Abschiedstour: Scorpions: Hart am Wind
Sie sind Weltstars, aber in ihrer Heimat belächelt – als Relikte einer Ära, zu der sie als Deutsche nicht gehören konnten. „Ein Trugschluss“, sagen die Scorpions. Heute brechen sie in Leipzig zur Abschiedstour auf. Mit einer Musik, die sich seit 40 Jahren nicht verändert und nur eine Botschaft hat: Rock ’n’ Roll.
Klaus Meine schwankt. Eigentlich kann er es nicht mehr ändern. Aber was soll er davon halten? „Ist das nicht zu sehr Disko?“, fragt der Sänger, legt seinen Kopf leicht schief und verlagert das Gewicht nach links. Dort, links neben ihm, steht Rudolf Schenker, die Hände in einer Wildlederjacke mit Pelzkragen vergraben. Er verlagert sein Gewicht nie. Aber ihn beschäftigt die Frage. Disco, das klingt nach Verrat. Beide blicken auf das Bühnenbild, das sich die Scorpions für den letzten Akt ihrer über 40-jährigen Bühnengeschichte ausgesucht haben. Techniker haben es in der großen, kahlen Halle eines ehemaligen Expo-Pavillons im Süden von Hannover aufgebaut. Und es sieht aus wie ein metallischer Gitterzaun. In die Lamellen sind viele kleine LED-Birnen eingelassen, die sich computergesteuert zu hell flackernden Videobildern zusammensetzen. Sehr modern.
Vielleicht zu modern? Schenker schlägt „mehr Rock’n’Roll-Elemente“ vor. Was er damit meint, wird nicht ganz klar. Aber es geht um eine Art Zauberformel. Sie seien „die letzte Band, die das Rock’n’Roll-Gefühl delivert“, erklärt Meine in seinem eigentümlichen deutsch-amerikanischen Singsang. Und Schlagzeuger James Kottack meint, wenn Außerirdische wissen wollten, was Rock’n’Roll ist, müsse man ihnen nur die Musik der Scorpions vorspielen.
Den meisten Menschen braucht man Rockmusik nicht zu erklären. Jeder weiß, was das heißt, hundert Millionen Platten haben allein die Scorpions verkauft. Das hat sie zur mit Abstand erfolgreichsten deutschen Band gemacht. Morgen brechen sie in Leipzig zu ihrer letzten Welttournee auf, Ende des Monats sind sie in Berlin. Die USA liegen auf der Reiseroute ebenso wie Südamerika, Asien, Japan und Russland – und noch einmal geht es um den Mythos, der in dem Four-Letter-Word Rock mitschwingt. Es geht um laute verzerrte Gitarren, um harte Jungs in Ledermontur und auch darum, endlich einen Irrtum zu korrigieren.
Um ihr Heimatland haben die Scorpions lange einen Bogen gemacht. Denn eine besonders hohe Meinung hat man von ihnen hier nicht. Der „Spiegel“ findet sie „würdelos“ und „abgerockt“. Die „Frankfurter Allgemeine“ verspottet sie als „Rocktrottel“. Immerhin outet sich Ex-Regierungssprecher Bela Anda im „Rolling Stone“ als Fan der „Kanzlerband“ - so genannt wegen ihrer Bekanntschaft mit Gerhard Schröder - und empfiehlt, sie neu zu entdecken. Sie leben im Umland von Hannover, schwerreich und zurückgezogen, aber eben auch belächelt als Relikte einer längst untergegangenen Ära, zu der sie als Deutsche sowieso nie richtig dazugehören konnten, wie viele meinen.
„Ein Trugschluss“, sagt Meine und wirft das Wort „Headliner“ in den Raum. Guns’n Roses, Van Halen, Metallica und Smashing Pumpkins – alle haben sie mal die undankbare Aufgabe übernommen, im Vorprogramm der Scorpions aufzutreten. Jedes Jahr würden sie bis zu 70 Konzerte in 25 Ländern geben, sagt Meine. Er hat die Zahlen parat. Diesmal sind die größten Hallen auch in Deutschland reserviert, etwa 100 000 Besucher werden erwartet. Kommt es schließlich zu der großen Versöhnung des Landes mit den einzigen wirklichen Rockstars, die es hervorgebracht hat? Oder ist die Zeit über Meine, Schenker & Co. hinweggegangen, ohne dass sie es gemerkt haben?
