Tanz im August: Brenda Dixon-Gottschild: Rasse ist Illusion
Bei "Tanz im August" wirbt Brenda Dixon-Gottschild für eine neue Generation schwarzer Choreografen und die Anerkennung schwarzer Kunst.
Brenda Dixon-Gottschild kann man beim „Tanz im August“ öfters begegnen – allerdings nicht auf der Bühne. Die Afroamerikanerin ist Kulturhistorikerin, Choreografin und Antirassismus-Aktivistin und leitet beim Festival diverse Gesprächsformate. So lädt sie die Zuschauer beim „Dance Circle“ ein, nach der Vorstellung mit ihr über die Performance zu reflektieren. Dabei hat sie eine besondere Herangehensweise. „Einmal Tänzerin, immer Tänzerin“, sagt die 73-Jährige lächelnd. Ihr geht es darum, ein Werk von innen heraus zu verstehen. „Ich hoffe, dass ich die Zuschauer anleiten kann, ein angemessenes Vokabular dafür zu finden, was sie gesehen haben, ohne ihre Eindrücke zu sabotieren.“
Doch sie führt auch Gespräche mit Künstlern. In der Reihe „Meeting of Minds“ trifft sie auf die beiden Tanz-Veteranen Valda Setterfield und Gus Solomons Jr. (21.8., 18.30 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg) Mit Niv Acosta unterhält sie sich im Anschluss an die Aufführung von „Discotropic“ in den Sophiensälen (Fr 26.8., 22.30 Uhr) und mit Jaamil Olawale Kosoko wird sie über dessen Stück „#negrophobia“ sprechen.
Die offenen Publikumsformate liegen der Festival-Leiterin Virve Sutinen sehr am Herzen. Und eine bessere Moderatorin als Brenda Dixon-Gottschild hätte sie nicht finden können. Die ist mehr als nur ein brillanter Kopf – mit dieser Beschreibung würde man ihr nicht gerecht werden. Sie kann mit dem Dualismus von Leib und Seele nichts anfangen. Sie spricht lieber von einem „denkenden Körper“ und dem „tanzenden Geist“.
Mit ihrem deutschen Ehemann Hellmut Gottschild lebt sie in Philadelphia. Der Choreograf – er war der letzte Assistent von Mary Wigman – hat eine Wohnung in Berlin behalten. Zum Gespräch empfängt Dixon-Gottschild dort in Steglitz und serviert Rosenblütentee.
Was Schwarze zur US-Kultur beitragen, wird nicht beachtet
Einen Namen hat sich die Kulturhistorikerin mit ihren Buch „The Black Dancing Body“ gemacht. Sie schildert darin nicht nur die Geschichte des schwarzen Tanzes in den USA. Ihr Ansatz ist ganz unorthodox, sie entwirft eine Geografie des Körpers. Vor allem aber wollte sie die Vorstellung entlarven, dass es einen „schwarzen“ oder einen „weißen“ Körper gibt. Rasse sei eine gesellschaftliche Konstruktion, argumentiert sie. „Rasse ist eine Illusion, aber die Gesellschaft hat sie zu einem Fakt gemacht.“ Entlarven könne man das Konzept nur, wenn man es durchdiskutiere, sagt sie und zitiert eine Zen-Weisheit: „The only way out is through.“ Für das Buch hat sie nicht nur afroamerikanische Künstler interviewt. Ihr Fazit lautet: „Schwarze gehören ebenso zum Ballett wie Weiße glauben, dass sie zum Hip-Hop gehören.“
In ihren Schriften hat sie auch gargelegt, dass der Beitrag der Schwarzen in der amerikanischen Kultur unsichtbar gemacht wurde. Auch ein Choreograf wie Steve Paxton, in den Siebzigern eine führende Figur der weißen Avantgarde, war davon beeinflusst, stellt sie fest. „Die Politik der Bürgerrechtsära machte es möglich, sich von den Konventionen zu befreien und über eine neue Form des Tanzens nachzudenken. Afroamerikaner haben das immer gemacht: sich von einengenden Vorstellungen gelöst, um etwas Neues zu entdecken. Aber dann hat es sich der Mainstream angeeignet.“
Tanz hat Vorreiterrolle im Kampf gegen Vorurteile
Alles, was Menschen tun, ist politisch, davon ist Brenda Dixon-Gottschild überzeugt. Der Tanz hat für sie eine Vorreiterfunktion, wenn es darum geht, Stereotype zu bekämpfen. „Er kann einen Dialog jenseits aller Rassenunterscheidung eröffnen. Das brauchen wir ganz dringend im Moment.“
In den USA sorgt nicht nur die Bewegung „Black Lives Matter“ für Diskussionen. Derzeit findet auch eine Debatte unter dem Motto „Black Art Matters“ statt. Davon kann man auch etwas beim „Tanz im August“ spüren. Es gibt eine neue Generation von schwarzen Choreografen, die sich mit ihrem Anderssein auseinandersetzen. Diese Avantgarde-Bewegung nennt sich zwar „Afrofuturismus“, doch sie widmet sich den drängenden Fragen der Gegenwart. „Sie sind intellektuell, philosophisch und haben zudem ein Wissen über Bewegung“, stellt Dixon-Gottschild fest.
Angst vor schwarzen Körpern immer noch verbreitet
Das Stück „#negrophobia“ beispielsweise, das Jaamil Olawale Kosoko in Berlin zeigt, thematisiert die Angst vor dem schwarzen, männlichen Körper. Diese unterschwellige Angst sei immer noch stark verbreitet, glaubt Dixon-Gottschild. Dabei fällt ihr sofort Donald Trump ein – obwohl sie sich weigert, den Namen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten auszusprechen. „Er schürt die Angst vor allen, die anders sind und nicht in sein Weltbild passen.“
Brenda Dixon-Gottschild stemmt sich mit aller Kraft gegen ein Denken, das spaltet und ausgrenzt. „Verbindung“ ist derzeit ihr deutsches Lieblingswort. Sie lotst die Zuschauer durch das Festival und knüpft dabei viele Verbindungen – zwischen den Worten und dem Tanz, zwischen den Künstlern und den Zuschauern. Davon kann sich jeder selbst überzeugen.
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