Plattenkritik "The Devil's Walk": Der Apparat geht mit dem Teufel
Sascha Ring, besser bekannt als Apparat stellt auf seinem neuen Album "The Devil's Walk" endgültig unter Beweis, dass er als elektronischer Singer-Songwriter inzwischen ein perfekter Arrangeur geworden ist.
Ob schon mal jemand all die DJs und Produzenten elektronischer Musik gezählt hat, die mittlerweile in Berlin leben? Es müssen hunderte sein, manche besser, manche schlechter, aber nur einige von ihnen werden außerhalb der Clubszene wahrgenommen. Sascha Ring, besser bekannt als „Apparat“, ist einer von denen, die herausragen. Der 33-jährige hat die letzten zehn Jahre an seiner Art von elektronischer Musik gebastelt und zwar so konsequent und konzentriert, dass sein Name meist mit einer Art ehrfürchtigem Staunen ausgesprochen wird. Das ist einer, der „es geschafft hat“, scheint da mitzuschwingen, einer, der „ernsthafte Musik“ macht. Das neue Album vom „Apparat“ namens „The Devil’s Walk“ wird das noch mal befeuern. Denn Sascha Ring ist jetzt wirklich das, was sich auf seinem letzten Album schon angedeutet hatte: Ein perfekter Arrangeur und eine Art elektronischer Singer-Songwriter, seine Stücke mehr Lied als Track.
Ein weiter Weg, könnte man meinen, aber ganz so weit dann doch nicht: Schon vom ersten Album vor zehn Jahren an bastelte Sascha Ring komplizierte Soundgebilde fernab der geraden 4/4-Bassdrum, weniger Musik für die Tanzfläche, sondern so genannte Clicks und Cuts und Glitches, elektronisches Klicken, verschobene komplexe Rhythmusabläufe, Störgeräusche und atmosphärisches Rauschen und Schwingen. Elektronische Musik erzeugt durch tagelanges, wochenlanges Experimentieren am Laptop oder im Studio.
Man kann diese Art von Musik nicht ewig machen, weil es einem selbst und auch den Zuhörern irgendwann langweilig wird. Die Weiterentwicklung liegt also in der Natur der Sache und so sind wir jetzt bei „The Devil’s Walk“: Ein Album, das mich beim ersten Hören begeistert, beim dritten Hören etwas ernüchtert (aber nur ein bisschen) zurücklässt. Sascha Ring kann singen, das ist gar keine Frage. Er ist keine Rockröhre, will er auch gar nicht sein, eher eine Mischung aus Radiohead-Frontmann Thom Yorke und Sigur-Ros-Sänger Jonsi Birgisson.
Seine Songs sind perfekt produzierte Melancholie, er weiß, wie man Atmosphäre aufbaut, innerhalb eines Stücks und innerhalb eines Albums, er findet Melodien, die hängen bleiben. An der ein oder anderen Stelle aber schlägt die Melancholie ins Melodramatische um, dann überschreitet er sie, die feine Grenze zwischen Gefühl und Gefühligkeit, dann geht es fast ein bisschen kitschig zu in den schmachtenden Balladen auf „The Devil’s Walk“. Die feine elektronische Watte, die die Songs umhöhlt, verhindert aber schlimmeres. Und „Goodbye“ ein gemeinsames Stück mit Anja Plaschg, besser bekannt als Soap&Skin, entschädigt für die wenigen zwiespältigen Momente der Platte: So schön und so düster kann Verzweiflung sein!
In den Mainstream ist Sascha Ring noch nie vorgedrungen. Nicht mit dem einst von ihm mitorganisierten Label Shitkatapult, nicht mit seinen Soloalben „Mulitfunktionsebene“, „Duplex“ oder „Walls“, nicht mit seinem gemeinsam mit Ellen Allien produzierten „Orchestra of Bubbles“-Album und auch nicht als „Moderat“, dem gemeinsamen Projekt von Apparat und dem Berliner Duo Modeselektor. Allesamt hochgelobte Platten, aber fernab von einer Paul-Kalkbrenner-artigen Massenwirkung. Genauso wenig wie Sascha Ring eine Rockröhre sein will, will er ein zweiter Kalkbrenner werden. Seine Bezugspunkte sind Radiohead und Steve Reich und Four Tet und Sigur Ros. Musiker, die mit Hörgewohnheiten brechen und ihre eigene Art von Pop verfolgen. Sascha Ring kann da locker mithalten.
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