Paarbeziehungen heute: Putzen oder lieben
Ein Gespräch mit der Soziologin Cornelia Koppetsch, Professorin für Geschlechterverhältnisse an der TU Darmstadt, über die heikle Symmetrie moderner Paarbeziehungen.
Frau Koppetsch, als Soziologin beobachten Sie die gesellschaftlichen Strukturen, die das Leben zu zweit bestimmen. Gibt es einen zentralen Konflikt, der den Paaren heute zu schaffen macht?
Ja, es ist der innere Widerspruch, der dadurch zustande kommt, dass zwei gegensätzliche Leitmotive gleichzeitig wirksam sind: das der romantischen Liebe und das der gleichberechtigten Partnerschaft. Da prallen zwei Handlungslogiken aufeinander. Während in der Liebe das freiwillige Geben im Vordergrund steht, ohne zu rechnen oder aufzurechnen, folgt die Partnerschaft dem ökonomischen Modell einer Teamarbeit mit dem Anspruch symmetrischer Leistungen.
Sie sprechen von einem inneren Widerspruch: Wie finden Sie den heraus?
Wir führen Interviews mit den Paaren. Wenn man sie zum Thema Hausarbeit befragt, kann man hören: Bei uns läuft das partnerschaftlich, wir teilen uns die Arbeit auf. Aber wir wollen das genauer wissen und fragen nach: Wer putzt denn bei Ihnen die Fenster? Wer näht die Knöpfe an? Wenn man insistiert, kommen andere Dinge ans Licht. Etwa dass immer dann, wenn der Mann für längere Zeit die Hausarbeit übernimmt, im Erziehungsurlaub beispielsweise, eine Putzfrau engagiert wird, die es nicht gegeben hat, als die Frau für die Hausarbeit zuständig war. Das sind interessante Details, die den inneren Widerspruch deutlich machen.
Wenn die Paare selbst ihn nicht wahrnehmen, wieso leiden sie dann unter ihm?
Sie leiden so lange nicht daran, wie sie konfliktfrei mit der Situation umgehen können. So empfinden die Frauen das Arrangement, dass sie in der Regel mehr – und zwar viel mehr – Hausarbeit machen, so lange als gerecht, wie sie den Eindruck haben, dass der Mann ohne Aufforderung auch mal mit anpackt. Wenn diese symbolische Gegenleistung ausbleibt, der Mann sich gewissermaßen nicht mehr bemüht, fängt sie die Rechnung an. In dem Augenblick gilt die Moral der symmetrischen Aufteilung: Ich mache immer das Badezimmer sauber, was machst du eigentlich?
Das klingt nach einem aussichtslosen Kampf gegen die alten Rollen und Muster.
In der Regel verläuft es so: Wenn Kinder in die Beziehung kommen, macht die Frau Teilzeitarbeit, zieht dem Mann hinterher und gibt ihre eigenen Berufsentscheidungen auf. Ich finde das erstaunlich. Wir leben in einer modernen Gesellschaft mit maximaler Aufklärung über diese Dinge. Jede Frau weiß, was auf sie zukommt, wenn sie eine Familie gründet, und trotzdem läuft es in 90 Prozent der Fälle nach dem traditionellen Muster ab.
Als ob eine Art Biologismus dahintersteht.
Es lassen sich wohl kaum genetische Ursachen dafür finden, dass Frauen Waschmaschinen besser bedienen können. In der beruflichen Sphäre haben sich die Geschlechterrollen ja durchaus geändert. Aber ausgerechnet im Privaten, wo man vermeintlich selber entscheiden kann, zeigt sich, dass fast alles beim Alten bleibt.
Es könnte ja sein, dass Frauen sich bewusst für die Rolle der Hausfrau und Mutter entscheiden.
Sicher, so reden sie auch: „Nachdem mein Mann die neue Jeansjacke mit den roten Pullis zusammen in eine Trommel geschmissen hat und alles verfärbt war, habe ich mich entschieden, die Wäsche alleine zu machen.“ Aber im Ernst: Sie benutzen den Code der freiwilligen Entscheidung, um etwas zu rechtfertigen, was eigentlich in der Rolle angelegt ist, die sie wieder übernehmen, zu der sie sich aber nicht mehr bekennen können.
Weil heute das Modell der gleichberechtigten Partnerschaft gilt.
