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Tiefland
© dpa

Deutsche Oper: Im Tal der Biester

Viele Wölfe, kein Biss: Roland Schwab abstrahiert Eugen d’ Alberts „Tiefland“ an der Deutschen Oper.

Eigentlich ist es eine Kostümoper. Bei der Premiere von Eugen d’Alberts „Tiefland“ an der Deutschen Oper gibt es zwar keine Rüschen und Rosen, keine gepuderten Perücken. Aber durchdacht sind die Kostüme von Renée Listerdahl schon, so sorgfältig, dass sie einen großen Teil der Deutung tragen. Der Eskimo-Parka des Einsiedlers Pedro (Torsten Kerl), der wie ein Serapion in den Höhen der Berge lebt und sich nach einer Frau sehnt. Oder die Gutsherrenstiefel des Sebastiano (Egils Silins), der dem Pedro seine eigene Geliebte andrehen will, damit er selbst sich mit einer reichen Braut verheiraten kann.

Dann der lavendelfarbene Fetzen von Abendkleid, in dem Nadja Michael als Marta steckt, die von einem zum anderen Mann wechseln soll, das rapunzelhafte Strickkleid des Wildwesens Nuri (Jacquelyn Wagner) und die aufgepolsterten Hüften der Biester Pepa, Antonia und Rosalia, Antifrauen, aus nichts als Klatsch und Bosheit gemacht. Und erst die Wolfskostüme des Chores (Leitung: William Spaulding): mit Masken, die die Augen schwarzgrau decken, in langsamen Bewegungen, lauernden Stellungen.

Überhaupt wird das Wölfische hier zum Prinzip erhoben. Als handlungstreibendes Moment ist das zwar schon im Libretto angelegt, das Rudolf Lothar nach einem katalanischen Schauspiel anfertigte und das noch immer ungewohnt lebensnah wirkt: „Ist ja ganz schön“, sagt Sebastiano zum Beispiel zu Pedro, aber ob er nicht doch eine Frau für sich wolle? „Ein andrer wäre dir wohl lieber?“, wird Marta gefragt. Später erzählt Pedro der ihm frisch Angetrauten, wie er einst einen Wolf niederrang, und beeindruckt überlegt sie, ob sie Pedro nicht doch lieber haben könnte als Sebastiano.

Doch Regisseur Roland Schwab führt das Wolfsspiel weit über die Erzählung hinaus. Er lässt echte Hunde auf der Bühne beißen. Er weckt Erinnerungen an Freuds „Wolfsmann“ und dessen Fantasie, dass vor dem Fenster Wölfe sitzen, die ihn anstarren – spätestens mit jener Handvoll Wolfsmenschen, die dem Gespräch zwischen Pedro und Marta beiwohnen. Allerdings umschifft Schwab Freuds Traumdeutung; für ihn sind die Wölfe tiergewordenes Unbewusstes, immer dann sich regend, wenn es zur Sache gehen soll. Und so liegen auf der Bühne tote Wölfe, als Pedro und Sebastiano am Ende miteinander gerungen haben und der Grundehrliche den Verräter, der Arme den Reichen ermordet hat und Pedro Marta „hinauf zu Licht und Freiheit“ führen kann, „fort aus dem Tiefland“.

Wunderlich, wie diese Inszenierung den Kampf der beiden Männer um Marta darstellt. Dass es absurd sein könnte, bis aufs Messer um eine Frau zu streiten, schimmert nicht durch, trotz des wohlgeformt neuzeitlichen Blicks nicht nur auf das Wölfische im Menschen, sondern auch auf die Facetten des sogenannten Weiblichen. Immerhin bleibt man mit dieser ungebrochenen Wiedergabe der Logik der Geschichte treu. Und auch Hans Dieter Schaals Bühne, bald leer bis auf eine stilisierte Nordwand, bald zugestellt von großen Kristallgebilden, stets angeleuchtet von irisierendem Licht, fügt sich der schlüssigen Inszenierung ein. Nur die Musik steuert dagegen. Eigentlich tut d’Alberts Komposition von 1903 viel für die Geschichte: Eisig-sehnsuchtsvoll die Soloklarinette, schwummrig d’Alberts Geigen, in kühle Akkordfalten gelegt die Bläser. Nur hin und wieder erheben sich die kurzen Phrasen zu längeren Ausbrüchen.

Was aber diesen Abend angeht, so ist man versucht, ex negativo zu urteilen. Unter Yves Abels Leitung tönt diese Musik nämlich: nicht flirrend. Nicht farbig. Nicht biegsam. Ohne Schmäh und frei von Verlogenheit. Stattdessen unsexy, steif in den Gliedern wie an einem kalten Wintermorgen. Ordentlich abgezählt, und dies noch an so unerwarteten Stellen wie der Tanzmusik für die gebeutelte Marta. Torsten Kerls Pedro gibt sich bei all dem substanzreich, gleichwohl elegant geführt, Jacquelyn Wagners Nuri nimmt sehr für sich ein, Egils Silins’ Sebastiano ist timbrestark eingedunkelt, Magnus Baldvinsson, Simon Pauly und Jörg Schörner besetzen ihre Rollen mit angenehmer Glaubwürdigkeit, doch bricht gerade Nadja Michael als Marta aus dem Sängerensemble aus. Als umkämpfte, bekämpfte Frau darf sie das zwar. Aber ihr kreatives „s“ erschwert das Zuhören, und mit ihrem nicht nur schillernden, sondern nach der Pause immer mehr schallernden Sopran lässt sie ihre Marta auch weiterhin fallen, stellt sie als haltlose, vulgäre Person dar.

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