Um das herauszufinden, ist ein Treffen mit der Band in Prag verabredet. Dort preschen fünf schwere, schwarze Mercedes-Limousinen an einem Montag Mitte März durch den Feierabendverkehr. In jeder sitzt ein Scorpion. Und sie verschwinden in der Tiefgarage unter der O2- Arena.
Im Inneren des Rundbaus ist die Zaunlandschaft wieder aufgebaut. Prag ist die Generalprobe. „Wie Außerirdische“, so hat es Meine drei Tage zuvor in Hannover ausgedrückt, wollen die Scorpions zu Beginn der Show unter dem hydraulisch in die Höhe gefahrenen Schlagzeug hervorstürmen, in Kunstnebel gehüllt, in gleißendem Licht, das sie von hinten anstrahlt, als würde sich die Luke eines Raumschiffs öffnen.
Dann ist es soweit. Es zischt und brodelt, das Schlagzeug hebt sich, der Nebel quillt und verschluckt die Musiker. Schließlich stolpern sie vor 18 000 Zuschauern aus der Propylenglycol-Wolke in ihre flimmernde, digitale Zaunlandschaft. Klaus Meine braucht ein bisschen, um sich zu orientieren. Dann greift er das Mikrofon und kreischt: „Save me from myself before I’m going down / My world went kind of crazy spinning round’n’round.“
Man kann das an diesem Abend in Prag als Begründung hören, warum nun bald alles vorbei sein wird. „Sting In the Tail“ heißt der Song. Die Scorpions haben sich immer viel eingebildet auf ihren Sting. Haben gespielt mit der phallischen Konnotation ihres Stachels und oft Plattencover entworfen, die deshalb zensiert worden sind. Dabei trifft eine andere Eigenschaft des Skorpions viel besser auf sie zu – seine Widerstandsfähigkeit. Sie haben Betrug, den Stimmverlust ihres Sängers, Zerwürfnisse, Austritte und Drogenprobleme überstanden, ja, sogar, dass sich ein Eishockeyteam nach ihnen benannte. Aber nun wünscht Meine vor dem eigenen Niedergang bewahrt zu werden. Save me from myself before I’m going down.
Die Rolle des Retters hat ihr Manager übernommen. Dem hatten sie ihr neues Werk vorgespielt. Darauf er: „Wisst ihr was? Das wäre eigentlich das richtige Album.“ Und jeder wusste, wofür es das wäre. Aufzuhören. Besser würden sie es nicht mehr hinkriegen.
Warum es also endlich klappen könnte mit der Versöhnung der Scorpions und ihrer Heimat, weiß Rudolf Schenker ganz genau. In einer Zeit, sagt er, da „Classic Rock“ wieder angesagt sei, „weil Bands, die ihre Instrumente beherrschen, dort automatisch landen“, komme man um sie nicht herum. Er sagt das in seiner gestelzten, knochigen Art, Minuten vor dem Auftritt. Er sitzt in seiner engen Garderobe, die V-förmig geschnittene Gitarre auf dem Schoß, die Finger trippeln in Erwartung des Kommenden über die Saiten. Didelit-didelit. Seine kurzen, blondierten Haare kleben am Kopf wie Eisenspäne, die auf ein Magnetfeld ausgerichtet sind.
Schenker ist das Kraftzentrum der Band. Schon als Junge verehrte er die Pretty Things, weil die noch härter als die Rolling Stones waren. Da er sich einen Gitarrenverstärker nicht leisten konnte, stöpselte er sein Instrument in die elterliche Radiotruhe, was den Sound schäbig verzerrte. Er fand das „geil“. Anlässlich eines Scorpions-Albums, schrieb ein Kritiker mal, dass es ein Versprechen an die Jugend sei, „dass sie es im Zeitalter der Elektrizität besser haben würde“.
Hat sich das Versprechen erfüllt? Was ist so faszinierend an dieser Musik, dass sie sich auch im 21. Jahrhundert nicht ändern muss?
