Manga: Odyssee durch die Endzeit
Heldinnen mit menschlichen Schwächen: Hayao Miyazakis postapokalyptisches Manga-Epos „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ wird neu aufgelegt.
Als das Werk fertig war, wollte er nicht mehr darauf angesprochen werden. Zwölf Jahre lang, von 1982 bis 1994, hatte der Autor, Zeichner und Regisseur Hayao Miyazaki an dem Manga „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ gearbeitet – und nebenher so manchen abendfüllenden Film gedreht, der zu seinem Ruf als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Animationsfilmregisseure der Welt beitragen sollte. Eine „zermürbende“ Erfahrung, wie er später in einem Interview sagte – um sogleich hinzuzufügen, dass er über die Arbeit an dem epischen Comic jetzt bitte wegen der damit verbundenen Strapazen nicht mehr sprechen wollte.
Lange war das Meisterwerk vergriffen
Jetzt wird das sieben Bände umfassende und lange vergriffene Meisterwerk neu aufgelegt: Eine gute Gelegenheit, eine der poetischsten Fantasy-Erzählungen des japanischen Comics kennen zu lernen und zu sehen, dass der Regisseur von Animationsfilmen wie „Chihiros Reise ins Zauberland“, „Das wandelnde Schloss“ oder dem kürzlich in Deutschland angelaufenen Animationsfilm „Ponyo“ nicht immer ein großes Filmstudio braucht, um seine Visionen umzusetzen: Manchmal genügt ihm ein Bleistift und ein Stapel Papier, um großartige Fantasiewelten zu erschaffen.
Die postapokalyptische Abenteuergeschichte, deren erste Kapitel auch 1984 von Miyazaki auch als Film umgesetzt wurden, spielt viele Jahrhunderte nach dem Untergang der gegenwärtigen Zivilisationen. Der Planet Erde ist vergiftet, die Menschen kämpfen in archaisch anmutenden Stämmen und Königreichen ums Überleben – gegeneinander, wie auch gegen tödliche Sporen, aggressive Insekten und andere Herausforderungen der Natur. Im Zentrum der Erzählung steht die junge Prinzessin Nausicaä, die Miyazaki einer griechischen Prinzessin aus Homers „Odyssee“ nachempfunden hat.
Die junge, eigenwillige Nausicaä verkörpert in einer fast komplett zerstörten Welt die Hoffnung – sie versucht, Mensch und Natur zu versöhnen und agiert als Mittlerin zwischen verfeindeten Stämmen. Aber manche Herausforderungen, die der kampferprobten Thronfolgerin im Laufe von mehr als 1000 Manga-Seiten begegnen, scheinen auch für sie zu groß.
Packend ist dabei weniger das Grundgerüst der Handlung, das an andere Fantasie-Erzählungen erinnert. Miyazakis große Kunst besteht in der Visualisierung seiner Geschichte. Komplex und detailverliebt bringt er Nausicaäs Welt mit feinem Strich zu Papier, vor allem die Naturzeichnungen, mit denen er die geschundene Umwelt der fernen Zukunft lebendig werden lässt, sind Panel für Panel große Kunst. Außerdem hat Miyazaki – in diesem Manga wie auch in seinem Anime-Filmen – ein glückliches Händchen dafür, seine meist weiblichen Hauptfiguren als Sympathieträgerinnen mit kleinen Schwächen und einem großen Herz aufzubauen: Bereitwillig folgt man ihnen durch jede noch so wilde erzählerische Volte und jede noch so martialische Schlacht, weil man erleben will, was sie als nächstes tun und ob sie am Schluss gegen alle Widerstände doch noch dem Guten zum Sieg verhelfen wird.
Miyazaki war von der Inspirationsfigur für seine Erzählung, der griechischen Prinzessin Nausicaä, zeitlebens in seinen Bann gezogen, schrieb er einmal. Wer sich auf die japanische Version dieser Figur einlässt, dem dürfte es ähnlich ergehen.
Hayao Miyazaki: Nausicaä aus dem Tal der Winde, je 130-160 Seiten à 12 Euro, Carlsen Manga, übersetzt von Junko Iwamoto und Jürgen Seebeck, bislang zwei von sieben Bänden der Neuauflage erschienen. Mehr unter diesem Link.
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