Klagenfurter Wettlesen 2.0: ORF plant einen digitalen Bachmannpreis
Nach Absage und einem Offenen Brief der Jury: Der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb findet jetzt doch statt - als rein digitale Ausgabe.
Es war Montagabend, kurz nach 21 Uhr, als auf dem Twitter-Account des Bachmannwettbewerbs geradezu euphorisiert „wunderbare Nachrichten in schwierigen Zeiten“ mitgeteilt wurden.
Der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2020, der 44. seiner Art, der vom 17. -21. Juni stattfinden sollte und wegen der Coronaviruspandemie vergangene Woche wie alle große oder kleine Kulturveranstaltungen abgesagt worden war, geht nun doch über die Bühne, digital: „Unter dem Arbeitstitel ,Bachmannpreis digital’“, hieß es also bei Twitter, „wird eine Arbeitsgruppe des @ORF in den nächsten Tagen ein Konzept eines ,digitalen Bachmannpreises’ ausarbeiten: mit Schaltungen, digitalen Lesungen und gewohnten Preiskategorien.“
Entschieden wurde das von dem Wettbewerb live übertragenden und mitfinanzierenden ORF. Dessen Generaldirektor Alexander Wrabetz sagte, er sei einem Vorschlag der Kärntner ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard zur Durchführung einer „Spezialausgabe“ des Bachmannpreises gefolgt. „Mit vereinten Kräften werden wir in dieser herausfordernden Zeit Autorinnen und Autoren, Jurorinnen und Juroren sowie Leserinnen und Leser im digitalen Raum vereinen und einen Bachmannpreis 2.0. realisieren.“
Die Jury war "vehement" gegen die Aussetzung
Auf der Internetseite des Bachmann–Preises hieß es, man habe sich dafür entschieden „aufgrund zahlreicher Anfragen und Aufrufe, den traditionsreichen Lesewettbewerb heuer doch alternativ im Internet stattfinden zu lassen.“
Ausschlag gebend dürfte aber auch ein Offener Brief an eben jene ORF-Landesdirektorin gewesen sein, den fünf der sieben Jury-Mitglieder am Wochenende verfasst hatten, nachdem sie von der Absage informiert worden waren.
Mit Ausnahme des Vorsitzenden Hubert Winkels und der Schriftstellerin Nora Gomringer sprach sich die Jury „vehement gegen die Aussetzung der diesjährigen Tage der deutschsprachigen Literatur“ aus: „Wir möchten betonen, dass wir es als Jury gerade in der jetzigen Situation ausnehmend wichtig gefunden hätten, dass der Bewerb stattfindet. Es wäre ein Zeichen der Solidarität mit den Kulturschaffenden, aber auch mit den Kulturkonsumierenden gewesen, die alle gleichermaßen von dieser Krise betroffen sind.“
Alles via Skype?
Nicht zuletzt hat die Jury einen Großteil der Vorarbeit schon geleistet und die 18 Autoren und Autorinnen dieses Jahrgangs ausgewählt; die Namen sollten demnächst bekanntgegeben werden.
Das wird nun auch geschehen; Karin Bernhard vom ORF stellt sich vor, dass „die Autoren vielleicht über Skype lesen könnten“, verweist ansonsten aber hinsichtlich der Jury-Diskussionen auf die Verantwortlichen des Senders: „Alles muss ja auch eine übliche ORF-Qualität haben.“ Natürlich wird dieses Jahr der Charme des Analogen fehlen, die sommerliche Atmosphäre Klagenfurts, die Ausflüge zum Wörthersee.
Doch die Tage der deutschsprachigen Literatur, wie das Bachmann–Lesen auch genannt wird, sind eigentlich prädestiniert für eine rein digitale Ausgabe. Seit der Gründung 1977 wird immer wieder diskutiert, was das Fernsehen für einen Einfluss auf die Bachmannpreis-Literatur ausübt. Dazu kommt, dass inzwischen in den sozialen Medien die Lesungen noch intensiver diskutiert werden als vor Ort im Garten und im Café des ORF-Studios. Auch der Publikumspreis wird nach einer Abstimmung im Netz ausgelobt. Womöglich gibt es jetzt neue Formen der Darstellung und des Erzählens – und womöglich tut so eine digitale Erfrischung dem Ingeborg-Bachmann-Preis gar richtig gut.
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