zum Hauptinhalt
Stilikone: Astrid Kirchherr beim Pressegespräch mit Arne Bellstorf.
© Philipp Guelland/dapd

Comic-Biographie: Offenbarung auf der Reeperbahn

Astrid Kirchherr spricht erstmals über Arne Bellstorfs Comic „Baby's in Black“, der ihre Liebesgeschichte mit dem fünften Beatle Stuart Sutcliffe schildert. Bis zum Jahresende ist dazu in Hamburg jetzt eine Ausstellung zu sehen.

Sie sieht immer noch aus wie früher: Die gleiche Kurzhaarfrisur, die schlanke Figur in einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schwarze Hose gehüllt. Einzig ihre blonden Haare sind sanft ergraut. „Das bin ich“, sagt Astrid Kirchherr selbstbewusst. Der Fotografin wird ein nichtunwesentlicher Einfluss auf die Beatles zugeschrieben, auf die sie Anfang der 1960er Jahre traf und die ihr Leben entscheidend geprägt haben. So hat sich die inzwischen72-Jährige am Mittwoch in Hamburg für einen ihrer seltenen öffentlichen Auftritte die Veröffentlichung des Comics „Baby's in Black- The Story of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe“ ausgesucht. In der Graphic Novel illustriert der außergewöhnlich begabte Zeichner Arne Bellstorf die Geschichte der Künstlerin Kirchherr und dem sogenannten fünften Beatle Sutcliffe - diese große Liebe, die so abrupt und tragisch im April 1962 endete. 48 Originalseiten aus dem jüngst erschienenen Comic sind ab diesem Sonnabend bis Jahresende in der Erlebniswelt Beatlemania auf der Hamburger Reeperbahn zu sehen.

„Ich kannte weder Astrid vorher noch die Beatles-Geschichte im Einzelnen“

Er wollte ursprünglich ein Buch über die Zeit in Hamburg Anfang der 1960er Jahre machen, beschreibt der Wahlhamburger Bellstorf. Bei seiner Bildrecherche sei er allerdings auf die Fotos von Kirchherr gestoßen und zwangsläufig auf deren Geschichte.„Ich kannte weder Astrid vorher noch die Beatles-Geschichte im Einzelnen oder die Liebez wischen Astrid und Stuart“, erklärt Bellstorf im Interview. Doch dieses Umfeld, mit dem sich Kirchherr und Sutcliffe einst umgaben, ließ ihn nicht mehr los.

In mehrstündigen Gesprächen erzählte Kirchherr dem Comiczeichner ihre Erlebnisse mit Sutcliffe, der1960 mit den Beatles nach Hamburg kam. So beginnt „Baby's in Black“, benannt nach einem Song der Beatles vom 1964er Album „Beatles for Sale“, im Oktober 1960, als Kirchherr ihr Modestudium abgeschlossen hat und als Assistentin für einen Fotografen arbeitet. Ihre Beziehung zu Klaus Voormann, einem jungen Grafiker, löst sich langsam auf. Voormann ist es jedoch, der sie eines Abends mit auf die Reeperbahn nimmt, um ihr seine Entdeckung zu zeigen: Fünf junge Engländer, die als The Beatles in einem Club auf der Großen Freiheit Rock'n'Roll spielen. Astrid ahnt nicht, dass dies ihr Leben verändern wird.

Stilbewusst: Arne Bellstorf beim Pressegespräch mit Astrid Kirchherr.
Stilbewusst: Arne Bellstorf beim Pressegespräch mit Astrid Kirchherr.
© Philipp Guelland/dapd

Sie sei überhaupt nicht skeptisch gewesen, als Bellstorf vor drei Jahren mit der Idee eines Comics an sie herantrat, sagt Kirchherr, deren Fotografien von den jungen Beatles weltberühmt wurden. Sie war von Anfang an überzeugt, dass der Comiczeichner „ihre Geschichte“ illustrieren werde und nicht die der Presse. Das Buch gebe in wenigen Sequenzen ihre und Stuarts Einstellung wieder, ihre Liebe und das Lebensgefühl der 1960er Jahre, sagt sie. Besonders gelungen empfindet sie, wie Bellstorf Stuarts Tod umgesetzt habe - „so sensibel,so reduziert, obwohl es so tragisch war“. Der 31-Jährige habe diesen Moment so gezeichnet, wie er gewesen sei.

„Es war dieses Einmalige, dieses nie Wiedergefundene, das mich faszinierte“

Und noch immer, ein halbes Jahrhundert danach, ist ihr Stuart ganz nah: „Es war zu allererst sein Aussehen, das mich faszinierte, seine Coolness und dann, als ich ihn kennen lernte, seine Intelligenz, sein künstlerisches Sein, die Liebe zwischen uns, dieses Einmalige, dieses nie Wiedergefundene“, beschreibt Kirchherr, die zweimal verheiratet war.

Doch Bellstorfs einfühlsamer Schwarz-Weiß-Blick erzählt nicht nur von einer tiefen Liebe, sondern auch von der Hamburger Subkultur der frühen 1960er Jahre, dem Aufeinanderprallen zweier Fronten - der Existenzialisten und der Beatkultur. Die Verschmelzung beider Kulturen sei ein Geben und Nehmen zwischen ihr und den Beatles gewesen, die Entstehung einer großen Freundschaft und das gegenseitige Wissen um die Kultur des Anderen, erklärt Kirchherr, die sofort von der Musik der Fab Four fasziniert gewesen sei, von ihrer Attitüde. Sie habe durch die Liverpooler eine andere Art von Jungseinkennen und insbesondere ihren schnodderigen und tiefsinnigen Humor schätzen gelernt.

So ist Bellstorfs Werk authentischer als der Film „Backbeat“ von 1994, für den ebenso die Liebe zwischen Astrid und Stuart als Vorlage diente. „Baby's in Black“ ist eine mit klarem Strich ruhig erzählte Geschichte aus einer anderen Zeit, von Zielen und Träumen junger Menschen, die folgerichtig mit dem Tod von Sutcliffe endet. „Das Buch trifft dieses Auf und Ab, mal Rock'n'Roll, mal Ernsthaftigkeit“, lobt Kirchherr, die neben einem Beatles-Fan nun auch ein Bellstorf-Fan ist. (dapd)

Mehr über die Ausstellung unter diesem Link, mehr über das Buch unter diesem Link, Arne Bellstorfs Strips für den Tagesspiegelstehen unter diesem Link.

Jana Werner

Zur Startseite