Klimakonzert mit Daniel Barenboim: Pomp und Gondelbahn
Klassik für den guten Zweck: Daniel Barenboim und das „Orchester des Wandels“ beim 6. Klimakonzert auf dem Gelände der IGA in Marzahn.
Die Sonne glüht wie selten im Himmel von Berlin. Eine Menschenschar hat sich mit provisorisch gebastelten Sonnenhüten vor der Arena auf dem Gelände der IGA versammelt, um eine besondere Premiere zu erleben: Das erste Mal findet auf der neu eröffneten Freilichtbühne ein Konzert statt, umrankt von exotischen Pflanzen und einer über den Köpfen zischenden Gondelbahn. Sie verbindet die Marzahner „Gärten der Welt“ vom Süden bis in den Norden. Die Bühne ist prominent besetzt: Es spielt die Staatskapelle Berlin, die an diesem Tag als „Orchester des Wandels“ mit Daniel Barenboim das 6. Klimakonzert präsentiert. Es geht um einen guten Zweck: um die Finanzierung von Klimaprojekten wie der Förderung von nachhaltigem Geigenbau auf Madagaskar.
Barenboim ist trotz Hitze bestens gelaunt. Zu Anfang legt der Maestro mit seinen Musikern eine solide „Carmen-Suite“ hin. Danach schnappt er sich das Mikrofon und erklärt, warum er gekommen sei: um daran zu erinnern, dass es viele Völker, aber nur eine Welt gebe, die es vor Ausbeutung zu schützen gilt. Politisch wird es auch noch: Der Fokus des Konzerts ist Europa. Barenboim will an die kulturellen Verbindungen des Kontinents erinnern, daher stehen paneuropäische Evergreens auf dem Programm, der „Ungarische Tanz Nr. 1“ von Brahms, Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“ oder der „Kaiserwalzer“ von Johann Strauss. Die Performance des Orchesters ist tadellos, auch wenn die Klangqualität der Sound-Anlage nicht unbedingt an die Wirkung anderer Freilichttheater wie der Waldbühne heranreichen kann.
Kraftvoll und empathisch
Egal. Es geht ja um die Atmosphäre, und die ist sommerlich-erfrischend bis heiter-beglückend. Wie ein britisches Proms-Konzert, das später mit einer furiosen Aufführung von Edward Elgars Marsch aus „Pomp und Circumstances“ herbeizitiert wird. Kraftvoll und emphatisch steigert sich das Stück, bis auch die Klangqualität der Technik sich einzupendeln scheint. Wirklich meisterhaft gerät dann aber der Abschluss: eine irisierend und hypnotisch auf den Punkt gebrachte Interpretation von Ravels „Bolero“. Barenboim lässt das Orchester für sich allein spielen, kommt zufrieden zurück und vertröstet das begeisterte Publikum: „Wir können keine Zugaben spielen, wir haben heute ja nur Zugaben gespielt.“ Wie recht er hat.
Tomasz Kurianowicz