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© Mike Wolff

Konzertvorschau: Howard Carpendale: "Ich bin immer der Tierarzt"

Er will’s noch mal wissen: 2003 trat Howard Carpendale von der Bühne ab, aber meldete sich längst zurück – und singt nun in Berlin.

Vielleicht war es so wie damals beim Kugelstoßen: 1963 wurde Howard Carpendale südafrikanischer Jugendmeister, dann hatte er genug. „Es ist ein etwas dümmlicher Sport“, sagt er beim Interview im Hotel Esplanade. „Was mich gereizt hat, war der Kampf, immer näher an die Grenze zu kommen und dann darüberzugehen.“ Doch als der Rekord gebrochen war, da hat er die Kugel weggelegt. So wie später das Mikrofon. Carpendale hatte alles erreicht: Jahrzehnte in den Charts, eine stattliche Kollektion goldener Schallplatten und Horden von – zumeist weiblichen – Fans. „Ich hatte das Gefühl, ich bin auf einem Höhepunkt. Und dann habe ich Schluss gemacht. Aber nach drei Jahren in Amerika stellte ich fest, dass mir die Bühne unendlich fehlt.“ Beim Kugelstoßen waren 15,33 Meter genug. Mit der Musik geht es weiter.

Und es hat sich nichts verändert: „Howie“ trägt dieselbe blondierte Matte und hat denselben säuselnden „Isch bin Howard“-Akzent – und wie die Vorgängeralben ist auch die aktuelle Platte „Stark“ zu einem Großteil autobiografisch geprägt. Viele Stücke handeln von den Gründen für sein Comeback. Titel wie „Noch immer mittendrin“ oder „Das bin ich nicht“ erzeugen den Eindruck, Carpendale wollte sich dafür rechtfertigen, dass er zurück ist – ein Verdacht, den er pikiert von sich weist: „Es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen muss. Dann hätte Tina Turner sich ja schon fünfzigmal rechtfertigen müssen, die kommt immer wieder zurück.“ Er habe die Bühne ehrlich vermisst, deswegen sei er auch wieder erfolgreich. Dagegen gebe es andere Künstler, bei denen es aus gutem Grund weniger funktioniere – da müsse er keine Namen nennen, sagt er. „Aber wenn ich an Westernhagen denke: Der erzählt dem Publikum ‚Wenn ihr mich unbedingt haben wollt, dann singe ich wieder’. Das ist nicht die richtige Art.“

Er selbst kann sich auf seiner Tour wieder über volle Hallen freuen: „Meine Bühne ist am Ende einer Show voller Schlüpfer und BHs. Wenn die Frauen die Bühne stürmen – das ist wie ein Militärangriff. Das ist der Wahnsinn. Und das sind keine alten Frauen, das sind 30- bis 40-Jährige.“ Da blitzen der Stolz und Ehrgeiz des Charmebolzens in seinen blauen Augen. Ein Ehrgeiz, der sich durch all seine Lebensbereiche zieht: Lange hat er versucht, in der Schauspielerei Fuß zu fassen, erreichte das aber nie zur eigenen Zufriedenheit. Als Tennisprofi Johnny Storm in der RTL-Serie „Matchball“ oder in diversen Rollen als braver Liebhaber fand er nicht die gewünschte Herausforderung: „Ich bin da von anderen Leuten abhängig. Mein Produzent sagt: Carpendale als Mörder, das würden die Leute nicht akzeptieren. Ich verstehe ihn schon, ich würde nur gerne etwas Ernsthaftes machen, eine Rolle mit Ecken und Kanten. Aber ich bin komischerweise immer der Tierarzt.“ Und wenn ihm sein Sohn Wayne, der ZDF-„Landarzt“, eine Rolle in der Serie verschaffen würde? „Ich hasse Kitsch. Ich mag zickige Dinge überhaupt nicht: Vater und Sohn zusammen, nur weil wir Vater und Sohn sind – das wäre mir viel zu billig“, sagt er.

Als so unsentimental hätte man den Interpreten von „Deine Spuren im Sand“ und „Du fängst den Wind niemals ein“ gar nicht eingeschätzt. Doch das sind Vorurteile, mit denen man den gebürtigen Südafrikaner besser nicht konfrontiert. Auch, dass die WM in seiner Heimat – unter anderem im Stadion seiner Geburtsstadt Durban – stattfindet, mag ihn nicht so recht freuen: „Viele Afrikaner denken: ‚Supi. Ihr kommt, hier werden Milliarden ausgegeben, ihr macht drei Wochen lang Party, dann fahrt ihr weg und für uns bleibt alles wie gehabt – plus sechs oder acht neue Stadien, die uns ein Vermögen kosten.’“ Madig machen will der Rugby-Fan das Ereignis aber nicht. Madig macht er lieber den Begriff Schlager. Carpendale ist eine lebende Legende und fühlt sich dennoch verkannt – ohne angegriffen zu werden, geht er stets in die Defensive: Er mache keinen Schlager, sondern Deutschpop; seine Konzerte seien viel toller und die Fans viel jünger, als alle denken. Aber mal ganz ehrlich: Ist der Akzent denn noch echt – oder trainiert er ihn aufgrund seiner Wirkung auf die weiblichen Fans extra weiter? „Man kann seinen Akzent nicht ändern, wenn man mit 20 Jahren in ein neues Land geht! Das ist keine Absicht.“ War ja nur Spaß.

Howard Carpendale hat übrigens auch mal ein biografisches Buch geschrieben. Der Titel: „Von oben sieht alles anders aus“. Lydia Brakebusch

Max-Schmeling-Halle, 15. April, 20 Uhr, ab 81,80 Euro.

Lydia Brakebusch

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