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John Malkovich: Pietà mit Mörder

John Malkovich gastiert mit "The Infernal Comedy" in der Berliner Philharmonie.

Stürmisch klingt die Hölle, „L’enfer“, bei Christoph Willibald Gluck. Der Österreicher Martin Haselböck dirigiert mit Engagement das Orchester Wiener Akademie, das sich zu „Originalklang“ bekennt. Was aber verbindet historische Aufführungspraxis auf alten Instrumenten mit einem prominenten Hollywood-Schauspieler? Der ist so berühmt, dass das Kino ihm mit „Being John Malkovich“ schon sein eigenes Denkmal beschert hat.

Malkovich tourt durch die Welt mit einem Musiktheater für zwei Soprane, einen Schauspieler und Barockorchester, das sich „The Infernal Comedy“ nennt, entworfen von dem Regisseur Michael Sturminger. Er sei diese Musik nicht gewohnt, unterbricht Malkovich die agilen Interpreten, denn er ist in die Rolle des Jack Unterweger geschlüpft.

Dieser Serienmörder aus der Steiermark kommt nun als Wiedergänger aus der Hölle in die Philharmonie. In Wirklichkeit hat er im Juni 1994 in der Justizanstalt Graz Suizid begangen, verurteilt wegen neunfachen Mordes, während ihm weitere Fälle nicht nachgewiesen werden konnten. In weißem Anzug tritt „Legendary Jack“ an einen Tisch, darauf Leselampe, ein Glas Wasser und ein Stapel seiner Bücher, denn er will seine Autobiografie verkaufen. In die Musik hineinsprechend macht er sein Leben zum Melodram. Der Star wirkt seltsam klein auf der Bühne, auch eitel – und das Ganze ein wenig wie Laientheater, als ob der Charakterdarsteller Malkovich ein Naiver sei. Man lacht, wenn er Witze über Theater, Sex und Parkplätze quasi improvisatorisch unter die Zuschauer streut.

Es geht um Frauen, naturgemäß. Eine „verachtete Braut“ in einer Vivaldi-Arie, gesungen von Martene Grimson, stellt sich als Schwangere dar, und Jack steht staunend und horcht an ihrem Bäuchlein. Er kuschelt gern, nestelt an den Sängerinnen herum – mit Büstenhaltern: Dies sind auch seine Mordinstrumente, mit denen er seine Opfer stranguliert.

Jack ist nach vorzeitiger Entlassung aus erster Haft, in der er zu schreiben begonnen hat, zum Investigationsjounalisten und Dichter geworden, gefeiert und herumgereicht als „Knastpoet“, um weiter Frauen zu morden: „There were some who simply wanted to fuck a murderer.“ Bei den schönen Arien der verzweifelt Liebenden von Beethoven, Haydn und Weber scheint er sich etwas zu langweilen, um schließlich als Mozarts „Idol mio“ auf dem Schoß der wundervoll singenden Bernarda Bobro zu kauern: Pietà mit Mörder. Malkovich gilt als Unterstützer der Todesstrafe. Als Jack entzückt er das Publikum. Sybill Mahlke

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