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Hier wird Weltkulturerbe modernisiert.
© doris spiekermann-klaas TSP

Museumsstreit: „Nur Veränderung bringt Erfolg“

Wie geht es weiter mit Berlins Museen? Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über die Machbarkeitsstudie für die Neuordnung der Sammlungen, das Humboldtforum und den illegalen Kunsthandel.

Herr Parzinger, nach der Debatte über die Zukunft der Gemäldegalerie hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für dieses Frühjahr eine Machbarkeitsstudie versprochen. Wie ist der Stand der Dinge?

Unsere Museumsmitarbeiter und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung arbeiten intensiv an der Untersuchung der Varianten. Es geht um Kosten, Zeitaufwand, Zweckmäßigkeit und Nutzeranforderungen bei einem Neubau an der Museumsinsel für die Alten Meister und alternativ bei einem Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Auch eine dritte Option müssen wir prüfen, die Unterbringung der Klassischen Moderne einschließlich der Sammlung Pietzsch in den bestehenden Liegenschaften. Das alles ist aufwendig. Wir hoffen, dass die Studie im Sommer vorliegt. Sie wird die Grundlage für weitreichende Entscheidungen sein, wie es mit der Neuordnung der Museen weitergeht. Die Basis dafür muss verlässlich sein.

Und wer entscheidet, welche Variante dann realisiert wird?

Die Entscheidung kann nicht ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten gefällt werden. Sie ist in erster Linie abhängig von den finanziellen Mitteln, die uns das Parlament zur Verfügung stellen kann. Hierzu sind intensive Abstimmungen im Stiftungsrat wie in den parlamentarischen Gremien erforderlich. Es sollte möglichst noch in diesem Jahr eine Richtungsentscheidung geben. Das sind wir der Öffentlichkeit schuldig, und dem Sammler-Ehepaar Pietzsch.

Die warten wirklich so geduldig?

Sie wissen, dass die Realisierung Zeit braucht, aber sie wollen bald eine verbindliche Zusage. Es ist eine Schenkung in bester mäzenatischer Tradition. Sie wollen kein eigenes Museum, sondern die Integration ihrer Sammlung in eine Galerie der Moderne. Wobei die kuratorische Hoheit selbstverständlich bei der Nationalgalerie liegt. Wir freuen uns sehr, wenn mit dem Surrealismus und dem abstrakten Expressionismus jene Kunst in unsere Museen zurückkehrt, die die Nationalsozialisten aus der Sammlung gerissen und teils vernichtet haben. In der Galerie des 20. Jahrhunderts, wo immer diese dann Platz findet, wird aber auch west- und ostdeutsche Moderne nach 1945 zu sehen sein. Ein Haus, das Berlin wirklich braucht und das es so nur in Berlin geben kann.

Es geht um zehn, zwanzig Jahre Bauzeit und viele 100 Millionen Euro?

So lange dauert es hoffentlich nicht, es gibt ja Handlungsbedarf. Seien wir realistisch, es wird nicht in zwei, drei Jahren ein neues Gebäude geben. Aber wir brauchen eine baldige Lösung für die Schätze der Neuen Nationalgalerie, deren Bestände des 20. Jahrhunderts bisher immer nur in Ausschnitten zu sehen sind. Berlin kann es sich als Kulturmetropole nicht leisten, seine Kunstschätze zur Moderne in Depots zu verstecken. Über die Kosten wird die Untersuchung Auskunft geben.

Das heißt, bevor Sie in Rente gehen, wollen Sie ein neues Haus eröffnen?

Als Optimist sage ich: Mitte der 20er Jahre gehe ich in Ruhestand, vorher würde ich gerne noch ein solches Haus eröffnen. Die von der Stiftung angestrebte Lösung ist ja ein Neubau für die Alten Meister gegenüber dem Bode-Museum, damit Skulptur und Malerei dort in einen Dialog treten können, und die Umgestaltung der Gemäldegalerie für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Aber die Realisierbarkeit ist eine Kostenfrage.

In Amsterdam hat es zehn Jahre gedauert, das Rijksmuseum wiederherzurichten. Ist das Inspiration, können Sie etwas lernen von internationalen Museen?

