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Rainald Grebe (Jahrgang 1971) Schauspieler, Liedersänger und Comedian aus Köln, gründete 2005 die "Kapelle der Versöhnung". Am 4. und 5. Juli tritt er im Tipi in Berlin auf.
© Doris Spiekermann-Klaas

Interview: Rainald Grebe: "Es ging nicht um Horst Köhler"

Rainald Grebe, Sänger und Autor des Liedes "Ich bin der Präsident", spricht im Interview mit Tagesspiegel.de über die Schwierigkeiten des ersten Staatsmannes.

Sie treten unter anderem mit dem Song "Ich bin der Präsident" auf. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich selber vorzuschlagen?

Nein. Eine Grußfunktion und die Politik generell ist überhaupt nichts für mich.

Haben Sie auf Ihrer jetzigen Tour den Song im Programm?

Aber natürlich.

Wie kommt das Lied an?

Gigantisch natürlich. Das fetzt gerade rein, das ist das erste Mal so. Wir tun immer so, als würden wir ein Wunschkonzert machen, dann ruft ein Zuschauer das Lied rein, dann spielen wir das natürlich nicht. Am Ende trete ich dann noch einmal auf und spiele das Lied. Dann habe ich noch den Präsidenten von Sansibar dabei, aber den echten. Der bewirbt sich dann um das Amt. Ich war gerade im Urlaub in Tansania. Dort gibt es noch Plattenbauten, in den Offices und den Banken hängt immer ein Plakat des Präsidenten, das habe ich mir besorgt und jetzt nehme ich ihn immer schön in einem Rahmen mit.

Als eventueller Neuvorschlag?

Ja, ja. Die Zuschauer glauben natürlich erst einmal nicht, dass er das wirklich ist. Das kann ja jeder sein.

Werden Sie das Lied eventuell umschreiben?

Nein, der Song geht ja nicht über Horst Köhler, sondern über das Amt. Das ist sozusagen ein Rundumschlag. Da tauchen fast alle Präsidenten auf, die Deutschland hatte. Das Lied könnte auch über den Präsidenten einer Bananenrepublik sein. Im Groben geht es um diesen Fluch, unter dem Herr Köhler ja auch gelitten hat, dass er nichts entscheiden und bewegen kann. Obwohl dies auch nicht immer stimmt, da der Präsident teilweise wirklich etwas zu entscheiden hat. Doch dass er Bänder durchschneidet und Bankette eröffnet, ist tragisch.

In Ihrem Lied singen Sie, dass sich der Präsident mit Hartz-IV-Empfängern identifizieren kann, weil er sich genauso überflüssig fühle.

Man hat eine überflüssige Funktion, man ist zwar die Nummer Eins, aber man hat nichts zu sagen, das ist ja das Schlimme.

Finden Sie es denn trotzdem wichtig, einen Bundespräsidenten zu haben?

Es hat schon seine Gründe, warum es einen Präsidenten gibt, ich finde das wichtig. Obwohl ich mich jetzt revidieren muss. Ich glaube, wenn der jetzt weg ist, merkt das auch keiner. Ich finde es sehr sympathisch, dass jetzt der Bürgermeister von Bremen der Präsident ist, der könnte es doch auch bleiben. Das fände ich gut, das hätte etwas sehr Bodenständiges.

Was würden Sie sich von einem neuen Präsidenten wünschen?

Was würde ich mir wünschen? Ich war letztes Jahr wegen dieses Liedes bei Frau Schwan, bei Frau Gesine, eingeladen. Da ging es immer darum, ob sie eine bessere Präsidentin sei. Ich glaube schon. Dieses Amt kann man ja auch mit Charme, mit wirklichen Denkanstößen und Debatten ausfüllen und nicht nur mit Luftblasen. Obwohl ich auch meine Probleme damit habe, es allen irgendwie recht zu machen und niemals anzuecken. Ich denke und handle ganz anders. Mit dieser Versöhnungsfunktion tu ich mich schwer. Ich weiß nicht, wie das geht oder wie das dann letzten Endes aussieht, deshalb nimmt man den Präsidenten dann wahrscheinlich auch gar nicht mehr so richtig wahr, weil er nichts entscheiden muss, sondern immer nur mahnen kann.

Ganz zum Schluss singen Sie "Ich bin extrem erschöpft". Sollte das Amt des Bundespräsidenten auf ein paar Wochen begrenzt sein, weil es so anstrengend ist?

Nein. Ich habe mir mal die Agenda von Herrn Köhler angeschaut. Da stand drin, dass er einen Regionaltermin in einer neuen Saftfabrik in Mecklenburg hatte, dort fliegt er dann mit dem Helikopter hin, informiert sich schön, schüttelt Hände und fliegt wieder weiter. Ich glaube, im Gegensatz zu Frau Merkel oder anderen Leuten hat er nicht so viel zu tun. Gut, er ist jetzt zurückgetreten, aber ich denke, wenn ich richtig informiert bin, dass er diesen Druck, den Entscheidungsträger haben, nicht hat - höchstens wenn er eine Terroristin nicht begnadigt. Diese Wendung im Song soll zeigen, dass er sich so fernab jeglicher Realität aufhält, in irgendwelchen Schlössern und mit anderen Präsidenten zusammen ist, Bänder durchschneidet und gleichzeitig für das Volk da sein muss. Das ist ein Umarmen der Menge, zu sagen "Ich tu doch so viel für euch". Eigentlich ist der Präsident in meinem Lied total verzweifelt, weil er gerne etwas machen würde und es ihn stört, dass er in so einer Watte-Welt lebt. Er würde gerne etwas machen, kommt aber aufgrund des Amts nicht dazu.

Gab es politische Reaktionen auf den Song?

Die SPD wollte das Lied für sich einnehmen, das war mir nicht recht. Die SPD wollte dann, dass ich das Lied singe, aber dem habe ich mich verweigert. Die dachten, ich könnte das Lied dann für Gesine Schwan singen, aber dann wurde das Lied missverstanden, es ging ja nicht um Horst Köhler, sondern um das Amt.

Welches Amt oder welchen Politiker würden Sie gerne als nächstes besingen?

Ich merke, wenn Personen wie Westerwelle oder Merkel in aller Munde sind, langweilt mich das schnell, das machen dann so viele. Ich weiß noch nicht, was als nächstes kommt. Vielleicht mache ich als nächstes etwas über Diktatoren und deren Posen, mal etwas Undemokratisches. Es würde mich interessieren, in die Psyche von Gaddafi reinzugehen, wie er die Schweiz verbieten möchte oder etwas in der Art.

Das Gespräch führte Katharina Kühn.

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