Konzertkritik: Jimi Tenor: Afrika liegt weiter südlich
Mit seiner Band Kabu Kabu erkundet der Finne Jimi Tenor die Polyrhythmik des schwarzen Kontinents.
Der Finne Jimi Tenor war Mitte der Neunziger so etwas wie der Prince des hohen Nordens: ein nervöses Multitalent, das aus seiner kreativen Unrast minimalistische Electropop-Smasher wie „Take me Baby“ zu formen wusste. Zum Verdruss seiner Plattenfirma, die auf weitere Hits für die Indie-Disco gehofft hatte, entdeckte der spillerige Blondschopf seine Vorliebe für Fusion-Jazz, P-Funk und Hippie-Gedaddel, was er zu einem schwer verkäuflichen Insider-Gebräu verrührte. Seit ein paar Jahren hat er sich afrikanischen Klängen verschrieben und mit seiner Begleitband Kabu Kabu bereits vier Platten veröffentlicht. Anscheinend weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, worauf das nur schütter gefüllte Lido hindeutet.
Schade, denn Tenors bizarrer Auftritt hätte ein größeres Publikum verdient gehabt. Mit der obligatorischen Riesenbrille und einem bodenlangen Glitzerumhang nähert er sich optisch einer Synthese aus Helge Schneider und dem durchgeknallten Bandleader Sun Ra an, dessen spirituelle Afro-Jazz-Ausflüge ihn auch musikalisch beeinflusst haben dürften. Im Klangdickicht seiner sechs Begleiter bleibt er für die schrägen Sachen zuständig, überbläst quietschige Saxofon- und Querflöten-Soli, wälzt sich am Boden und misshandelt sein Umhänge-Keyboard oder improvisiert Lautmalerisches mit körperloser Fistelstimme. Angetrieben durch das von dem virtuosen Drummer Ekow Alabi Savage und dem Percussionisten Akinola Famson angefachte polyrhythmische Sperrfeuer entwickeln die nicht selten die Zehnminutengrenze überschreitenden Stücke einen hypnotischen Sog, der bis zum Finale mit dem friedlich leiernden „Beyond the Stars“ fast zwei Stunden anhält.
Doch das ewige Mäandern hat auch seinen Preis: Es fehlt die Eingängigkeit westlicher Popmusik, was besonders bei dem einen Hit deutlich wird, den Tenor seinen Fans dann doch gönnt. „Sugardaddy“, ein meisterhaft groovender Synthie-Kracher aus dem Jahr 1997, brennt sich mit repetitivem Refrain sofort ins Hirn und gewinnt durch die Afrofizierung an schillernder Komplexität. Mit dieser Band im Rücken sollte sich Jimi Tenor öfter trauen, die Schätze seiner bewegten Vergangenheit zu heben.
Jörg W, er