80. Geburtstag: Peter Lilienthal: Poet & Realist
Mit der Zeit hat er sich "vom schönheitstrunkenen Poeten zum Realisten“ entwickelt, wie er selbst sagt. Tatsächlich hat er den Widerspruch zwischen beiden Positionen aufgehoben.Dem Filmregisseur Peter Lilienthal zum 80.
Aufgewachsen ist er in einem Hotel in Montevideo, inmitten deutscher Emigranten. Die Mutter war mit dem Zehnjährigen nach den Novemberpogromen der Nazis aus Berlin nach Uruguay geflohen. 1956 kehrt er zurück und beginnt ein Filmstudium in Berlin. Eine Banklehre hat er abgebrochen, denn Peter Lilienthal interessiert nur das eine: Kino.
Über ein Jahrzehnt arbeitet er fürs Fernsehen, bevor er sich Literaturverfilmungen zuwendet. Aber er wählt nicht die Klassiker von Storm bis Fontane, sondern Arrabal, Mrozek oder Gombrowicz, die sich einer herkömmlichen Verfilmung widersetzen. Während seine jüngeren Kollegen das „Oberhausener Manifest“ für den neuen deutschen Film durchzusetzen versuchen, dreht er lieber. Ein Einzelgänger, der sich mit dem preisgekrönten Kinodebüt „Malatesta“ (1971) und der Fernsehausstrahlung der meisterlichen Gombrowicz-Adaption „Die Sonne angreifen“ dann doch einen Namen macht.
In einer Zeit der künstlerischen Stagnation des westdeutschen Films war Lilienthal der erste, der experimentell arbeitete: nichtlineare, elliptische Erzählweise, Wiederentdeckung der Montage, Mischung von dokumentarischen Sequenzen, Spielfilmszenen und inszeniertem Dokument. Viele seiner Filme entstanden in Symbiose mit Michael Ballhaus, dessen Kamera die Visionen des Freundes kongenial ins Bild setzte.
Mit der Zeit hat sich Lilienthal „vom schönheitstrunkenen Poeten zum Realisten“ entwickelt, wie er selbst sagt. Tatsächlich hat er den Widerspruch zwischen beiden Positionen aufgehoben. Er wurde politischer, indem er die Perspektive von den individuellen Dramen auf deren gesellschaftliches Umfeld erweiterte. Aber er hat seine poetische Fantasie dabei nie verloren. Nie verengt er einen Stoff ideologisch oder schneidet ihn zu einer gängigen Kinostory zurecht.
Peter Lilienthals Zuneigung gehört den Unterdrückten. Es sind ihre Geschichten, die er erzählt. Sie reflektieren politische Ereignisse in seiner zweiten Heimat, Lateinamerika, andere spielen in den USA oder Israel. „La Victoria“ spielt in Chile, „Der Aufstand“ in Nicaragua, „Der Radfahrer von San Christobal“ entsteht in Zusammenarbeit mit Antonio Skármeta. Für „David“, die Geschichte eines jüdischen Jungen im Berlin der NS-Zeit, erhält er 1979 den Goldenen Berlinale-Bären.
In einem Nachruf auf seinen Kollegen Eberhard Fechner hat er einmal geschrieben: „Sein Werk, den Schiffbrüchigen der Geschichte gewidmet, ist ein Händedruck, der Mut macht. Eine Art Flaschenpost, die der Suche nach dem anderen gilt. Ein Aufruf, Verantwortung für den Nächsten zu tragen.“ Das gilt auch für Peter Lilienthal. Heute feiert er in München seinen 80. Geburtstag.
Gerhard Schönberner
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