Neu im Kino: "Gambit": Öl auf Leinwand
Große Unsinnskunst: Die Fälscherkomödie „Gambit“ nach einem Drehbuch der Coen-Brüder
Selbst unter Freunden des naturbelassenen Weltkinos hat sich der Seufzer etwas abgenutzt, aber hier passt er wirklich: „Gambit“ sollte man unbedingt in der Originalversion gucken. Nicht nur wegen der unübersetzbaren Unterschiede im Sound des amerikanischen und britischen Englisch, von sich sprachlich massiv ausdrückenden kulturellen Differenzen zu schweigen. Sondern wegen Stanley Tucci. Tucci hat zwar nur eine kleine Rolle, aber das Englisch, das er mit abgelauschtem deutschen Akzent darbieten muss, ist ganz große Unsinnskunst.
Auch ein wenig üblich geworden ist es, bereits die Eröffnungscredits zu rühmen, sofern sie denn ein wenig originell geraten sind. Aber wie lässt sich das vermeiden, wenn die animierte Titelsequenz so entzückend ausfällt wie in „Gambit“! Wobei die gezeichneten Szenen dem Zuschauer ziemlich präzis ausmalen, was ihn in den folgenden 89 Minuten erwartet, weshalb Spoiler-Verächter ihren Platz im Saal besser erst im Dunkeln aufsuchen sollten. Andererseits: Was schadet das schon, wenn heute jeder schlechtere Trailer den ganzen Film erzählt?
Also, Stanley Tucci. In das erst texanische und dann Londoner Geschehen von „Gambit“ gerät der von ihm verkörperte Kölner Museumsdirektor Martin Zaidenweber, weil der reichste Mann und übelste Ego-Charakter Englands, Lionel Shahbandar, ihn als Kurator anheuern will. Sehr zum Leidwesen des seit langem unter Shahbandar verkümmernden Harry Deane, zuständig für die Echtheitsprüfung der Ankäufe seines Chefs, der seine Schätze in einem veritablen Privat-Versailles hortet, höchst originelle Alarmanlage inklusive. Rache für vieles ist da angesagt – und so heckt Deane mit einem alten Fälscherkumpel einen irren Coup aus, in dem eine kunstgeschichtlich unbedarfte Rodeo-Braut namens PJ Puznowski bald die Hauptrolle spielt.
Dass die Story an den langen Haaren von Cameron Diaz herbeigezogen ist, wer wollte es bestreiten? Aber wenn sie doch den lustigen Lockvogel so hemmungslos charmant spielt wie eigentlich alles seit „Verrückt nach Mary“! Auch dass „Gambit“ kein ganz frischer Witzboldenstreich ist, sondern nur das locker angestrickte Remake zum 1966er-„Gambit“ mit Shirley Maclaine und Michael Caine, stört den Genuss nicht weiter. Schließlich haben immerhin die CoenBrüder das Drehbuch zu Michael Hoffmans Neuverfilmung geschrieben.
Andererseits wäre die Sache, über deren turbulenten Verlauf hier nahezu eisernes Stillschweigen bewahrt sei, wohl noch ein bisschen flotter ausgefallen, wenn die Coens gleich die Regie übernommen hätten. Manches Ritardando der in den Komödientempi ein wenig unschlüssigen Handlung wäre zweifellos absichtsvoller erschienen, und manch ungelenk grobschlächtig wirkender Scherz entweder richtig grob geworden oder ganz unterblieben. Wozu übrigens keineswegs die Replik der Texanerin auf die Frage gehören soll, warum ein bestimmtes Gemälde so teuer sei: „It’s oil!“
Ja, Cameron Diaz ist als Cowgirl auf Fernreisen durchweg köstlich aufgelegt, und Alan Rickman versieht seine Rolle als kulturell reichlich mittelbemittelter Geldsack sogar mit einer Näselprise britischen Adels. Am überzeugendsten aber ist Colin Firth, Lionel Shahbandars leidender Angestellter vom Dienst. Seine Glanznummer: die still wachsende Verzweiflung, mit der er sich im Büro seines Chefs um eine Sitzgelegenheit bemüht. Da fühlt sich der Zuschauer im bequemen Kinosessel gleich doppelt wohl.
Und der Titel? Gambit heißt eine Schacheröffnungsvariante, bei der ein Spieler eine Figur opfert, um sich einen strategischen Vorteil zu sichern. Opfer allerdings braucht „Gambit“ nicht, um komisch zu sein. Hier sind alle Täter, früher oder später.
In 13 Berliner Kinos; OmU im Adria, Alhambra, Hackesche Höfe und Rollberg; OV im Cinestar SonyCenter
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