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Eine Szene aus den Proben. Die Geschwister Pfister in „Frau Luna“.
© Doris Spiekermann-Klaas

Hingehen: „Frau Luna“ im Tipi am Kanzleramt: Operettung geglückt

Frech, schlagfertig und emanzipiert: Paul Linckes Alt-Berliner Singspiel im Tipi am Kanzleramt. Die Vorstellung ist noch bis Ende Januar zu sehen.

Ob das sagenumwobene „Weiße Rössl“, ob der „Cabaret“-Dauerbrenner oder auch „Ein Käfig voller Narren“ – bei allen Musicals, die bisher in der Bar jeder Vernunft herausgekommen sind, hatten die Veranstalter einen großen Vorteil: Dem potenziellen Publikum waren die Stoffe durch weithin bekannte Verfilmungen bestens vertraut.

Im Fall von Paul Linckes Frau Luna lag die Sache anders. Vom größten Erfolg, den die Berliner Spielart der Operette je feiern konnte, existiert keine Filmfassung, die über Jahrzehnte regelmäßig im Fernsehen gezeigt wurde. Wer nicht zu den Stammgästen des Metropol-Theaters seligen Angedenkens gehörte, hatte also höchstens eine dumpfe Vorstellung von dem Werk: Das spielt doch irgendwie auf dem Mond und der Marsch „Das ist die Berliner Luft“ kommt darin vor, oder?

Elegante Melodien und Sinn für Details

Die preußische Posse von 1899 im großen Tipi-Zelt anzusetzen, war also ein richtiges Risiko. Doch die Rechnung ging auf, die olle Stimmungskanone zündet noch – weil das richtige Team die Chose auf die Bühne gebracht hat. Von ehrlicher Zuneigung zum Genre des unterhaltenden Musiktheaters wird diese Show getragen, die noch bis zum 29. Januar fast allabendlich im Schatten des Kanzleramtes läuft. Dirigent Johannes Roloff lässt in seinen Arrangements Linckes Melodien so elegant wie möglich klingen, das Ausstatter-Duo Heike Seidler und Friedrich Eggert kreuzt Kaiserreich-Herrlichkeit mit Anneliese-Rothenberger-Ästhetik der 60er-Jahre. Wenn Frau Luna dem Globus, der ihr Boudoir schmückt, nur einen Schubs geben muss, damit die rückseitig eingebaute Bar sichtbar wird, dann sind das so Details, die das Humorniveau der Veranstaltung verdeutlichen.

Die Frau im Mond mit Hang zu Hochprozentigem gibt Andreja Schneider großartig glamourös. Mit von der Partie sind auch ihre beiden männlichen Mitstreiter bei den Geschwistern Pfister: Tobias Bonn spielt gewohnt geschmeidig den lunaren Haushofmeister, der jüngst vom Helden- ins Charakterfach gewechselte Christoph Marti die Witwe Pusebach. Von den vielen weiteren Stars der Kabarett- und Kleinkunstszene, die im Tipi dabei sind, bleibt Anna Mateur in bester Erinnerung. Weil sie zwischen all den glitzernden Operettenfiguren als Kammerzofe mit sehr menschlichen Defiziten herumstolpert: im Berufsalltag ziemlich verpeilt, dazu hoffnungslos verliebt in Prinz Sternschnuppe.

Die viel geschmähte Stullen-Operette der Gründerzeit, das macht dieser kurzweilige Mondfahrer-Abend klar, war gar nicht so piefig, wie man immer denkt. Sondern im Gegenteil ziemlich frech, schlagfertig und erstaunlich emanzipiert. Donnerwetter, tadellos!

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