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Rocha
© AFP

Metal-Rap: Kugel im Kopf, Faust in der Tasche

Comeback der Krawallmacher: Rage Against The Machine wirbeln in der Zitadelle Spandau gehörig Staub auf.

Wenn die Dinge sprichwörtlich werden, sind sie Pop. Staub aufzuwirbeln gehört dazu. Alarm zu machen auch, jedenfalls als eine der härtesten Metal-Rap-Bands der Welt. So schallen nervtötende Sirenen durch den Innenhof der Spandauer Zitadelle, als Rage Against The Machine die Bühne betreten. Im Hintergrund wächst zum Jaulen des Alarmsignals majestätisch ein roter Stern aus der Kulisse.

Sie ist wieder da. Die Band um Sänger Zack de la Rocha, die mit revolutionärem Pathos den Soundtrack für künftige Bürgerkriege zu machen schien und sich vor acht Jahren aufgelöst hatte. Und zu den ersten eisenbeschlagenen Riffs von Gitarrist Tom Morello erhebt sich denn auch eine wirbelnde Staubwolke über der tobenden Menge. Dichte Partikelschwaden werden von stampfenden Füßen emporgeschleudert. „Now testify!“, schreit de la Rocha. Die Szene versinkt wie in einem Sandsturm. Auch das ein Zeichen. Die Ahnung von Chaos und Aufruhr.

Darum geht es. Rage Against The Machine, das Quartett aus Los Angeles, wollte immer mehr als nur eine engagierte, wuchtige Rockband sein. De la Rochas Songtexte sind giftige politische Anklagen, die sich mit der Lage in Chiapas, im Irak und in den Elendsvierteln der USA beschäftigen und ihre poetische Kraft dem gleichen Fieberwahn verdanken, der Eliots „Waste Land“ und Ginsbergs „Howl“-Gedicht befeuerte.

Die gellenden Wortkaskaden eines Rappers trafen auf schwere metallische Rockakkorde und die pumpenden Beats des Funk. Auf dem Cover ihres Debüts von 1992 war das Foto eines sich selbst verbrennenden vietnamesischen Mönchs zu sehen. Die Band, zu der noch Bassist Tim Commerford und Drummer Brad Wilk zählten, setzte sich für den in der Todeszelle sitzenden schwarzen Journalisten Mumia Abu-Jamal ein, dessen Todesurteil im Frühjahr aufgehoben wurde. Sie erlaubte sich, nackt und mit zugeklebten Mündern vor ihr Publikum zu treten, während 20 Minuten lang fiepende Feedback-Schleifen erklangen. Ihre Entschlossenheit hatte stets etwas Grimmiges, das sich bei allem Showtalent nicht mit der knuffigen Oberflächlichkeit des Pop vertrug. Und doch: Als die Band 2000 nach sieben Millionen verkauften Alben zerbrach, begründete de la Rocha das mit der Unfähigkeit, „als Kollektiv“ zusammenzuarbeiten. Die Gruppe hatte ihr „künstlerisches und politisches Ideal untergraben“.

Dass die drei anderen sich einen neuen Sänger suchten – immerhin Chris Cornell von Soundgarden – und unter dem Namen Audioslave weitermachten, war nur ein schwacher Trost. Ein Comeback der Urbesetzung, wiewohl es niemand beschwören mochte, lag dennoch immer in der Luft. Im vergangenen Sommer war es dann so weit. Ein erster Auftritt, eine US-Tour. Nun beehren sie europäische Festivals mit einem Programm, das bis auf eine Ausnahme keinen neuen Song enthält und auch Hits wie „Bullet In The Head“, „Take The Power Back“, „Wake Up“ und „Bombtrack“ mehr oder weniger unverändert präsentiert. Wobei die Band sich immer wieder vom schroffen Riff-Gewummer löst und „sprechende“ Soundcollagen entstehen lässt. Morello, Harvard-Absolvent, selbst ernannter Sozialist und Sohn einer Bürgerrechtler-Familie, ist hier in seinem Element. Seine Soli klingen wie Morsezeichen. Letzte Botschaften einer elektronisch vernetzten Welt, die sich nur noch in stotternden Codes verständlich zu machen weiß.

Interessant an Rage war stets, wie sie mit ihrer Doppelrolle als Idealisten und als Selbstvermarkter klarkommen würden. Denn die Werbung für eine Idee unterscheidet sich ja kaum mehr von der für ein Produkt. Das Comeback lässt da Schlimmstes befürchten. Doch in der Reduktion aufs Signalhafte wird erahnbar, was die Musiker über die politische Selbstermächtigung hinaus für ihren erneuten Zusammenschluss begeistert. Die Band ist ein Kunstwerk. Indem sie die symbolische Ordnung des Pop überhöht, versucht sie die Grenze anzukratzen, jenseits derer die Wirklichkeit ganz andere Wahrheiten bereithält. Einmal übt sich de la Rocha, der seine Rastalocken gegen Wuschelkopf und Che-Bart eingetauscht hat, in den Posen eines freundlichen Politikers – nur um diese Fassade in einem Taumel hässlicher Grunzlaute untergehen zu lassen. Auch eine Verwünschung des US-Präsidenten geht von der Agit-Bühne auf das Publikum nieder. Dabei haben diese Jungs die Bush-Ära verschlafen.

Können Rage Against The Machine überhaupt wieder so wichtig werden wie Mitte der neunziger Jahre, als sie mit nur drei beängstigend aggressiven Studioalben zur einflussreichsten Crossover-Formation aufstiegen? Nicht, dass die Geschehnisse seither weniger beängstigend geworden wären. Die „Geister des Fortschritts“, die de la Rocha in „Ashes In The Fall“ beschwört, schließen noch immer Schulen, um gleichzeitig die Aufnahmekapazitäten der Gefängnisse auszubauen. „This is the new sound/Just like the old sound“, skandiert der Sänger seine Parole – und entkommt nicht dem Teufelskreis, der linke Ideen so verflucht alt aussehen lässt.

Aber manchmal kommt ihnen der Zufall zu Hilfe, und sei es nur in Form eines Veranstaltertricks: Da der Boden mit Rindenmulch bestreut ist, entstehen Dunst und Durst. So ist das tosende Publikum in jene Staubfahne gehüllt, die das wahrhaft glorreiche Banner der Revolte ist.

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