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Peter Handke am Freitag, den 6. Dezember 2019, bei der Pressekonferenz der Schwedischen Akademie in Stockholm.
© AFP

„Ich hasse Meinungen“: Peter Handkes meinungsstarke Pressekonferenz in Stockholm

Lieber Klopapier als leere Fragen: Die Literaturnobelpreis-Pressekonferenz mit Olga Tokarczuk und Peter Handke schwankt zwischen Gelöstheit und Anspannung.

Es geht schön der Reihe nach zu an diesem Freitagmittag in der Schwedischen Akademie in Stockholm, da die Nobelpreiswoche mit der Pressekonferenz der Literaturnobelpreisträger beginnt. Bevor Peter Handke kommt und Rede und Antwort steht, was nach der Debatte der vergangenen Wochen und nicht zuletzt seinem Verhalten gegenüber den Medien (Beschimpfungen, Interviewabbrüche) mit Spannung erwartet worden ist, tritt die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk auf.

Tokarczuk ist schließlich die Literaturnobelpreisträgerin 2018, des Jahres also, in dem sich die Akademie wegen ihrer vielen Skandale und Streitigkeiten nicht in der Lage sah, einen Preis zu verleihen.

Tokarczuk sagt, sie wolle einen Teil des Preisgeldes spenden an Organisationen, die sich für die Menschenrechte, für die Kunst und für den Tierschutz einsetzen. Und dass sie ihren Preis der demokratischen Bewegung in Polen widme, er werde dieser neue Kraft und Energie geben.

Als explizit politische Autorin möchte sie sich nicht verstehen; doch wenn ihre Bücher vor einem gesellschaftspolitischen Hintergrund gelesen, dahingehend aktuell interpretiert würden, sei sie damit einverstanden.

Nach ihr kommt Peter Handke, in schwarzem Outfit, Sakko, Jeans, Hemd (darunter lugt noch eins aus Jeansstoff).

Ein "Happy Birthday" für Peter Handke

Die Stimmung ist zunächst gelöst, denn als erstes wird ein „Happy Birthday“ angestimmt, der Schriftsteller feiert an diesem Freitag seinen 77. Geburtstag. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass ein langjähriges Mitglied der Schwedischen Akademie, der Schriftsteller Peter Englund, die Nobelwoche boykottieren und an keiner Feierlichkeit teilnehmen wird: „Peter Handkes Nobelpreis zu feiern, wäre von meiner Seite grobe Heuchlerei“, schrieb Englund der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ in einer E-Mail.

Englund zeigt damit an, wie umstritten die Entscheidung innerhalb der Jury gewesen sein muss; schon Anfang der Woche hatten zwei der fünf zusätzlich hinzugezogenen externen Mitglieder, die Literaturkritikerin Gunn-Britt Sundström und der Übersetzer Kristoffer Leandoer, ihren Rückzug erklärt; wegen Arbeitsüberlastung, wie es offiziell hieß, zu vieler anderer Verpflichtungen im Rahmen ihrer Jury-Tätigkeit, die mit Literatur nichts zu tun hätten.

"Ich habe niemals eine Meinung gehabt", sagt Handke

Sundström ließ jedoch durchblicken, mit der Wahl Handkes, sein Werk losgelöst von seiner Haltung im Jugoslawien-Konflikt zu betrachten, nicht einverstanden gewesen sei.

Peter Handke interessiert das nicht, man muss sagen: naturgemäß. Die Stimmung scheint sich während der Pressekonferenz zu verändern, als es um Jugoslawien geht.

Auf die Frage, warum er in seinen Büchern nicht über Fakten zu Srebrenica schreibe, über die die internationale Gemeinschaft sich einig sei, antwortet der Schriftsteller: „In den vergangenen acht oder neun Wochen habe ich viele wunderbare Briefe bekommen, die vom Herzen der Leser kamen. Nur einer war ein anonymer Brief, der nicht von Herzen kam. Darin war Toilettenpapier mit einer Art Kalligraphie von Scheiße. Und ich sage Ihnen: Ich bevorzuge Toilettenpapier, anonyme Briefe mit Toilettenpapier im Inneren, gegenüber Ihren leeren Fragen.“

Einen Tag zuvor hatte er in einem Interview mit einem schwedischen Fernsehsender davon gesprochen, für Srebrenica nicht das Wort „Genozid“ benutzen zu wollen, sondern eines, das er als viel schlimmer für die Geschehnisse dort empfinde:„Brudermord.“

Ob er seine Meinung zum Konflikt in Jugoslawien geändert habe, wird er während der Pressekonferenz in der Schwedischen Akademie gefragt. Handke entgegnet, Literatur zu lieben und Meinungen zu hassen: „Ich schreibe nicht mit Meinungen. Ich habe niemals eine Meinung gehabt.“

Es sei schwierig für ihn, in einen Dialog mit seinen Gegnern zu treten, er habe das alles 2014 schon in Oslo bei der Verleihung des Ibsen-Preises erlebt, wo er mit „Faschist, Faschist“-Rufen beschimpft worden sei, er wisse sich da keinen Rat.

So geht diese Pressekonferenz einigermaßen angespannt zu Ende – ohne neue Erkenntnisse oder gar Zugeständnisse Handkes, sich hie und da verirrt zu haben. Was am Samstagnachmittag mit seiner Nobelpreisrede nicht anders sein wird: Sie soll sich um seine Kindheit und seine Mutter drehen. Dazu will Peter Handke Passagen aus dem von ihm 1981 geschriebenen dramatischen Gedicht „Über die Dörfer“ vortragen. (mit dpa)

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