Die Godfathers im Bang Bang Club: Rüpeliger Rhythm & Blues
In den Achtzigerjahren schleuderten sie dem Synthie-Pop die leidenschaftliche Energie des R&B entgegen. Jetzt feierten The Godfathers Comeback in Berlin.
Um halb elf, endlich, kreuzen The Godfathers in der netten Höhle vom Bang Bang Club auf, machen die Verstärker scharf und ballern rüpeligen Rhythm & Blues in die Menge: "I Want Everything". Wogen und Wabern vor der Bühne dehnt sich aus wie eine Welle im gedrängten Raum, bis der ganze Bang Bang Club rhythmisch mit den Köpfen bängt. Fast genau elf Jahre auf den Tag mussten die Berliner Fans warten auf die Rückkehr der Band aus London, die Mitte der 80er-Jahre begonnen hatte, gemeinsam mit Doctor Feelgood, The Inmates, Graham Parker & The Rumour, Eddie & The Hot Rods und anderen, dem langweiligen Synthie-Pop von damals, die leidenschaftliche Energie eines groben R&B entgegenzuschleudern.
Hatten die Godfathers bei ihrem letzten Berlin-Auftritt 1998 im Roten Salon noch ausgesehen wie ein paar loddelige Kellner aus einem dubiosen Etablissement, die nebenbei noch ein bisschen gefährliche Musik machen, sind sie deutlich älter geworden inzwischen. Halbseiden wirken sie immer noch in ihren scharfen Anzügen, nur dass Sänger Peter Coyne inzwischen eher daherkommt wie ein veritabler Westend-Gangsterboss aus einem Schwarzweißfilm der 60er-Jahre. "It's been a fucking long time since we've been in Germany" raunzt der kleine Typ in großmäuligem Cockney-Akzent und schießt gefährliche Blicke in die tobende Menge. Soll bloß keiner wagen, ihm zu nah zu kommen. Mehr Shouter als Sänger packt er das Mikro mit beiden Händen, spannt die Armmuskeln an, als wäre er beim Krafttraining, dehnt die Stimmbänder, hechelt, verzerrt das Gesicht zur Fratze mit gebleckten Nagerzähnen und schnaubt: "She gives me love".
Wie Bodyguards, mit denen nicht zu spaßen ist, umstehen ihn die restlichen Bandmitglieder. Sein Bruder Chris Coyne knattert drahtige Achtel aus einem abgeschrammten Fender Jazzbass. Ein kleiner, blondierter Stachelhaariger prügelt alles aus seinem Schlagzeug heraus, was geht. Und der schwergewichtige Del Bartle, der Mühe hat mit dem Laufen, spielt mühelose Läufe, knallharte und knochentrockene Riffs auf einer Gibson Les Paul. Oder er wurstelt mit dicken Fingern fette Soli auf einer Stratocaster, die er mit dem Vibratohebel zum Tremolieren und Jaulen bringt. Zwar sind die ursprünglich mit zwei Gitarristen ausgerüsteten Godfathers inzwischen auf einen beschränkt. Doch der macht seine Sache außerordentlich gut: messerscharfe Licks, Rock 'n' Roll, R&B vom Themse-Delta, Boogie à la Slim Harpo. Und eine eindrucksvolle Slide-Gitarre, zu der Bartle allerdings kein Slide, sondern nur die Finger braucht.
Schon in den frühen 80ern hatte er gemeinsame Sache gemacht mit den Coyne-Brüdern bei den Godfathers-Vorläufern The Sid Presley Experience. Aus dieser Zeit stammt auch das herausragende Instrumental "Public Enemy No.1", in dem Bartle eindrucksvoll zeigt, was er drauf hat als exquisiter Soloist. In guter britischer Sixties-R&B-Tradition schüttelt der Frontmann Coyne abwechselnd Tamburin oder Maracas und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Zwischendurch auch mal mit einem Wink zur Bar: dass es doch bald Weihnachten sei, und sie daher nicht "nein" sagen würden zu "four fucking Jagahmaztahs!" Mit denen hinter der Binde werden die Godfathers noch einen Zacken energischer. "How Does It Feel". Rasanter Rockabilly zum "Walking Talking Johnny Cash Blues". Und bei der Zugabe, der bekanntesten Nummer der Godfathers, stechen die verzückt tanzenden Fans stakkatohaft die Zeigefinger in die Luft und skandieren dazu die simple Lebensauffassung: "Birth, School, Work, Death". Die Godfathers sind immer noch eine mitreißende Band, doch zwischen all dem Bierernst böser Blicke, würde ihnen ein bisschen mehr Humor, Selbstironie und augenzwinkernder Charme nicht schaden.
H.P. Daniels