Horror-Comic: Rein ist die Rache
Richard Corben ist zurück. Mit "Bigfoot" versucht der Altmeister des Fantasy-und Horrorcomics, an die Arbeiten anzuknüpfen, die ihn einst berühmt machten. Für Sven Jachmann ist die Kooperation mit Rob Zombie jedoch nur eine müde Reprise
Keine Frage, alle drei Beteiligten an dieser Miniserie haben sich im phantastischen Bereich unleugbar ihre Meriten erworben. Insbesondere Richard Corben, der für "Bigfoot" lediglich als Zeichner fungiert, hat mit seinen eigenwilligen Körperbildern in "Den" das reaktionäre Verständnis des Fantasyhelden-Habitus sarkastisch ad absurdum geführt und auf diesem Wege stets unter der Hand Kritik der Geschlechterrollen und des Konservatismus dieses Genres formuliert. Rob Zombies Filme hingegen präsentieren ganz und gar huldigendes Zitatkino, dessen Motiv- und Sujetmodifikationen indes immer den Zeichen-Diskurs mitzudenken scheinen.
Wenn die zwei sich also zusammenschließen, um dem Monster-Motiv auf den Zahn zu fühlen, dürfen ruhig Erwartungen im Spiel sein und so viel sei gesagt: Die vorliegende Mini-Serie erfüllt sie nicht im Geringsten. Der Mythos Bigfoot wird visualisiert als grobschlächtiges Monstrum, als konzentrierte Gewalt und reines Es.
Und diesem Es rückt nun inmitten der kanadischen Wälder der traumatisierte Billy zu Leibe, der, so erzählt es der Prolog, als Kind mitansehen musste, wie das Biest seine Eltern zerfleischte und nun, mittlerweile zum Mann gereift, auf Vergeltung sinnt.
Unterstützung findet er dabei in einem Dorfsheriff, der schon lange, weit vor der Ermordung der Eltern, um die Existenz Bigfoots weiß, allerdings selbst ein gebranntes Kind ist und erst dank Billys Unterstützung zum letztlich erfolgreichen Rachefeldzug antreten kann.
Überwältigung durch Schockmomente
Motivisch ist das Sujet auf Vulgärfreudianismus ausgerichtet: Bigfoot tötet während deren Liebesspiel Billys Eltern in dessen Gegenwart und verschleppt seine noch lebende Mutter in die Dunkelheit. Fortan wird Billy nicht nur explizit von Alpträumen geplagt, in denen Bigfoot seinen Vater ersetzt, sondern auch das Sehen selbst implizit als Schwachstelle etabliert: Geboten wird eine lupenreine Slasherfigur, die beständig aus dem Nichts heraus und ohne Vorankündigung, ohne Geräusche ihre Opfer schlagartig erhascht.
Man muss einem Plot, der das Trauma selbst zum manifesten Mittelpunkt erkoren hat, nicht mit besserwisserischer Logik auf den Zahn fühlen: Wieso kann ein Massenmörder etwa all die Jahre unbeachtet wüten, obgleich die Zahl der Todesfälle längst den dreistelligen Bereich erlangt haben muss? Bloß weil ein Dorfsheriff die Wahrheit verheimlichen will?
Gerahmt wird die Erzählung aus der Ich-Perspektive Billys. Folglich wären dem Handlungsverlauf auch Inkonsistenzen zu verzeihen, wenn das Gespann aus Trauma und Erinnerung es nicht anders zulässt. Aber Zombie möchte altmodisch erzählen und wechselt fortan zu einer personalen Erzählerinstanz. Deswegen sind die Charakterisierungen bloß nötige Staffage, um Bewegung in den Konflikt zu bringen. Der Nährwert speist sich aus dem Zitat, das gänzlich unironisch eingefügt und auch formal fast bieder verarbeitet wird. Der Auftritt des Monsters erfolgt stets in doppelseitigen Splashpanels, der Ausdruck der Angst wird im Detail erfasst, Nahaufnahmen der Augen erfüllen die Panels: Überwältigungstechnik durch simple Schockmomente und visuell derselbe Konservatismus, wie er bereits der Story inhärent ist.
Genremix mit reaktionärem Kern
Das Ergebnis ist ein Jason Vorhees mit mehr Haaren im blutrünstigen Amok(leer)lauf. Denn wo man in der "Freitag der 13."-Reihe gezwungen war, die eigene Rezeptionsgeschichte zu reflektieren, um dem seriellen Konzept neue Facetten abzuringen, geht Zombie den umgekehrten Weg und zelebriert in Gestalt Bigfoots den reaktionären Backlash: Er ist, wie etwa Jason, kein augenzwinkerndes Instrument zur Korrektur des gefährdeten Puritanismus, sondern ganz und gar Projektionsfläche der reinen Rache.
Seine Gewalt besitzt weder den subtextuellen Auftrag, den Hedonismus der Opfer zu bestrafen, noch ist sie monströse Manifestation der Angst vor der menschlichen Selbstvernichtung.
In diesem Sinne ähneln die Figuren tatsächlich dem Westerner, wenn sie vogel- und froschperspektivisch heroisiert in voller Waffenmontur den Kampf gegen die bösartige Natur aufnehmen, sie rechtmäßig sich unterwerfen, nachdem sie das kleinste Element der zivilisierten Gruppe, die Familie, zerstört hat. Das folgt der Imaginationskraft des Western-Mythos, der durch Bestialisierung des „Anderen“ den kolonialistischen Blick zu verschleiern sucht und erhält sogar noch moralische Bestätigung, wenn sich herausstellt, dass Bigfoot seine Familie, ganz wortwörtlich, auf einem riesigen Leichenberg gegründet hat.
Was vielleicht apokalyptische Wucht evozieren soll, drängt zum Gegenteil: Ein Fanal zu setzen im Dienste der gefährdeten Ordnung können auch die verarbeiteten Vorbilder – aber die verfügen über ein Zeitkolorit, auf das die Gegenwart warten lässt.
Steve Niles und Rob Zombie (Text) / Richard Corben (Zeichnungen): Bigfoot. Aus dem Amerikanischen von Frank Neubauer. Cross Cult Verlag, Ludwigsburg 2009. 128 Seiten. 16 Euro
Sven Jachmann
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