terrorist schiebt unbehelligt eine Bombe ins Kapitol. Spezialisiertes Secret-Service- Personal missachtet unter Beschuss die simpelsten Regeln eines Feuerkampfs. Ganz zu schweigen vom fehlenden Zielwasser der Bösewichte, bei denen kurz zuvor noch jeder Schuss ein Treffer war. Andererseits erheben Actionthriller keinen Anspruch auf dokumentarische Genauigkeit. Betrachtet man „White House Down“ mit der gleichen Toleranz wie einen Film aus der „James Bond“- oder „Stirb Langsam“-Reihe, empfiehlt sich Emmerich als lernfähiger Neuling im Thrillergenre.

Leider lässt es sich der amerikanischste aller Schwaben nicht nehmen, das Finale mit einem Happy End voll patriotischer Symbolik komplett zu überzuckern. So sorgt der Regisseur für einen klebrigen Nachgeschmack, der zwei Stunden solides Actionhandwerk entwertet.

Jörg Wunder

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