Vielleicht hilft es, um Hard Rock zu verstehen, zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, in das Jahr 1973. „The Song remains the same“, postulierten Led Zeppelin damals. Die vier Briten fanden sich als erste damit ab, dass es in der Rockmusik nichts neues mehr geben würde. Dass sie zu spät gekommen waren. Sie konnten nur lauter, grandioser und wahnsinniger als ihre Vorgänger auftreten und all den optimistischen Blumenkindern demonstrieren, wie verdorben die Welt wirklich war. Black Sabbath feierten in „Paranoid“ den düsteren Wahnsinn. „I tell you to enjoy life“, sang Ozzy Osborne, um sich selbst im nächsten Moment davon auszunehmen: „I wish I could, but it’s too late.“
Während Schwarze, Frauen, Freaks, Gangster, Nichtmusiker, Schwule, Transsexuelle und Computer an Einfluss auf die Popkultur gewannen, blieb Hard Rock die Brutstätte wertkonservativer Macho-Visionen – und wird dafür gehasst wie sonst nichts. US-Kritiker Robert Duncan beschimpfte ihn „als blöde Musik, eigentlich kaum noch Musik, Todesmusik, tote Musik …, gespielt von maulfaulen, zotteligen Schwachsinnigen in Stiefeln und Leder und Chrome, für maulfaule, zottelige, flaumbärtige Schwachsinnige in billigen zu großen T-Shirts mit aufgebügelten Motiven aus Endzeitcomics.“
Es hat nichts genützt. Der Anteil von Rock am Umsatz der Tonträgerindustrie bewegt sich auch in Zeiten der Krise konstant bei etwa 20 Prozent (2009 waren es 18,9 Prozent, davon entfielen 2,5 Prozent auf Heavy Metal). „Es ist Musik, der egal ist, was du denkst“, urteilte der „Rolling Stone“ 1985 und attestierte ihr einen eingebauten Überlebensmechanismus. Moden wie Punk, Disco, Techno oder HipHop seien an ihrer eigenen Cleverness gescheitert. Nur der Hard Rock erweist sich als verlässliches Refugium pubertärer Allmachtsfantasien.
Davon erzählt auch ein Jugendroman wie Hermann Bräuers „Haarweg zur Hölle“. Das Buch macht sich lustig über eine Zeit in den 80ern, die der Autor selbst mal todernst nahm. Als ihm seine Frisur bis zum Hintern reichte und er Bassist der Münchner Heavy-Metal-Formation Ez Livin’ war. „Wir waren exotische Vögel mit prächtigem Gefieder“, schreibt er. Sie schminkten sich und pressten sich in hautenge, elastische Kunstlederhosen.
Heute trägt Bräuer, Jahrgang 1968, seine Haare kurz. Dazu Jeans und einen Sweater mit Kapuze. Er ist ein introvertierter Typ. Leise sitzt Bräuer an einem Tisch im Freien am Marheinekeplatz in Berlin Kreuzberg, raucht und erzählt davon, wie befreiend es gewesen sei, aus sich selbst ein Kunstwesen zu machen. Wobei er kurz stutzt, als ihm eigene Songtitel wie „Fight All Night“, „Bedroom Rodeo“ oder „Too Late For Paradise“ wieder einfallen. „Oh Gott! Das ist ja wirklich alles furchtbar. Man muss nicht lange suchen, um auf peinliche Selbstbilder zu stoßen. Partys, Sex und Autos, von etwas anderem haben wir nicht gesungen.“ Aber, fügt er beinahe entschuldigend hinzu: „Jede Kultur hat ihre eigene Wahrheit, wenn man mitten drin ist.“
Bei Heavy Metal ist die Kluft zwischen Drinnen und Draußen besonders groß. So saß der Schock tief, als es bei Bräuer trotz eines Debütalbums 1991 mit der Karriere als Rockstar doch nicht klappen wollte. Schuld war ein schmächtiger, blonder Junge namens Kurt Cobain, der seine Haare nicht einmal kämmte, Holzfällerhemden sowie zerschlissene Jeans trug und Grunge berühmt machte. „Wir haben die Schuld nicht bei uns gesucht“, sagt Bräuer. „Warum kapieren die nicht, wie geil wir sind?“ Das sei die einzige Frage gewesen, die sich Ez Livin’ stellten. Bräuer schmunzelt kaum sichtbar, als er das sagt.
Auch die Scorpions verstanden lange nicht, warum sie in der Heimat nicht ernst genommen wurden, obwohl sie Weltstars waren. Bereits Mitte der 60er war Rudolf Schenker als angehender Starkstromelektriker mit seiner Band durch Norddeutschland getingelt, die Scorpions waren damals eine Beat-Kapelle, wie sie überall im Eifer der Beatlesmania aus dem Boden schossen. Die Wendung zum Hard Rock erfolgte mit Meines Einstieg. „Klaus hat die Richtung der Band vorgegeben“, erklärt Schenker, denn Meine sei eben kein Bluessänger gewesen.
