Tarantino-Film "Django": Reizvokabel Holocaust
Darf man die Sklavenhaltung in den USA mit dem Holocaust vergleichen? In der Debatte um Quentin Tarantinos neuen Film "Django Unchained" ist das passiert - offenbar auch aus PR-Gründen.
So genannte Nachrichten im Vorfeld von großen Hollywood-Produktionen sind stets mit Vorsicht zu genießen. Die übliche Variante kleidet sich ins Genre Klatsch & Tratsch. Seltener ist das noblere Gewand der debattenähnlichen Verlaufsform. In beiden Fällen schadet es nie zu fragen: Wem nützt die News?
Quentin Tarantinos 100-MillionenDollar-„Django“, in den USA seit Weihnachten im Kino, ist dieser Tage auf Level 3 der Vorabneuigkeiten angekommen. Die erste war die Absage der Hollywood-Glitzerpremiere kurz nach dem Schulmassaker von Newtown, Connecticut. Nur Zyniker würden hier nach dem Nutzen einer Entscheidung fragen, die die Pietät gebot. Dennoch darf man nüchtern feststellen: Die Nichtabsage hätte der Karriere des extrem brutalen Films gewiss geschadet.
Zweifellos extrem nützlich für die Produktion war dann, pünktlich zum Kinostart, Spike Lees wütende Einlassung, die im Film gegeißelte Sklaverei der Schwarzen sei kein „Spaghetti-Western“, sondern ein „Holocaust“ gewesen – zumal der Hohepriester der afroamerikanischen Community zugleich bekannte, sich den Film gar nicht erst anschauen zu wollen. Remmidemmi ist immer gut fürs Geschäft. Nur: Was, wenn Spike Lee mit dem Super-Reizwort vom Holocaust doch Leute vom Ticketkauf abhält?
Da braucht es, sicher ist sicher, Stufe 3 der öffentlichen Ärgerniserregung. Also stimmte ausgerechnet Tarantino selber Spike Lee dröhnend zu, ausgerechnet vor der Premiere in Berlin. Klar sei die Sklaverei ein Holocaust gewesen und die Ausrottung der Indios bei der Eroberung des Kontinents ein zweiter. Deutungshoheitlich gemeint: Seine neueste Killer-Orgie in historischem Gewand möge als flammender Protest verstanden werden, wie ihn ein Spike Lee nicht besser hätte in Szene setzen können.
Holocaust? Der Begriff, etymologisch „vollständig verbrannt“ bedeutend, bezeichnet die Industrialisierung des Mordens, wie die Nazis sie an den Juden betrieben – ein Menschheitsverbrechen, für das es, trotz mancher furchtbarer historischer Annäherungsversuche, keine Parallele gibt. Dass der Terminus inzwischen inflationär verwendet wird, vom Tier-Holocaust bis zum Abtreibungs-Holocaust, macht seine klar konnotierte Schärfe nur noch sichtbarer. Und dass gerade Rechtsradikale die Abschleifung des Begriffs betreiben und bejubeln, erst recht.
Nun könnte man sagen: Wer so ungenau mit dieser eindeutig konturierten Vokabel umgeht, kann nur dumm oder böse sein. Aber das wäre wohl so hart wie darauf hinzuweisen, dass trotz extremer Grausamkeit die weißen Sklavenhalter schon ausbeutungshalber strukturell eher ein Interesse am Leben als am massenweisen Tod ihrer schwarzen Opfer hatten. Auch diskreditiert die blutige Spaßeslust, die Tarantino – wie schon in „Inglourious Basterds“ – geritten hat, nicht unbedingt das Nebenmotiv, den historisch Unterdrückten zumindest nachträglich im Kino zum Sieg zu verhelfen.
Nur ist ihm dafür offenbar jedes Mittel recht. Argumentativ bei Pressekonferenzen. Und ästhetisch, im Film selber. Aber davon – auch dieser Text weiß um seine Verwendbarkeit im PR-Zusammenhang – nächste Woche mehr, im Kino.
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