Ausstellung im Bröhan-Museum: Riss in der Zeit
Eine Ausstellung im Bröhan-Museum zeigt Kunst und Köpfe der Berliner Secession – und porträtiert damit eine Zeitenwende.
Am Ende waren sogar die Zeitgenossen verwirrt. Innerhalb von nur zwanzig Jahren – von 1898 bis 1919 – gründeten sich in Berlin drei Secessionen sowie die Novembergruppe. Programmatisch setzten sich alle Künstlervereinigungen voneinander ab. Personell herrschte rege Durchlässigkeit. Ein Maler wie Max Pechstein war im Laufe seines Lebens Mitglied in allen vier Gruppierungen. Schließlich zeigten 1919 die Mitglieder der Secessionen und die Novembergruppe ihre Werke bei der Berliner Kunstausstellung gemeinsam – Impressionismus, Expressionismus, Kubo-Futurismus hingen im Ausstellungshaus am Lehrter Bahnhof unter einem Dach. „Das kommt von der Politik, den Parteien und den Vereinen“, schrieb damals ein Beobachter. „Lasst doch den Blödsinn, stellt einfach gute Bilder aus.“
Folgt man in der dichten Ausstellung des Bröhan-Museums „Von der Berliner Secession zur Novembergruppe“ der Fährte der Bilder, kann man fast physisch die Zerreißkräfte spüren, die während dieser Zeitenwende am Werk waren. Die Gründung der Berliner Secession 1898 lässt sich – wie zuvor in München oder Wien – als Protest gegen die akademische Vorherrschaft an. Nachdem das Gerücht umging, ein Grunewald-Bild von Walter Leistikow solle nicht zur Großen Berliner Kunstausstellung zugelassen werden, schloss sich eine Gruppe von Unzufriedenen unter der Präsidentschaft von Max Liebermann zusammen, um eigene Ausstellungen zu konzipieren.
Die Rebellen wirken bürgerlich, fast brav
Ein Raum im Bröhan-Museum versammelt die Porträts und Selbstporträts der Protagonisten. Da wirken die Rebellen überraschend brav. Georg Tappert stellt sich bürgerlich mit Frack und Zylinder dar, Curt Herrmann als Jäger. Walter Leistikow sitzt mit Schiffermütze am See. Die Impressionisten sind der Landschaft verpflichtet. Wieder einmal ragen die angerissenen, spotartig beleuchteten Unterholzblicke von Karl Hagemeister heraus, der als Fischer und Jäger in der Nähe von Ferch lebte. Hier prunkt das Bröhan-Museum mit seinem Schatz, einem umfangreichen Hagemeister Konvolut, und zeigt mit einer exquisiten Ölskizze von Julie Wolfthorn Hagemeisters Einfluss.
Nach 1910 setzen sich die Expressionisten durch
Noch rauer müssen die Industrielandschaften auf damalige Betrachter gewirkt haben. In seinem Bild vom Braunkohlekraftwerk in der Niederlausitz blickt Franz Skarbina in den dunklen Abgrund, aus dem Menschen über Holzleitern die Kohle zutage befördern. Am schwefelbraunen Horizont rauchen die Schlote des Kraftwerks.
Mit der Gründung der Neuen Secession 1910 setzten sich die Expressionisten durch. Die Brücke-Künstler waren schon 1905 nach Berlin gekommen und traten geschlossen der Gruppe bei. Die Vereinigung verhalf auch der zweiten Liga an die Öffentlichkeit. Eine interessante Entdeckung ist César Klein, von dem konzentrierte Stillleben mit einer ruhigen Tiefe zu sehen sind. Der gebürtige Hamburger unterrichtete in Berlin, entwarf Filmkulissen und später das Intarsien-Wandbild im Renaissance-Theater. Dreimal bat ihn Walter Gropius ans Bauhaus – vergebens.
Die Gesichter verzerren sich zur Fratze
Je näher der Erste Weltkrieg rückt, desto stärker verblassen die lebenshungrigen Farben der Expressionisten. Über die Caféhaus-Szenen von Willy Jaeckel legt sich ein grauer Schleier, die Physiognomien verzerren sich zur Fratze. Derweil streitet die Berliner Secession auch nach ihrer Spaltung weiter, gegen den Einfluss von Max Liebermann und gegen die Internationalisierung der Ausstellungen. Diesmal setzt sich die Kernmannschaft ab und gründet 1914 die Freie Secession. Um Klüngelwirtschaft zu vermeiden, soll jetzt eine jährlich rotierende Jury die Ausstellungen kuratieren. Bissig zeigt ein Gemälde von Max Beckmann, der zur Jury der ersten Ausstellung gehört, den künstlerischen Konkurrenzkampf. Beckmann malt, wie er im Ringkampf mit einem dunklen Feind zu Boden geht. In der nächsten Runde, so die ätzende Botschaft, würde Beckmann den Impressionisten unterliegen.
Wie groß die Kluft innerhalb der Gruppe tatsächlich ist, lässt sich an dem verunglückten Großformat „Bacchanal“ von Arthur Degner aus dem Jahr 1915 erkennen, das zu den schrägsten Auswüchsen dieser Zeitenwende gehört. Ein krötiger Bacchus tanzt umringt von nackten Schönen. Offenbar reichten weder Zeit noch Talent für Perspektiven und Proportionen.
Nach dem Ersten Weltkrieg, mit der Gründung der Novembergruppe, bekennen sich die Künstler zum politischen Aktionismus. Russische Revolutionskunst, Futurismus, Kubismus fließen in dynamische Utopien ein. Jetzt existieren alle Kunstrichtungen nebeneinander. Leider kommt in diesem Überblick die entscheidende Rolle von Herwarth Walden mit seiner Galerie Der Sturm zu kurz. Da stößt die Ausstellung an ihr eigenes Konzept. Denn die Geschichte der Berliner Secessionen erzählt weniger die Entstehung künstlerischer Avantgarden als vielmehr ihre Etablierung.
Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, bis 3. 4.; Di–So 10–18 Uhr.
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