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Die Antilopen Gang mit Panik Panzer, Koljah und Danger Danger.
© Robert Eikelpoth

Antilopen Gang live in Berlin: Pizza und Presslufthammer

Die Düsseldorfer Rap-Crew Antilopen Gang mischte beim Konzert im ausverkaufen Berliner Huxleys Spaßtexte mit Politparolen.

„Punk is dead, HipHop is still ok“, ruft Panik Panzer ins Mikro. Das Huxleys Neue Welt in Berlin ist ausverkauft, Dampfbad für alle. Poster an der Wand kündigen ein Zusatzkonzert im Dezember an. Columbiahalle dann, Hype braucht Fläche.

Auf dem Banner hinter der Bühne fliegt ein Bomber über einen blauen Himmel, aus seinen Düsen strömt ein pinker Kondensstreifen. Gerade hat die Antilopen Gang mit einer dreiköpfigen Punkband im Rücken ihren Song „Der Goldene Presslufthammer“ beendet. Der Saal dröhnt wie einer.

Es ist Freitagabend und die dreiköpfige Hip-Hop-Crew macht auf ihrer Deutschlandtour in Neukölln Station. Im Januar haben sie ihr zweites Album „Anarchie und Alltag“ veröffentlicht, das sofort an die Chartspitze ging. Das Konzert im Huxleys ist vorläufiger Höhepunkt einer erstaunlichen Karriere. Kaum eine deutsche Rap- Crew hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen als sie.

Der Song "Beate Zschäpe hört U2" machte sie bekannt

Im Jahr 2014 machte der Song „Beate Zschäpe hört U2“ sie in den Augen vieler zum moralischem Sonderkommando der Popkultur. Endlich politische Millenials. Zur Belohnung gab es Albumbesprechungen in den Feuilletons und ein Interview in der „Tagesschau“. Drei Jungs aus Düsseldorf. Plötzlich Experten.

Überrascht hat das vor allem sie selbst. „Das Trojanische Pferd“, erste Single des neuen Albums, handelt von dem Hype: „Auf die Quotenrebellen kann sich jeder irgendwie einigen. Ein bisschen frech und aber schlau und so witzig und politisch und man schmückt sich mit uns, denn man gibt sich kritisch“. Dann drehen sie an der rhetorischen Eskalationsschraube. „Wir haben euch überlistet und zerstören euch von innen“ heißt es da – ganz ohne Ironiefilter. Die Band spielt immer wieder mit Deutungsunschärfen. Ihre zweite Single: eine Ode an die Pizza. „Es geht nicht um Herkunft, Hautfarbe und Religion /Hauptsache, der Teig ist dünn; Hauptsache, Tomatensoße /Hauptsache, Käse; die Welt ist eine Scheibe /Wer grade Pizza isst, tut keinem Menschen was zuleide“.

Bei "Pizza" singt der ganze Saal mit

Im Huxleys gelingt der Balanceakt zwischen Politik und Albernheit problemlos. Auch das Publikum ist bunt gemischt: Studenten drängen sich an Punks, auf der Tribüne stehen junge Eltern mit Kindern im Grundschulalter. Gleicher Schweiß für alle. Der übervolle Saal singt bei „Pizza“ genauso enthusiastisch mit wie bei einer Forderung „Atombombe auf Deutschland“. Immer wieder teilt sich die Menge, dann „Wall of Death“ im Kollisionskurs zurück. Wäre Energie eine Flüssigkeit, sie würde aus den Oberlichtern quellen.

Seinen Höhepunkt erreicht das Konzert als die drei Rapper ankündigen, dass sie ein Live-Video zum Song „Patientenkollektiv“ filmen wollen. Das passt, weil sein Refrain das Phänomen Antilopen Gang erklärt wie kein anderer. „Komm wir schließen uns zusammen im Patientenkollektiv / Die Konzerte, die wir spielen sind ’ne Gruppentherapie / Die Welt ist krank und sie macht, dass du leidest“. Die Studenten, die Punks und die jungen Eltern singen jedes Wort mit. Der Text des Lieds ist Anamnese ihrer eigenen Situation.

Vielleicht ist ja doch alles postpubertäre Ironie

Die Gegenwart ist nicht für sie gemacht, das merkt noch der Unpolitischste im Saal. Die Politik ignoriert sie, das Nachkriegsversprechen, „dass es den Kindern mal besser geht“ wird seit der Wirtschaftskrise nur noch als Witz erzählt. In den heiseren Gesängen der Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher klingen die breitbeinige Provokation und die Ironie der Texte wie der verzweifelte Versuch der Generation Y, die Babyboomer zu irgendeiner Reaktion zu bewegen: Die Forderung nach der Atombombe auf Deutschland als sehnlicher Wunsch nach Wahrnehmung und Veränderung. Die Liebeserklärung an die Pizza als trauriges Eingeständnis, dass das nicht passieren wird.

Um kurz vor elf spielen die Antilopen als letzte Zugabe „Fick die Uni“, ihren ersten Internet-Hit von 2009, in dem sie den gemeinen Studierenden diffamieren. Ein letztes Mal grölen mehr als 1600 Menschen die Publikumsbeschimpfung mit. Vielleicht ist ja doch alles postpubertäre Ironie. Vielleicht aber auch nicht. Als das Publikum nach etwas weniger als zwei Stunden aus dem Saal drängt, läuft in der Anlage einer, der so tot ist wie Punk. „Für mich ist die Welt nicht mehr in Ordnung / nicht früh um sieben und auch nicht nach der ,Tagesschau’“, klingt Rio Reiser leise.

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