Und weil dadurch der Rückweg in das traditionelle Arrangement versperrt ist, in dem die Hausfrau eine Gegengabe, nämlich Anerkennung, bekam. In unserer Zeit muss eine Frau, die zu viel Engagement in häuslichen Dingen zeigt, damit rechnen, als Putzteufel verdächtigt zu werden.
In gesellschaftlichen Zusammenhängen ist viel von Freiheit und Autonomie die Rede, aber soziale Mitmachzwänge sorgen für Unfreiheit. Es gehört jedenfalls Mut dazu, der Logik des eigenen Herzens zu folgen.
Natürlich kann man sagen: Wer sich auf die Liebe rückhaltlos einlässt, der hat etwas Eigenes und Einzigartiges gewonnen. Nur ist die Frage, wie der moderne Mensch die bedingungslose Hingabe mit allen anderen Lebensbereichen vereinbaren kann.
Von Adorno stammt der Satz: „Nur der liebt, der die Kraft hat, an der Liebe festzuhalten.“ Er erwartete ein Gegengewicht zur ökonomischen Welt.
Aber wir leben nun mal in einer Welt, in der die Ökonomie so dominant ist, dass jemand, der diese Durchökonomisierung nicht mitmacht, als Verlierer dasteht. Wer ausschließlich dem Sog der Liebe folgt, muss in allen anderen Bereichen Verluste hinnehmen. Es gibt einen Bestseller „Wenn Frauen zu sehr lieben“: Damit ist nichts Gutes gemeint, sondern der Verlust der Autonomie.
Ist das Verteidigen der Unabhängigkeit in einer Liebesbeziehung nicht paradox? Es steht doch fest, dass hier zwei Personen füreinander am wichtigsten sind.
Das gehört zu den anstrengenden Spielregeln moderner Beziehungen. Wenn jemand sagt: „Ich möchte heute einen Abend für mich allein oder mit meinen Freunden“, hat er das Recht dazu. Wenn der andere dann aber sagt: „Ich bin darauf angewiesen, dass du zu mir kommst, weil ich dich brauche, mir geht es nicht gut“, gerät er, falls das häufiger vorkommt, in eine Position, die kaum zu rechtfertigen ist. Er zeigt sich als der Schwächere. Autonomie ist ein hohes Gut. Wer sie hat, kann die Spielregeln bestimmen.
Plädieren Sie deshalb für die Partnerschaft, um die Gefahr einseitiger Abhängigkeit zu vermeiden?
Auch deshalb. Aber vor allem, weil nur die Partnerschaft die Isolation der Paare verhindert und sie grundsätzlich mit allen anderen gesellschaftlichen Bereichen verbinden kann.
Nimmt man das Ergebnis der Pairfam-Studie hinzu, der zufolge die entscheidende Bindekraft für das gelingende Leben zu zweit die Freundschaft ist, könnte man zu dem Schluss kommen ...
... die Widersprüche dadurch aufzulösen, dass man sagt: Wir verzichten einfach auf die Liebe zugunsten einer freundschaftlichen Paarbeziehung. Meines Erachtens wäre das keine Lösung. In einer säkularisierten Gesellschaft, die Transzendenz kaum noch kennt, ist die Liebesbeziehung so ein hot spot für die Projektion aller Sehnsüchte nach Verschmelzung, nach ozeanischen Gefühlen, nach Herausbrechen aus dem Alltag.
Das romantische Gefühl wird funktionalisiert, um der Effizienzgesellschaft nicht ausgeliefert zu sein?
Das würde ich so nicht sagen. Die Liebe wird nicht zu Unrecht mit großen Gefühlen aufgeladen. Und die Überschreitung der Normalität ist nicht nur Wunschdenken, sondern tatsächlich erfahrbar. Dass Beziehungen nicht mehr so lange halten, könnte sogar heißen, dass sich die Paare trennen, weil sie sich mit dem Verschwinden der großen Gefühle in der Alltagsroutine nicht abfinden wollen. Das heißt, die Beziehung zerbricht, das Ideal bleibt.
Offenbar bleiben aber auch die inneren Widersprüche, an denen Paare laborieren.
Ich glaube, sie lassen sich nicht auflösen. Man kann sie ausbalancieren, indem man versucht, die Ambivalenz auszuhalten: die Spannung zwischen der Logik der Hingabe und der Logik der Schuldenrechnung. Das ist wohl der einzige Weg, um die Beziehung gut zu gestalten. Er setzt allerdings die berühmte Ich-Stärke voraus.
Angelika Brauer
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