Songs der Scorpions fangen oft mit einer gezupften akustischen Gitarre an. Manchmal setzt nach der ersten Strophe die Band ein. Aber meist tut sie das nicht. Meines Gesang steht für sich allein, lediglich umspielt von einer einzelnen Gitarre, wie bei einem Liebesakt. Wobei es die Gitarre ist, die „singt und weint“, wie Michael Schenker, das frühere Scorpions-Wunderkind, sagt. Balladen wie „Send Me An Angel“, „Still Loving You“ und nicht zuletzt ihr Überhit „Wind of Change“ folgen diesem Muster und sind der Grund, warum man die Band für die Deutsche Wiedervereinigung oder den Babyboom in Frankreich verantwortlich machte. „Wenn Rockmusiker sich für Balladen entscheiden, dann haben die eben Biss“, erklärt Schenker das Erfolgsrezept.
Das Drehbuch dafür wurde in den 70ern geschrieben. Am erfolgreichsten waren die Scorpions in den 80ern. Dann folgte der Einbruch. „Ende der 90er hatten wir eine orientierungslose Phase, weil wir das Feedback von der Basis nicht mehr gespürt haben“, erzählt Meine und lässt seinen Blick dabei über die noch leeren Ränge der Prager Arena schweifen. Er schlendert mit federnden Knien an den Gitterwänden vorbei, trägt eine schwarze Fantasieuniform mit goldenen Knopfleisten und eine Lederkappe über dem schütteren Haar. Beinahe hätten sie sich schon damals aufgelöst, sagt er.
Wenn Meine von der Tour zurückkehrt, hat er das gesetzliche Rentenalter erreicht. Aber gehen Rockstars in Rente? Schenker hat schon jetzt, mit 61, schwere Rückenprobleme, fuhr kürzlich aber dennoch für Volkswagen bei der Rallye Paris-Dakar mit. Obwohl er sich nie an materielle Dinge klammern wollte, besitzt er 150 Gitarren, die teuerste ist 250 000 Euro wert, und auf dem Sofa seiner Garderobe liegt eine Lederjacke, deren Edelstein-Applikationen sogar im schummrigen Licht funkeln. Dafür, wie Rockstars aussehen müssen, wie sie sich zu benehmen haben, gibt es keine Regeln. Außer der einen: Mach dich nicht kleiner, als du bist.
Dieses Motto hat Schenker auch für den Lebensratgeber befolgt, den er geschrieben hat. „Rock Your Life“ heißt er. Darin ist viel vom „Spaß“ die Rede, den man sich im Leben bewahren müsse. Den hatten die Scorpions zuletzt immer mehr gegen aufwendige Studiotechnik eingetauscht. Auch jetzt wuseln Dutzende Techniker mit Klebebandrollen und Sprechfunkgeräten am Gürtel um sie herum. Wobei gleichzeitig alles, was in Prag auf der Bühne steht, in einer zweiten Ausführung nach Moskau unterwegs ist. Das hat sich ebenso bewährt, wie jedem Musiker seine eigene Garderobe zu geben. Nach dem Konzert, während das Publikum johlt und nach Mehr verlangt, werden Meine, die beiden Gitarristen Schenker und Matthias Jabs sowie Pawel Maciwoda am Bass und Drummer James Kottack jeder für sich in eine wartende Limousine springen. Sie wird davon brausen, aus der Tiefgarage.
Den "Spaß" entdeckten sie erst wieder, als Meine, ganz wie früher, als er nur der Bursche mit Hauptschulabschluss war, mit nichts als einer Idee im Kopf zu seinem Kumpel Rudolf fuhr. Der griff sich die Gitarre, und mittags hatten sie den Song eingespielt. „Rock Zone“, „Spirit of Rock“ oder „Raised On Rock“ ziehen die Quintessenz daraus.
„Rockmusik hat uns immer durch unser Leben getragen“, erzählt Meine, „sie war unser Lebenselixier, Soundtrack.“ Trotzdem habe er sich gefragt, ob sie den Begriff nicht vielleicht ein bisschen weniger oft verwenden sollten auf dem neuen Album. „Aber Klaus“, fährt Schenker auf seinem Weg zum Buffet dazwischen. „Klaus, das ist doch genau das, worum es geht! Wir haben zurückgefunden zu dem, was uns immer am wichtigsten war.“ Schenker redet jetzt wie er Gitarre spielt – schnell und impulsiv: „Wir können uns zum Rock gar nicht genug bekennen! Viele Jahre über durfte man das Wort ja nicht mal aussprechen.“
Man ahnt in seiner Nähe, worauf Michael Schenker, Rudolfs jüngerer Bruder, hinaus will, wenn er von sich und dem anderen sagt, „er ist eine Ratte, ich bin ein Pferd“. Gemeint ist das chinesische Horoskop. Ratten heben Dinge auf, setzen sich für Artgenossen ein. Pferde galoppieren davon.
