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Schauspielerin und Autorin Anna Brüggemann.
© Jens Kalaene/dpa

„Trennungsroman“ von Anna Brüggemann: Paar ohne Eigenschaften

Mit ihrem „Trennungsroman“ feiert die Schauspielerin Anna Brüggemann ihr Debüt als Autorin. Der Roman seziert das biedere Berliner Bildungsbürgertum.

Eva und Thomas trennen sich auf Seite 236. Eva nimmt ihre Tasche und geht. Thomas tut wieder nichts so richtig. Acht Jahre waren sie ein Paar. Dann fällt Eva das kleine Alustück der weggeworfenen Kondomverpackung im Badezimmermülleimer auf. Und das frisch bezogene Bett. Daraufhin ist Schluss.

Fortan gehen die beiden getrennte Wege, versuchen jeweils auf ihre Art zu verkraften, dass der erste große Lebensentwurf gescheitert ist, bevor er richtig begonnen hat. Thomas stürzt sich in eine Beziehung mit seiner Kollegin Rose. Eva leidet und arbeitet viel.

Die Rollenverteilung in Anna Brüggemanns Debüt „Trennungsroman“ steckt voller Klischees: die entschlossene Frau, der zögernde Mann. Eva ist die überengagierte Freundin, Thomas das übergroße Kind. Ein Riesenbaby, das nicht so richtig erwachsen werden will. Stets reagierend, nie initiierend. Ohne Antennen dafür, wie sehr Eva unter seiner Lethargie leidet.

Anna Brüggemann seziert eine Paarbeziehung, deren Bruch und die Zeit danach. Aus der Mikroperspektive beschreibt sie jedes noch so kleine Gefühl. Kein Gedanke bleibt ausgespart oder den Leser:innen selbst überlassen. Anders als beispielsweise in Leif Randts Roman „Allegro Pastell“, der im weitesten Sinne auch ein Trennungsroman ist und Anfang-30-Jährige bei ihrer ersten ernst zunehmenden Sinnkrise begleitet, stehen Handlungen und Statussymbole bei Brüggemann selten für etwas Größeres.

Wenn Randts männliche Hauptfigur Jerome mit dem Tesla fährt und so mindestens eine gewisse Überheblichkeit gepaart mit ironisch angehauchtem Klimabewusstsein ausstrahlt, nimmt Thomas das Rennrad – ohne Subtext. Bei Eva ist es ähnlich: Obwohl sie Kulturanthropologin ist, hat sie keinen kurzen Pony, sondern „mittellange, mittelblonde“ Haare. Gegenwartsphänomene bei Brüggemann: Fehlanzeige. Es sei denn, man hält dieses bürgerliche Biedermeier für ein solches.

Die Zeit scheint wie stehen geblieben

Bisher ist Anna Brüggemann vor allem als Schauspielerin hervorgetreten. Sie ist nicht die Erste in ihrem Metier, die sich nun an einem Buch, einem Roman versucht. Schreibende Schauspieler:innen haben gerade Konjunktur, von Franka Potente über Andrea Sawatzki oder Matthias Brandt bis hin zu Edgar Selge, der in diesem Herbst einen Kindheitsroman veröffentlicht. Mit ihrem Bruder Dietrich, der zuletzt als Mit-Initiator der #allesdichtmachen-Aktion in der Kritik stand, hatte Anna Brüggemann allerdings schon früher Drehbücher verfasst.

Darunter das zu der Komödie „3 Zimmer/Küche/Bad“ aus dem Jahr 2012. Diese handelt von einem dem „Trennungsroman“ ähnlichen Freundeskreis . Es wird in diesem Film viel umgezogen, gestritten und betrogen. Wobei die darauffolgenden Trennungen nicht ganz so schwermütig wirken wie die von Eva und Thomas.

Dafür scheint seit „3 Zimmer/Küche/Bad“ die Zeit stehen geblieben zu sein. Zwar wird im „Trennungsroman“ ab und zu mal eine SMS geschrieben, aber die Handlung ist erstaunlich analog. Das Paar und seine Freunde rümpfen beim Gedanken an Dating-Apps noch die Nase. Thomas lernt seine Affäre nicht bei Tinder kennen, sondern bei seiner Arbeit im Krankenhaus, und Eva findet nach dem Ende der Beziehung schnell eine Dachgeschosswohnung am Rand des Tempelhofer Felds.

Ihre Konflikte sind belanglos

Und weiter im bildungsbürgerlichen Biedermeier: Eva liest gerne „eine dicke Wochenendzeitung“, die sie jeden Donnerstag vom Kiosk holt, ihre Mutter ist eine bekannte Journalistin. Beide haben Uniabschlüsse, sichere Jobs, keine Geldsorgen. Außerdem will Thomas Vater eine 4-Zimmer-Eigentumswohnung in Schmargendorf spendieren.

Ihre Konflikte dagegen sind bodenständig oder belanglos. Der Sex ist abgedroschen, Thomas hat vergessen einzukaufen, und bei einem Badeausflug an den Plötzensee ist es eigentlich viel zu kalt, um sich romantisch zu fühlen.

[Anna Brüggemann: Trennungsroman. Ullstein Verlag, Berlin 2021. 416 Seiten, 20 €.]

Brüggemann selbst ist 40 Jahre alt. Sie hat die Lebensphase hinter sich, in der alles vor einer Abzweigung zu stehen scheint: Kinder, Ehe etc. – oder gibt es doch noch jemanden, mit dem man mehr Spaß haben könnte, der einen unkonventionelleren Alltag verspricht? Und warum unbedingt im Doppelpack? Ist man allein nicht viel freier? Weniger allein?

Die politische Dimension bleibt unkommentiert

Eva könnte stereotypisch für eine Generation junger Frauen herhalten, die schon mit Anfang 20 wissen, dass Karriere und Kinder schwer zu vereinbaren sind, die ahnen, dass am Ende noch die Küche lauert und sie es sein werden, die den Großteil der Carearbeit erledigen müssen – trotz aufmunternder Ankündigungen von ihren vermeintlich woken Lebenspartnern. Das aber thematisiert sie nicht.

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Stattdessen bewegt Eva sich geradewegs auf die Frühverspießerung zu. Auf dem Weg zum vermeintlichen Ziel, dem ersten Kind und ultimativen Familienglück mit Thomas, wird sie immer angespannter, verhärmter, nervöser. Thomas hinkt stets zwei Schritte hinterher. Auch auf ihm lastet die Erwartung, als Arzt im Krankenhaus zu performen, seine Eltern zufriedenzustellen. Eine „biologische Uhr“ hat er aber nicht.

Der Konflikt, den Brüggemann beschreibt, hat durchaus eine politische Dimension. Doch die bleibt weitgehend unkommentiert. Stattdessen kreist die Handlung stetig um die eigene Achse, zeichnet die profanen, allzu bekannten Unannehmlichkeiten des Alltags nach – und verharrt darin.

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