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Kultur: Pharao ohne Gesicht

Hundert Jahre nach ihrer Entdeckung wird in Berlin die Büste des Echnaton restauriert.

Auf den ersten Blick sieht er nicht spektakulär aus, eher bemitleidenswert. Das Gesicht ist stark zerstört, das rechte Auge noch gut zu sehen, das linke nur zu erahnen. Die Ohren sind abgeschlagen, dort, wo die Lippen eingesetzt waren, klafft ein Loch. Ihm ist übel mitgespielt worden. Man kann nur ahnen, dass diese Büste des Echnaton das Pendant zur strahlend schönen Nofretete ist, die nahezu  unversehrt am 6. Dezember 1912 vom deutschen Archäologen Ludwig Borchardt in Tell el-Amarna, dem altägyptischen Achet-Aton, in der Bildhauerwerkstatt des Thutmosis entdeckt wurde. Jetzt wird die Büste in der Restaurierungswerkstatt des Ägyptischen Museums Berlin für die große Jubiläumsausstellung „Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete“ im Neuen Museum behutsam stabilisiert und zusammengesetzt.

Warum sieht Echnaton so desolat aus, und wieso ist seine Gattin ungeschoren davongekommen? Schon Ludwig Borchardt fand die Büste des Echnaton zerstört vor. Er hat 1913 in Berlin versucht, die Fragmente zusammenzusetzen, eine fragile Angelegenheit. Die Wirren des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie die vorübergehende Verschleppung in die Sowjetunion setzten der Skulptur weiter zu. Nun versuchen die Restauratoren Paul Hofmann und Gisela Engelhardt, der Figur wieder Gestalt zu geben, ohne die Spuren der Zerstörung zu verdecken.

Echnaton wurde von religiösen Fanatikern mutwillig zerstört, lautet die These von Friederike Seyfried, der Direktorin des Ägyptischen Museums. Pharao Echnaton hatte Achet-Aton gegründet, um dort in einer neuen Hauptstadt einem einzigen Gott, Aton, zu huldigen. Diese „Licht-Theologie“ sollte den Polytheismus der Altägypter ablösen. Im Jahr 1343 vor Christus wurde die Stadt bezogen und bereits 1331 unter Tutenchamum wieder aufgegeben. Der Polytheismus kehrte zurück, alle Symbole des Aton-Kults wurden zerstört.

„Nach meinen Untersuchungen war die Büste des Echnaton noch ganz, als die Handwerker die Werkstatt abgeschlossen und verlassen hatten. Eindringender Sand muss die tiefer gelegene Nofretete zugeweht haben, so dass sie der Zerstörungswut der Polytheisten in der Zeit der Verfolgung entgangen ist“, sagt Seyfried. Dass die Büste absichtlich zerschlagen wurde, bestätigt Steinrestaurator Paul Hofmann. „Wir wissen, welchen Schaden eine Büste nimmt, wenn sie fällt. Diese Zerstörungen stammen aber von kräftigen Schlägen mit einem Meißel von der Seite her.“ Spuren des Meißels sind an der Büste zu erkennen, auch dort, wo die goldenen Verzierungen am Brustschmuck abgeschlagen wurden.

„Die Echnaton-Büste ist eindeutig das Pendant zu Nofretete“, sagt Seyfried. „Sie war sogar noch aufwendiger gestaltet, Spuren der Vergoldung sind heute noch zu erkennen. Echnaton war einfach die wichtigere Persönlichkeit. Das erklärt auch die gezielte Zerstörung.“

Da die Zerstörung Teil der Geschichte der Amarna-Zeit ist, die erstmals im Dezember umfassend ausgestellt werden wird, wird die Büste auch nicht in aller Perfektion restauriert und rekonstruiert, obwohl man die technischen Möglichkeiten dazu hätte. So hat Alexander Huppertz vom Imaging-Science-Institute (Siemens) der Charité eine computertomografische Aufnahme von der Büste gemacht, um dem Rekonstruktionsversuch Borchardts auf die Spur zu kommen. Mit diesen Erkenntnissen wurden innere Hohlräume gefüllt, um die Büste zu stabilisieren, Voraussetzung für die Restaurierung. Hartmut Schwandt vom 3-D-Labor des Instituts für Mathematik der TU Berlin arbeitet an einer Replik des Originals aus einem dreidimensionalen Scan vor der Restaurierung, um verschiedene Restaurierungsschritte virtuell vorwegzunehmen und an der Kopie zu erproben.

„Wir wollen Echnaton die Würde zurückgeben“, sagt Paul Hofmann. So wollen sich die Restauratoren darauf konzentrieren, die verlorenen Lippen zu rekonstruieren und wieder einzusetzen. Nach Ende der Ausstellung bekommt Echnaton im Neuen Museum einen Platz in der Dauerausstellung. In unmittelbarer Nähe steht dann die Büste seiner Gattin, der rätselhaft lächelnden Nofretete.

Die Ausstellung „Im Licht von Amarna“ beginnt am 7. 12. im Neuen Museum.

Rolf Brockschmidt

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