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Update

Benedikts Deutschland-Besuch: Papst reist weiter - Protestanten enttäuscht

Der Papst ist von Erfurt nach Freiburg weitergereist. Die Erwartungen der Evangelischen an Benedikt XVI. waren hoch. Er hat sie enttäuscht.

Vor 28.000 Gläubigen Papst Benedikt XVI. am Samstagmorgen eine rund zweistündige Heilige Messe in Erfurt zelebriert, bevor er nach Freiburg aufbrach. Vor dem Gesang „Lobe den Herren“ zog die Prozession mit dem Papst vor die Altarstufen am Erfurter Domplatz. Zuvor war das Kirchenoberhaupt bei seiner Fahrt mit dem Papamobil über den Platz begeistert gefeiert worden. Auch die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, und EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt, wurden als Gäste begrüßt.

Tags zuvor bereits hatte Benedikt XVI. zusammen mit Luthers Nachkommen eine Andacht gefeiert. Zuvor hatten der Papst und eine Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine halbe Stunde lang miteinander gesprochen, auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes wurde der ökumenischen Begegnung mehr Zeit im Reiseprogramm eingeräumt. Bei der Begegnung würdigte Benedikt den Mönch Luther als tiefgläubigen Menschen. Doch dann, bei der gemeinsamen Andacht, erteilte er den Evangelischen eine Ohrfeige.

Was hat der Papst gesagt?

Die gemeinsame Andacht von Papst und Evangelischen ist weit fortgeschritten, der Papst ist fast zu Ende mit seiner Rede. Da spricht er das „ökumenische Gastgeschenk“ an, das „verschiedentlich“ von seinem Besuch erwartet worden sei. Er spielte damit auf die Hoffnung von evangelischer Seite an, er werde Anstöße geben, wie es in strittigen Fragen der Ökumene, etwa in der Frage des gemeinsamen Abendmahls, weitergehen könne. Ein solches Gastgeschenk zu erwarten, sei ein „politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene“, sagt der Papst. Schließlich sei er nicht als Staatsoberhaupt gekommen, es gehe im Verhältnis von evangelischer und katholischer Kirche auch nicht um Verträge, wie sie zwischen Staaten ausgehandelt würden. „Der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung unserer Vor- und Nachteile“, sagt Benedikt. „Ein selbst gemachter Glaube ist wertlos. Nicht durch Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern nur durch ein tieferes Hineindenken und Hineinleben in den Glauben wächst die Einheit.“ Damit erteilte er vielen Wünschen auf evangelischer Seite eine Absage. Mit ihm als Papst wird es in naher Zukunft wohl keine konkret fassbaren Fortschritte in der Ökumene geben.

Dabei hatte der Vormittag hoffnungsvoll begonnen. Bei der 30-minütigen Begegnung im Kapitelsaal würdigte der Papst Martin Luther als Mönch, als gläubigen, Gott suchenden Menschen. Zur Freude der Evangelischen erinnerte er an die „großen ökumenischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte“, in denen die Gemeinsamkeiten in den Blick gekommen seien und nicht mehr das Trennende. Weitere Fortschritte könnten nur gelingen, wenn man sich gegenseitig helfe, „tiefer und lebendiger zu glauben“, resümierte der Pontifex. Darüber hinaus hätten die beiden Kirchen viele gemeinsame Aufgaben, etwa in der Entwicklungs- und Sozialpolitik, beim Schutz des menschlichen Lebens am Anfang und am Ende, beim Kampf gegen die Säkularisierung.

Wie haben die Vertreter der evangelischen Kirche reagiert?

Auch Nikolaus Schneider, EKD-Ratspräsident, und Katrin Göring-Eckardt, Präses der EKD-Synode, haben die gewachsenen Gemeinsamkeiten zwischen den Kirchen betont. Darüber hinaus haben sie sehr vorsichtig ihre Hoffnung und Sehnsucht auf weitere Annäherung zum Ausdruck gebracht – ohne Benedikt XVI. zu drängen. In den vergangenen Jahren hatte die evangelische Seite gerne von einer „Ökumene der Profile“ gesprochen. Schneider sprach am Freitag von einer „Ökumene der Gaben“, in der sich die unterschiedlichen „Charismen“ der beiden Kirchen „ergänzen und einander erhellen“. Er warb dafür, in Luther nicht den Kirchenspalter zu sehen, sondern ein „Scharnier“ zwischen beiden Religionen. Göring-Eckardt begrüßte den „lieben Bruder Papst Benedikt“ und beschrieb Luther als Suchenden, der aufgebrochen ist, weil er „Macht ohne Liebe, Glaube ohne Freiheit, Angst ohne Ausweg“ hinter sich lassen wollte. Er habe eine Freiheit gefunden, die in Gott wurzelt und auch dem Papst nicht fremd sei. Deshalb sei sie zuversichtlich, dass die beiden Kirchen „zum richtigen Zeitpunkt“ gemeinsam und füreinander den Tisch decken werden, sagte Göring-Eckardt in Anspielung auf ein gemeinsames Abendmahl, das heute noch nicht möglich ist.

Die abweisende Rede des Papstes über das „ökumenische Gastgeschenk“ verstanden Vertreter der evangelischen Kirche hinter vorgehaltener Hand durchaus als „Ohrfeige“ und manche machten aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl. „Ja und Nein“, antwortete Nikolaus Schneider auf die Frage, ob er über das Treffen mit dem Papst zufrieden sei. „Ja, weil wir sehr ernsthaft, tief und geschwisterlich miteinander gesprochen und erlebt haben, dass wir eine Kirche sind.“ Allerdings blieben wichtige Fragen ungeklärt. Nach Jahrhunderten erbitterter Feindschaft stehe die „freundschaftliche Ökumene“ eben erst am Anfang.

Was hat das Verhältnis zwischen evangelischer und katholischer Kirche in den vergangenen Jahren geprägt?

Nach Jahrhunderten voller Hass brachte das II. Vatikanische Konzil in den 60er Jahren den Durchbruch. Damals hat die katholische Kirche beschlossen, nach der Einheit mit der evangelischen Kirche zu suchen. 1980 gab außerdem Johannes Paul II. bei seinem ersten Deutschlandbesuch den Anstoß, das Gespräch weiter zu vertiefen. 1999 veröffentlichten die beiden Kirchen eine gemeinsame Rechtfertigungslehre, in der sie bekräftigten, dass dem Menschen Heil allein aus Gottes Gnade zuteil wird, unabhängig davon, was er auf Erden erreicht hat.

Doch dann veröffentlichte die römische Glaubenskongregation unter Vorsitz von Joseph Ratzinger das Dokument „Dominus Jesus“, in dem der evangelischen Kirche abgesprochen wurde, Kirche im vollen Sinn zu sein. Sie sei lediglich eine „kirchliche Gemeinschaft“. Die Protestanten grenzten sich daraufhin ihrerseits von der katholischen Kirche ab. Die Protestanten erkennen den Papst nicht als Stellvertreter Christi an, haben ein anderes Verständnis des Bischofs- und Pfarramtes und messen auch zum Beispiel dem Abendmahl eine andere Bedeutung bei, als es die Katholiken tun.

Claudia Keller

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