zum Hauptinhalt
Reisepartner. Nils Koppruch (links) und Gisbert zu Knyphausen sind unterwegs zu neuen Klängen – am Sonntag spielen sie zwei Konzerte im Heimathafen Neukölln.
© Dennis Williamson/Trocadero

Gitarren-Duo Kid Kopphausen: Gemeinsam statt einsam

Die Songwriter Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen nennen sich als Duo Kid Kopphausen. Eine Zigarettenpause mit den Gitarren-Cowboys.

Eine Metamorphose zu durchlaufen ist nie leicht, und so verhaspelt sich Gisbert zu Knyphausen beim Einstieg ins erste Lied des Abends gleich dreimal. „Wir sind dabei, uns zu erfinden“, hatte Nils Koppruch kurz vorher noch gesagt, die zweite Hälfte dieser neuen Band namens Kid Kopphausen. Es ist ein sichtbar sachkundiges Publikum, das im Aufsturz in Berlin-Mitte der Erfindung beiwohnt. Der Name des Ladens und die familiäre Atmosphäre im Keller passen: Diese Liedermacherhöhle ist bereit für die Vereinigung der beiden Singer-Songwriter-Helden zur zweiköpfigen Gitarren-Hydra.

Jenes erste Lied, „Hier bin ich“, wirkt wie ein spielerisches, schizophrenes, wohl genau so gewolltes Fragezeichen. „Ich habe Geld wie Heu, ich trag’ einen Hut aus Stroh, immer da, wo ich bin, da brennt es lichterloh. Wer bin ich?“, singt dieser Typ, singt Kid Kopphausen, „ich lege Wert auf gutes Benehmen, ich trage ein Messer zwischen meinen schiefen Zähnen“. Das klingt verwegen angesichts der trotzig-traurigen Lieder, mit denen vor allem zu Knyphausen in den letzten Jahren bekannt geworden ist. Vielleicht gerät er deshalb erst mal ins Stocken.

Der nun Messer schwingende Melancholiker zu Knyphausen und das charmante Raubein Koppruch: Im Video zu „Hier bin ich“ werden die beiden in immer neuen Varianten zu einer Person gemorphed. Der Mund Koppruchs zum Gesicht zu Knyphausens oder die Beine des einen mit dem Körper des anderen. Da bleibt viel Raum für Identitätsfragen. „Das Publikum nimmt Singer-Songwriter nur individuell wahr, deshalb schließen sich nur wenige von ihnen zusammen“, sagt Koppruch ein paar Stunden vor dem Auftritt. Er und zu Knyphausen sind nicht in ihren gewohnt abgewetzten Anzügen zum Interview erschienen und auch nicht im Cowboy-Look, der ihre Internetseite und das Cover ihres Debütalbums „I“ bestimmt. Sie tragen Straßenschick und Pappbecher in den Händen. Sie grinsen mit ergründlicher Tiefe – das haben beide drauf – als die Bedienung des Cafés im Neuköllner Körner-Park die mitgebrachten Getränke moniert. Doch ihr Lebenserfahrene-Lausbuben-Lächeln wirkt hier nicht. Nachbestellen, bitte.

„Dieses Cowboy-Ding, das war gar nicht von Anfang an so geplant“, sagt Koppruch. Sein Kompagnon zu Knyphausen ergänzt mit kratzig-müder Stimme: „Die lange Nacht gestern war auch nicht so geplant. Aber ganz grundsätzlich: Es ist schon ein Loslass-Projekt. Wir wollen uns auch erfinden lassen.“ Beide nicken, Koppruch greift nach seiner Zigarettenschachtel und zu Knyphausen nach Drehtabak, fast synchron. Hier haben eindeutig zwei Musiker lange aufeinandergehockt. Die Idee, sich zusammenzutun, hatten sie schon vor etwa zwei Jahren. Und bereits 2008 entstand das gemeinsame Lied „Knochen und Fleisch“, eine Hoffnungshymne für die Hamburger Obdachloseninitiative Hinz & Kunzt. Seither hat sich zu Knyphausen bis in die großen Hallen vorgespielt, obwohl er die kleinen immer noch bevorzugt. „Weil es angenehmer ist, fürs Publikum und die Musiker“.

Sie haben vieles gemeinsam - und sind doch so verschieden.

Sie sind beide Bartträger, Studienabbrecher, Saitenpoeten – und trotzdem so verschieden. Hier zu Knyphausen, Mitte 30, Erfolgsmusiker, aus einem friesischen Adelsgeschlecht stammend, wohnhaft in Neukölln. Dort Koppruch, Mitte 40, gelernter Koch, gelernter Punkrocker, der unter dem Pseudonym „Sam“ Bilder malt und mal davon und mal von der Musik gelebt hat. Einer, der sich mit seiner folkigen Band Fink in den Neunzigern gegen die dominierende Hamburger Schule aufgelehnt hat und immer noch in der Hansestadt wohnt. Koppruch ist gewissermaßen zu Knyphausens Vorgänger. Der Zukunftshorizont reicht noch nicht so weit. Bis zur Festivalsaison 2013 wollen die Kopphausens zunächst einmal zusammenbleiben. Was danach kommt? „Je nach Erfolg, mal sehen …“

Gefragt nach der Musikrichtung, der sie sich zuordnen würden, betonen beide ihre Ablehnung jeglichen Schubladendenkens. Um dann doch mit einer druckreifen Definition zu kommen: „Krautrock mit Jazzattitüde“ machen sie, geprägt vom Folk – und eigentlich ist es doch einfach: Rockmusik. Wer die Platte hört, versteht. Es ist eine Art moderne Inszenierung dessen, was im Alten alles gut war. Wie die beiden selbst, wenn sie sagen, dass sie das Internet intensiv nutzten – gleichzeitig aber beide, „aus Selbstschutz“ vor zu viel Netzwelt, Mobiltelefone besitzen, die eher nach Flaschenöffnern aussehen.

Dabei wirken ihre Lieder an diesem Abend im Aufsturz selbst wie Flaschenöffner, zu den Empfindungswelten der Zuhörer. Gerade bei den Zuhörerinnen sieht man diesen „Ja, genau, die haben es verstanden“-Blick. Es sind mal große Lieder, wie „Schritt für Schritt“ und „Das Leichteste der Welt“, die den Abend tragen und mal die kleinen Momente, wenn das Schlagzeug reinknallt und Gisbert zu Knyphausen seine vorher lange geschlossenen Augen öffnet und Nils Koppruch mit schnarrender Stimme dazwischendonnert. Kid Kopphausen ist keine Zwei-Mann-Songmaschine, sondern eine richtige Band, das wird hier deutlich.

Als der Tag zu Ende geht, der im Körner-Park vor der Nacht im Aufsturz, pfeift Koppruch laut auf seinen Fingern, und die ganze Band kommt angelaufen. Sie hatten sich im Park die Zeit vertrieben. „Geht doch“, sagt Koppruch. Natürlich ist das ein Scherz. Genauso wie es einer ist, wenn sich zu Knyphausen und Koppruch für ihre bisherige Arbeit bei ihrer Plattenfirma, ihrem Produzenten und Gott bedanken. In dieser Reihenfolge. Kid Kopphausen machen Gefühlsmusik ohne Pathos, besondere Musik für den Alltag. Oder, um es mit einer Zeile der beiden zu sagen: „Jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt.“

„I“ ist bei Trocadero erschienen. Konzerte: 16.9., Heimathafen Neukölln, 18 Uhr (Zusatzshow) und 21.30 Uhr (ausverkauft)

Nik Afanasjew

Zur Startseite