Beck: Maus im Drogenlabor
Dauerinnovator Beck wird mit seinem Album "Modern Guilt" psychedelisch. Es lässt nicht zuletzt wegen der Wahl seines Produzenten aufhorchen.
Falls es diese Szene wirklich gegeben hat, wäre man gern Mäuschen gewesen. Vor einigen Jahren soll Beck versucht haben, seinen jüdischen Kollegen Adam Green zur Scientology-Mitgliedschaft zu bewegen. Behauptet letzterer. Wie soll man sich das vorstellen? Beck Hansen, der mit seiner Slacker-Hymne „Loser“ zur Identifikationsfigur einer Schluffi-Jugendkultur wurde, versucht das wandelnde Phlegma Adam Green für die Persönlichkeitsoptimierung zu begeistern? Klingt ziemlich abwegig.
So sorgte Beck, der seit seiner Geburt Mitglied der Psycho-Sekte ist, mit seinem Bekenntnis zur Lehre L. Ron Hubbards für negative Schlagzeilen. Und die erwischten den Künstler in einer ohnehin kritischen Phase, als sich seine Karriere im Sinkflug befand. Seine mediokren letzten Alben „Guero“ (2005) und „The Information“ (2006) wirkten wie Versuche, an das geniale Stilgemisch seiner großen Erfolge, des Debüts „Mellow Gold“ (1994) und des noch besseren Nachfolgers „Odelay“ (1996), anzuknüpfen. Dies musste nicht nur scheitern, weil sich die Musikwelt in den Jahren dazwischen gewaltig gewandelt hatte. Vor allem aber passte ein nostalgischer Blick aufs eigene Werk nicht zu Dauerinnovator Beck.
Am 4. Juli erscheint nun Becks achtes Album „Modern Guilt“ (XL Recordings), das vor allem wegen der Wahl seines Produzenten aufhorchen lässt: Brian Burton, bekannt unter dem Künstlernamen Danger Mouse. Der muss zwar derzeit noch den kommerziellen Flop der zweiten Platte seines psychedelischen Soul- Duos Gnarls Barkley verdauen. Aber Arbeit ist die beste Therapie: In rascher Folge erschienen zuletzt die unter seiner Ägide eingespielten Platten der epischen Garagenrocker The Black Keys und der britischen Sixties-Adepten The Shortwave Set. Für beide Bands waren die Alben qualitative Quantensprünge.
Die Zusammenarbeit mit Beck ruft zunächst Skepsis hervor, schließlich gilt der 37-jährige Sänger, Komponist und Multiinstrumentalist selbst als Koryphäe im Fachgebiet des sieben Jahre jüngeren Kollegen Danger Mouse: der leidenschaftlichen Suche nach abseitigen Sounds. Tatsächlich aber wirken sich Burtons Mischpultkünste überaus belebend auf das Beck’sche Schaffen aus.
Waren etliche Songs der letzten Platten zwar in der Substanz gut, aber auf uninspirierende Weise breitflächig und allzu transparent produziert, umgibt Danger Mouse Becks verhuschte Melodielinien mit einem irisierenden Gespinst seltsamer Klänge. Schon der Opener „Orphans“ ist pure Alchemie. Um eine durch Dub-Echokammern gepresste, stoisch pochende Bassnote gruppieren sich feinste instrumentale Splitter zu einer oszillierenden Klangmembran. Dazu singt Beck, im Refrain unterstützt von der großartigen Cat Power, mit gewohnt teilnahmsloser Stimme verklausulierte Zeilen wie „Catch out these Creatures of woe / shatter themselves“. Das ist feinste Westcoast-Psychedelia, die an die späten Sechziger erinnert, als in Kalifornien Gruppen wie die West Coast Pop Art Experimental Band, Strawberry Alarm Clock oder Iron Butterfly auf der Suche nach akustischen Äquivalenten zum LSD-Trip in Klangabgründe taumelten.
Auch das sexy leiernde „Chemtrails“, der verhinderte Walzer „Walls“, das mit einem rumpelnden Velvet-Underground-Beat versehene „Profanity Prayers“ und das Titelstück knüpfen an die große Tradition Drogen verherrlichender Freak-out-Musik an, ohne jemals wie bloße Kopien zu klingen. Dieses Verdienst liegt sicher bei Danger Mouse, dem es auch bei Gnarls Barkley gelang, ein vordergründig aus zusammengeklaubten Soundbruchstücken zusammengesetztes Stilkompendium durch minimale Verfremdungseffekte zum eigenständigen Kunstwerk zu veredeln. Sein wichtigstes Gestaltungsmittel ist dabei eine einzigartige Technik der Klangkomprimierung: Niemand kriegt bessere Keksdosenbeats hin als Danger Mouse. Und die opulentesten Streicherarrangements wirken wie auf Bonsaiformat geschrumpft, wenn sie durch sein Mischpult gewandert sind.
Der Vinylausgabe von Gnarls Barkleys „The Odd Couple“ liegt eine Bonusplatte bei, auf der das komplette Album nochmals rückwärts aufgenommen ist. Im Grunde wäre „Modern Guilt“ die sinnvollere Bonusplatte: ein prismatisch gebrochener Bastard-Zwilling mit einem gut aufgelegten Sänger, der die Emphase des Gnarls-Barkley-Shouters Cee-Lo durch Gleichmut konterkariert. Im Gesamtwerk von Beck mag „Modern Guilt“ nicht herausragen. Das nur gut halbstündige Album wirkt stellenweise eher skizzenhaft. Aber auch darin liegt ein Reiz. Beck ist immer noch hungrig, er hat noch keine Lust, es sich auf dem Status des ewigen Wunderknaben bequem zu machen. Mit Hilfe des jüngeren Kollegen ist es ihm gelungen, sich noch einmal neu zu erfinden. Das ist mehr, als man zu hoffen wagte.
Am Freitag um 20 Uhr tritt Beck bei seinem einzigen Deutschland-Konzert in der Berliner Columbiahalle auf.
Jörg W, er
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