„The Walking Dead“: Quicklebendige Tote
Das Endzeit-Drama „The Walking Dead“ ist eine der erfolgreichsten Comicserien seit langem. Vor dem Hintergrund einer Zombieplage geht es um sehr menschliche Fragen. In Kürze erscheint der 20. Band.
Der Verlag Image Comics hätte Robert Kirkman fast unverrichteter Dinge nach Hause geschickt. Doch der US-Comicautor fügte dem skizzierten Plot von „The Walking Dead“ einfach noch ein paar Aliens hinzu - und bekam den Vertrag über seine Serie doch noch. Der Verlag konnte sich nicht vorstellen, dass eine Apokalypse samt Zombies funktionieren würde. Was für ein Irrtum. Mittlerweile gehört „The Walking Dead“ zu den erfolgreichsten Comicserien, bei der jedes neue Heft bedingungslose Euphorie auslöst.
Die Aliens sind bis heute nicht aufgetaucht. Kirkman reicht sein Setting so vollkommen. Und der hier vielleicht größte Trick: Hauptfiguren sterben. Über Jahrzehnte hinweg gab es bei den meisten Comics die eine Gewissheit, dass Figuren, die den Leser durch die Geschichte führen, nicht draufgehen. Davon verabschiedet sich nicht nur Kirkman, der das Prinzip auch in die Fernseh-Adaption von „The Walking Dead“ überführt hat, sondern auch andere US-Serien wie „Game Of Thrones“ reihen sich da ein.
Dem Autor wurde die Tuberkulose an den Hals gewünscht
Das ist für manche Leser schwer zu verkraften: Schauspieler Steven Yeun schrieb Kirkman einen Brief, nachdem er das hundertste Heft gelesen hatte, mit dem Wunsch, dass Kirkman doch bitte die Tuberkulose erwischen möge, weil er einen beliebten Charakter sterben ließ. Das Heft wurde der meistverkaufte Comictitel der vergangenen 15 Jahre. In Deutschland erschien bei Cross Cult kürzlich der 19. Sammelband der Serie, im April wird Band 20 auf Deutsch erwartet. Und für Neueinsteiger wurde kürzlich auch ein über tausendseitiges Kompendium mit den ersten acht Teilen auf Deutsch übertragen.
Aus dem anfänglichen Überlebenskampf hat sich im Comic längst ein Krieg diverser menschlicher Kleingruppen entwickelt. Die Zombies sind dabei fast nur noch ein Mittel zum Zweck, ein Instrument, das sich benutzen lässt, um an das eigene Ziel zu kommen. Der größere Wahnsinn geht dabei in den jüngsten Folgen von einer zunehmend wichtigen Figur namens Negan aus, der sich in der Apokalypse ein eigenes diktatorisches Reich aufgebaut hat. Er ist der Gegenspieler der Hauptfigur Rick Grimes, eines ehemaligen Polizisten, der als Anführer seiner Gruppe versucht, trotz des Ausnahmezustandes gewisse moralische Standards aufrecht zu halten. Im Gegensatz zu Grimes geht es bei Negan nicht um die Rückkehr zur Normalität, sondern um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, das ungezügelte Ausleben des eigenen Egos.
Während sich die anderen Figuren in ihren Gewissenskonflikten meist für die gemeinnützigen Lösungen entscheiden, ist Negan unberechenbar. „In einer Welt, die von den Toten regiert wird, sind wir gezwungen, endlich unser Leben selbst in die Hand zu nehmen“, ist sein Credo. Über die Lebensläufe der Charaktere vor dem Ausbruch der Seuche erfährt der Leser oft nur durch Dialoge, es gibt keine Rückblenden. Und dadurch hebt Kirkman diese Geschichten hervor, legt den Fokus auf die Menschlichkeit in der Krise.
Am Ende steht nicht das Chaos, sondern eine neue Ordnung
Kirkman verriet dem US-Magazin „Rolling Stone“, dass er das Ende der Serie schon im Kopf habe, die finale Szene ist bereits geschrieben. Die Lehre der Serie: Seid zufrieden mit dem, was ihr habt. Denn Kirkman zeichnet in seinen Comics zwar eine postapokalyptische Welt, in der das Chaos herrscht, doch seine Figuren sind Teile der neuen Ordnung, die entsteht. Dafür schickt Kirkman sie durch mehrere moralische Dilemmata, lässt Hauptfiguren sterben – aber das nie zum Selbstzweck. Denn die Figuren gehen den Lesern nahe, sind nicht nur bloße Masse. Jeder Charakter, der zum Zombie wird oder stirbt, provoziert Entsetzen unter den Fans. Kirkman muss so konsequent sein, es ist Teil des Rezepts, um fesselnde Charaktere zu erschaffen. Auch wenn sie nicht bis zum Ende des Serie durchhalten.
„Viele Leute denken, dass die Serie sehr düster und deprimierend ist. Und das ist sie oft“, sagt Kirkman in dem Interview. „Aber ich kann sehen, wohin die Story sich in den nächsten zehn Jahren entwickelt und ich denke optimistisch über sie. Vielleicht macht sie uns am Ende sogar zu besseren Menschen.“ Damit bedient Kirkman ein altes Schema im Horror – all die Grenzerfahrungen führen nicht ins Chaos, sondern in die Ordnung.
„The Walking Dead“ erscheint auf Deutsch bei Cross Cult, einen Überblick über alle bisher veröffentlichten Bände gibt es hier.
Björn Bischoff
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