Edvard Munch und Kurt Schwitters: Pioniere im Gegenwind
In zwei Comic-Biografien verfolgen die norwegischen Zeichner Lars Fiske und Steffen Kverneland die Spuren der Künstler Edvard Munch und Kurt Schwitters bis nach Berlin.
2004 begaben sich Lars Fiske und Steffen Kverneland auf eine überschwängliche Legenden-Bewanderung ihres norwegischen Landsmannes Olaf Gulbransson, dem skandinavisch-bayrischen Nudisten und „Simplicissimus“-Aushängeschild. Bereits in „Olaf G.“ schrieb und zeichnete sich das Duo selbst als trinkende, aufgekratzte Touristen im bayrischen Freistaat in ihr Comic-Denkmal für den viel gerühmten Künstler. Abseits dieser Anekdoten der Recherche-Reise war ihre Huldigung Gulbranssons zwar etwas verklärt und zu enthusiastisch - dafür hat sie jedoch bestens unterhalten und bot locker-flockiges Infotainment. Nun haben sich Fiske und Kverneland in ihren neuen Werken jeder für sich erneut einen einflussreichen Künstler herausgepickt.
Munch
„Munch“ ist dabei Kvernelands kubistische Betrachtung von Edvard Munch („Der Schrei“), dem norwegischen Anti-Realisten und Wegbereiter des Expressionismus. Einer der Schwerpunkte des großformatigen Bandes liegt auf Munchs Jahren als trinkfester Sonderling im Berlin der Belle Epoque, nachdem der Verein Berliner Künstler den Norweger und seine umstrittene Arbeit 1882 erstmals in die Stadt geholt hatte, was prompt zu einem Eklat führte, die Munch in Berlin mehr Aufmerksamkeit und Bekanntheit bescherte, als es die Ausstellung bei normalen Ablauf allein vermocht hätte. Zu einem wirklich sympathischen Zeitgenossen machte das Spotlight in Berlin Munch allerdings nicht, und Kverneland gibt sich auch keine Mühe, diesen Umstand zu vertuschen. Er zeigt Munch in allen verschrobenen und zuweilen sogar finsteren Extremen.
Merz
In „Herr Merz“ rückt Fiske dagegen Kurt Schwitters in den Mittelpunkt. Der Vordenker des Modernismus betrieb vielleicht keinen Raubbau, aber eben Merzbau - und machte aus allem, was bei Drei nicht auf dem Baum war, ein abstraktes Gesamtkunstwerk. Auch der aus Hannover stammende Schwitters hatte seine erste Ausstellung in Berlin - 1918 in Herwarth Waldens „Sturm-Galerie“ - und sah sich für seine Impulse zunächst mit heftigem Gegenwind konfrontiert, ehe er und seine Auffassung von moderner Kunst die internationale Bühne betraten.
Trockene Biografien
Schön aufgemacht und zeichnerisch hoch interessant und sogar beeindruckend sind beide Neuerscheinungen der norwegischen Künstler-Freunde, die sich als schräges Duo auch in „Herr Merz“ und „Munch“ ab und an in die Recherche-Szenen der Geschichten zeichnen - wenn auch keineswegs so oft oder so penetrant wie in „Olaf G.“ Nichtsdestotrotz sind die Auftritte der Künstler in beiden Fällen die spritzigsten Szenen der ansonsten eher trockenen Comic-Biografien.
Denn letztlich kommen die Einzelwerke, obwohl sie erneut vor Bild-Referenzen und Zitaten von Zeitgenossen nur so strotzen, nicht an die Gemeinschaftsproduktion „Olaf G.“ heran. Die mag nicht immer ganz korrekt und hundertprozentig aufrichtig gewesen sein, bot jedoch wesentlich mehr Lese-Spaß, was bei historischen Künstler-Biografien nicht unbedingt zu verachten ist. Bleibt die Frage, ob das an den Schrullen des Exzentrikers Gulbransson lag, oder an der synergetischen Wirkung von Fiskes und Kvernelands direkter Kollaboration an ein und demselben Werk.
Lars Fiske: Herr Merz. Aus dem Norwegischen v. Nadja Gebhardt, Avant, Berlin 2013, 112 Seiten, 29,95Euro, Leseprobe hier.
Steffen Kverneland: Munch. Aus dem Norwegischen v. N. Gebhardt, Avant, Berlin 213, 280 Seiten, 34,95 Euro, Leseprobe hier.
Der Artikel findet sich in einer kürzeren Fassung in der aktuellen Ausgabe der Berliner Stadtzeitschrift zitty, die in jeder Ausgabe eine feine Comicseite hat. Wir danken für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung. Der Blog unseres Autors Christian Endres findet sich hier: www.christianendres.de.
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