Rudolf hatte dem sechs Jahre Jüngeren erst seine Gitarre überlassen und dann immer wieder Bands „besorgt“. Mit 15 stieg er dann bei den Scorpions ein und sorgte als einer der besten deutschen Rockgitarristen überhaupt für die internationale Aufmerksamkeit. Sein Lebensweg zeigt, dass einen der „Spaß“ auch ruinieren kann.
Er habe gar nicht auf die Bühne gewollt, erzählt Michael Schenker am Telefon. Dafür sei er zu schüchtern und labil gewesen. „Die Scorpions wurden als Tour-Maschine für mich gefährlich.“ Als Jüngster lief er den anderen hinterher, bis er „die Schnauze voll davon“ hatte. Schließlich wechselte er 1973 zur britischen Band UFO, mit der er weltberühmt wurde, aber auch zunehmend Alkoholprobleme bekam. „Um auf die Bühne zu gehen, musste ich trinken“, gesteht der Michael Schenker heute. Sich abzukapseln wurde auch künstlerisch sein Programm. Mit 17 habe er begriffen, dass er sich von anderen Gitarristen fernhalten müsse, schon aus Selbstschutz. Seither habe er nie wieder einen fremden Song nachgespielt. Rockmusik, das lehrt einen Michael Schenker, geht aus der Abkapselung hervor.
Hannes Braun hat noch immer die Worte von Rudolf Schenker im Ohr. „Üben, üben, üben“, hatte der geraten, als die Scorpions in Süddeutschland bei der Eröffnung eines Elektro-Großhandels auftraten und Hannes’ Band vor den Superstars spielte. „Ich habe ein Zeichen vom Rock’n’Roll-Gott empfangen“, sang Hannes und empfahl in „My Religion“, alle anderen Kirchen zu schließen. Heute gelten Hannes und seine vier Mitstreiter von der Schwäbischen Alb als viel versprechende Newcomer. Soeben ist ihr zweites Album erschienen. Und in der Woche, da die Scorpions mit „Sting in the Tail“ auf dem 2. Chartplatz standen, schaffte es Kissin’ Dynamites „Addicted to Metal“ auf den 51. Rang.
Wie kommt ein kaum 20-Jähriger dazu, Heavy Metal für eine Religion zu halten?
Am Telefon erzählt der Sänger, dass er Scorpions, AC/DC und Accept hört, seit er fünf ist. Schon seine Eltern mochten nichts anderes. Es war der Sound, der ihn umgab. Und so weiß er bereits vor seiner Einschulung, dass es nur eine Sache gibt in seinem Leben, von der er auch nicht wieder abgebracht werden kann. Mit neun steht Hannes erstmals auf der Bühne. Mit seinen langen Haaren, dem Haarband, seinen Halsketten, schulterlosen T-Shirts und Nietengürteln polarisiert der Einser-Schüler aus Reutlingen. Aber darauf kommt es ihm an. „Es ist eine Sucht, mit dieser Musik zu leben“, sagt er und erklärt: „Das darf nicht aufhören.“
Dasselbe sagen die Bilder, die in der ausverkauften Slavia-Prag-Arena über die digitalen Leinwände flimmern. Die Scorpions haben alte Super-8-Aufnahmen ausgegraben. Während „Pictured Life“ ertönt, sieht man die Musiker auf verwackelten Aufnahmen bei einer Schneeballschlacht in Japan oder in hautengen, bunten Lederanzügen im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Oft sieht man sie über weite, leere Parkplätze und umgenutzte Rennstrecken schreiten. Wie Helden auf dem Weg zu einem Raumschiff, zu einem Abenteuer.
Das Publikum schaut fasziniert auf das Spektakel. Es sieht Rudolf Schenker wilde Armschwünge vollführen und wie angestochen über die fünfzig Meter breite Bühne sprinten. Es sieht, wie Leadgitarrist Matthias Jabs sich elastisch biegt und Klaus Meine das Kinn nach Vorne schiebt. Im Graben vor der Bühne warten Sanitäter für den Fall, dass jemand einen Schwächeanfall erleidet oder sich verletzt.
„Wir waren immer eine harte Band“, sagt Meine. „Wir gehen raus und singen ,Bad Boys Running Wild’. Da wollen wir nicht eines Tages von der Bühne fallen.“ In Prag bekommen die Sanitäter nichts zu tun.
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