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Wong Kar-wai über Hongkong und China: Nur wer sich ändert

Regisseur Wong Kar-wai über Hongkong, China, Fassbinder – und die ideale Frau

Wong Karwai, „2046“ spielt in Hongkong während der Kulturrevolution, die 1966 begann. Wie haben Sie selbst diese Zeit erlebt?

Ich habe eine lebhafte Erinnerung daran. Allerdings bekam man als Kind von den Aufständen nichts mit, es war eher wie Ferien. Wir mussten nicht zur Schule gehen, und meine Eltern mussten nicht arbeiten. Ich mochte die Aufstände.

2046 ist das letzte Jahr, in dem Deng Xiao Pings Versprechen gilt, dass Hongkong sich 50 Jahre nach der Übergabe an China nicht verändert haben wird. Ist der Zug, der im Film nach 2046 fährt, eine Metapher für Hongkongs Wunsch, in einem Übergangsstadium zu bleiben?

Man kann den Film als Odyssee einer Person sehen, aber auch auf die Stadt beziehen. Deng Xiao Pings Worte können ein Segen oder ein Fluch sein. Es ist unmöglich, sich nicht zu verändern. Die Welt ändert sich, und die Menschen müssen das auch tun. Es ist ein Paradox: Man möchte etwas unverändert erhalten, aber dafür muss man es verändern.

Ihr Protagonist Chow hat sich seit „In the Mood for Love“ sehr verändert. Er ist viel direkter, fast aggressiv.

Damals war er ein Familienmensch, der hart arbeitete. Dann ging er nach Singapur ins Exil. Als er in „2046“ nach Hongkong zurückkommt, will er jemand anderes sein. Doch er ist es nicht, er tut nur so. Er hat keine Familie mehr, er wohnt im Hotel. Er glaubt nicht mehr an Zuneigung, er ist zynisch geworden. Er will sich bestrafen, aber auch schützen. Und er kommt nicht über die Frau in seiner Erinnerung hinweg. In „In the Mood for Love“ war sie real, jetzt ist sie nur noch ein Bild – ein perfektes Bild. Aber es ist unmöglich, diese ideale Frau zu finden.

Die Musik spielt in allen Ihren Filmen eine große Rolle. Diesmal haben sie mit dem deutschen Komponisten Peer Raben zusammengearbeitet, der viel für Fassbinder geschrieben hat. Wie kam es dazu?

Ich traf ihn 2000 beim Filmfest Hamburg. Ich mag Fassbinders Filme und die Musik darin, vor allem die Musik von „Lili Marlen“. Sie hat starke Signaturen, ist einerseits sehr deutsch, aber für mich klingt sie auch sehr nach Shanghai. Umgekehrt erinnert mich Gong Li an eine Fassbinder-Frau. Eine Freundschaft entstand. Da Peer Raben damals aber sehr krank war, konnte er nichts Neues komponieren, sonden lediglich etwas neu arrangieren. Also benutzte ich für einen Kurzfilm eine „Lilli-Marlen“-Version, und für „2046“ arrangierte er Stücke aus „Querelle“.

Ihr Film wurde auch in China gezeigt. Die Zensur schnitt allerdings einige der expliziteren Szenen heraus.

Ich hatte lange Diskussionen mit dem Filmbüro, das den Film sehr unterstützt hat. Noch vor zwei Jahren wäre es nicht möglich gewesen, etwas wie „2046“ überhaupt in China zu zeigen. Doch das Filmbüro fand ihn gut; es möchte mehr Werke jenseits der Ideologie fördern. Allerdings gibt es in China bisher keine Altersbegrenzung. Eltern können ihre Kinder immer mit ins Kino nehmen. Doch ein Film wie „2046“ ist für ein Kind sehr seltsam. Also nahmen wir einige Szenen heraus, und das Publikum mochte den Film. So etwas hatten sie bisher noch nicht gesehen.

Sie wollten schon einmal einen Film in China drehen, „Summer in Bejing“. Daraus wurde nichts.

Das war 1996. Damals erschien uns Peking sehr mysteriös. Jetzt ist das anders: Der ganze futuristische Teil von „2046“ entstand in China. Überhaupt werden dort jetzt viele Hongkong-Filme koproduziert, weil es relativ billig ist, dort zu drehen und man hat eine größere Auswahl an Locations . Davon haben auch Filme wie „Hero“ oder „Tiger and Dragon“ profitiert. Man sieht, China ändert sich doch – lange vor 2046.

Das Gespräch führte Nadine Lange.

Wong Kar-wai (46) ist einer der weltweit erfolgreichsten Regisseure. Zu seinen

preisgekrönten Filmen zählen „Happy Together“ (1997) und „In the Mood for Love“ (2000).

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