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Zeitung ist ein gefährliches Geschäft. Steinfeld alias Wallander (hier gespielt von Kenneth Branagh) ermittelt in Schweden.
© picture alliance / Mary Evans Pi

Skandal im Kulturbetrieb: Racheakt im Schwedenkrimi?

Mord im Zeitungs-Milieu: Hat sich „SZ“-Kulturchef Thomas Steinfeld mit einem Krimi an „FAZ“–Herausgeber Frank Schirrmacher gerächt?

Es ist erst ein paar Tage her, da wurde der „Welt“-Feuilletonredakteur Richard Kämmerlings von seinem „Welt“-Kollegen Tilman Krause in der „Welt“, in diesem Fall der „Literarischen Welt“, ganz manierlich gelobt. Er besitze nicht nur eine philologische Ausbildung, so Krause, sondern zudem „ein wichtiges außerliterarisches Referenzsystem“: das des Pops im Allgemeinen und neuerer amerikanischer Fernsehserien im Speziellen, beide wiederum wichtig für die jüngere deutschsprachige Literatur. Nun ist es gut möglich, dass der gern Noten verteilende Krause seinen „Welt“-Kollegen demnächst noch für etwas anderes lobt: nämlich der oberste Feuilleton- und Literaturbetriebsenthüllungsjournalist des Landes zu sein; ein tatsächlich sehr guter, angesehener Literaturkritiker, der sich nicht nur für Krimis interessiert und diese gar liest, sondern zudem tapfer kriminalistischen Spürsinn beweist.

Nachdem Kämmerlings erst vor zwei Monaten aufgedeckt hatte, dass sich hinter Jean-Luc Banalec, der als Autor des bei Kiepenheuer & Witsch erscheinenden Kriminalromans und „Spiegel“-Bestsellers „Bretonische Verhältnisse“ als Autor genannt wird, wohl der Verleger des S. Fischer Verlags verbirgt, Jörg Bong, ist er jetzt einem weiteren, größeren Pseudonymschwindel auf die Spur gekommen: Der nächste Woche bei S. Fischer erscheinende Schwedenkrimi „Der Sturm“ sei nicht von Per Johansson geschrieben worden, wie es Cover und Klappentext glauben machen wollen, sondern höchstwahrscheinlich vom Feuilletonchef der „Süddeutschen Zeitung“, Thomas Steinfeld. Und „Der Sturm“ ist zwar schon irgendwie ein Schwedenkrimi, denn er spielt in Schweden. Doch vor allem gleicht er, da das Mordopfer „der Chef einer Zeitung ist, die in ganz Deutschland gelesen wird“, einem laut Kämmerlings „fiktiven Schaufelhieb und einem realen Rufmord“ an, genau: dem „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher.

Kämmerlings Belege – auch er war früher bei der „FAZ“ – scheinen eindeutig. Er legt in seinem sorgfältig recherchierten und geschriebenen Text eine schöne Indizienkette aus, so genau wird da der fiktive Schirrmacher (der hier Christian Meier heißt) vor allem hinsichtlich seiner journalistischen Aktionen und Scoops in dem Roman charakterisiert.

Und so sehr bietet sich Thomas Steinfeld tatsächlich als Autor an, von seiner Schweden-Begeisterung (er soll dort einen Zweitwohnsitz haben) bis hin zu dem Werbespruch (in der Fachsprache „Blurb“) des von Steinfeld hochgeschätzten, mit ihm gut bekannten, des Englischen, aber nicht des Deutschen mächtigen türkischen Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk auf der Romanrückseite: „Der beste und intelligenteste Kriminalroman, den ich seit langer Zeit gelesen habe.“ (Vorne steht ein Blurb des schwedischen Erfolgsautors Hakan Nesser.)

Es gibt Parallelen zu dem Skandal um Walsers „Tod eines Kritikers“

Die Frage ist jetzt, wen das außerhalb des Kulturbetriebs wirklich interessiert? Welchen Erkenntniswert diese Enthüllung hat? Und: Wäre es nicht eine Nummer kleiner gegangen? Kämmerlings analysierte bei Banalec/Bong, „eine Irreführung“ von Leser und Medien. Er fragte, wie könne ein Verleger, der Krimis schreibt, eigentlich seine Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe bestärken? Jetzt spricht er von „Vetternwirtschaft“, weil das Bong-Vorgehen außer der „Welt“ niemand anstößig fand (zumal jeder Verleger seine Unterhaltungstitel im Programm hat, selbst Ulla Berkéwicz.) Und dass viele Krimis unter Pseudonym geschrieben werden, bekannte Kämmerlings selbst, wobei hier ökonomische Notwendigkeiten eine große Rolle spielen.

Jetzt zieht er Parallelen zu dem Skandal seinerzeit um Martin Walsers Roman „Tod eines Kritikers“. Das ergibt eine sprechende Überschrift, schießt aber übers Ziel hinaus. Dieser Roman, der auf Marcel Reich-Ranicki zielte, war inhaltlich ein viel größeres Politikum (wegen der Antisemitismusvorwürfe, denen Walser sich ausgesetzt sah) als der „publizistische Racheakt“ (Kämmerlings), den Thomas Steinfeld hier mutmaßlich verübt.

Frank Schirrmacher könnte jetzt wirklich noch Gott werden – und hat schon gesagt, er lese keine schwedischen Kriminalromane. Und Thomas Steinfeld, sollte er denn der eine Teil des vom S. Fischer Verlag inzwischen ohne Namensangaben bestätigten Autorenduos mit Pseudoym sein? Der "SZ"-Kulturchef spekuliere auf Entdeckung, er wolle gar bestraft werden, insiniuiert Kämmerlings. Dass er sich dermaßen an seinem Kontrahenten abarbeitet, Steinfeld war bis 2001 bei der „FAZ“ als Literaturchef unter Schirrmacher, kann einem auch leidtun. Dass er das tut, ist übrigens kein Geheimnis (muss doch mal gut sein!). Vielleicht hat Steinfeld auch nur einfach seinen Spaß beim Schreiben von „Der Sturm“ (Originaltitel angeblich: „Stormen“) gehabt, ist ihm Schirrmacher als ideales Vorbild für seine Figur erschienen. Und vielleicht hat er im Wissen um die „Welt“-Geschichte gestern sogar einen Text über den Schweden Jonas Jonasson und dessen Erfolgsroman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ in sein Blatt gehoben.

Darin erkennt die Autorin Kristina Maidt-Zinke, dass das Feuilleton wohl nicht mehr so wichtig sei „für den Verkaufserfolg literarischer Erzeugnisse“. Und sie schreibt auch: „Nun ist bei vielen Bestsellerkandidaten ohnehin klar, dass sie nicht in die Zuständigkeit der professionellen Literaturkritik fallen und auch nicht mit entsprechender Intention verfertigt wurden.“ „Der Sturm“ aber wurde gescannt – selbst wenn die Intention von „Per Johansson“ (Bestseller? Abrechnung? Fingerübung?) noch unklar ist. Die Antwort, mein Freund, kennt nur der Wind.

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