Das Rijksmuseum steht auf meiner Reiseliste, auch dort wird ja Malerei und Bildhauerei zusammengeführt, ebenso in der Außenstelle des Louvre in Lens oder ansatzweise im Prado in Madrid. Mischung heißt ja nicht, hier drei Gemälde, da drei Skulpturen. Der Begriff der Mischung ist ohnehin missverständlich, ich mag ihn nicht. Es wird immer auch Räume geben, in denen nur das eine oder das andere Platz findet. Das Kunstempfinden soll nicht gestört, sondern bereichert werden. Aber da, wo ein Dialog weitergehende Einsichten bringt, wollen wir die Künste vereinigen. In Berlin hat man schon früh auch Skulpturen in herausragender Qualität gesammelt, deshalb gibt es hier ein besonders großes Potenzial für einen solchen Dialog der Gattungen.

So ist es auch im Humboldt-Forum mit den außereuropäischen Sammlungen geplant?

Die ethnologischen Sammlungen und etwa die asiatische Kunst werden dort nicht streng getrennt präsentiert. Der Besucher interessiert sich nicht für die Grenzen zwischen Institutionen, er will Kunst- und Kulturgeschichte verstehen. Wir wollen die Geschichten, die mit den Exponaten verbunden sind, ganzheitlich erzählen, so können wir Menschen aus allen Schichten und Generationen faszinieren, denn Museen haben auch eine gesellschaftliche Aufgabe. In der Wissenschaftsgeschichte verlief das ähnlich: Früher waren alle Disziplinen in den Kunstkammern vereint, dann trennten sie sich, heute haben wir eine noch nie dagewesene Spezialisierung. Gleichzeitig gibt es Exzellenzcluster, in denen die Disziplinen wieder zusammengeführt werden.

In den archäologischen Ausstellungen „Tell Halaf“ oder „Roads of Asia“ haben Sie dieses Prinzip bereits angewandt. Andere Kulturen sortieren ohnehin weniger, etwa zwischen Kunst und Kunsthandwerk.

Die Spezialisierung hat durchaus praktische Gründe. Je größer die Sammlungen werden, desto mehr Fachleute werden gebraucht, damit die Bestände angemessen betreut werden können. Aber der Besucher will Zusammenhänge begreifen, er will anschaulich erleben, wie Christliches und Islamisches einander inspirierten, will gemeinsame Wurzeln entdecken.

Ihr Fernziel ist die Zusammenschau der Künste bis zum 19. Jahrhundert auf der Museumsinsel und die Galerie des 20. Jahrhunderts am Kulturforum. Wieso haben Sie es versäumt, diesen Masterplan Berlin und seinen Bürgern zu erklären?

Man kann es nicht oft genug erklären und die Argumente erläutern. Am Anfang dominierte die nachvollziehbare Angst, die Alten Meister würden für lange Zeit weggesperrt, inzwischen dreht sich die Diskussion bisweilen darum, ob man für oder gegen den Umzug der Gemäldegalerie ist. Hinzu kommen weitere Standortprobleme: So sind die außereuropäischen Sammlungen in Dahlem zu abgelegen, außerdem müsste der gesamte Museumskomplex dort vollständig saniert werden. Mit der Erweiterung des Museums Berggruen haben wir den Standort Charlottenburg gestärkt – ein wunderbarer Ort! Und wenn es uns gelingt, große Teile des 20. Jahrhunderts auf dem Kulturforum zu versammeln, wird der Hamburger Bahnhof zu einem Ort der Zeitgenossenschaft, umgeben von Galerien, der Kunstszene.

Das heißt, Warhol, Rauschenberg und Beuys verschwinden dort?

Das Gros würde umziehen, aber einige Installationen, etwa von Beuys, sollten bleiben, um auch die Wurzeln des Zeitgenössischen zu veranschaulichen. Wir sprechen also über fünf Standorte: die Museumsinsel, das Humboldt-Forum, das Kulturforum, Charlottenburg und den Hamburger Bahnhof. Lauter fantastische Sammlungen in Häusern mit einem jeweils ganz eigenen architektonischen Charakter.

Müssen Sie dieses Szenario nicht noch viel mehr vermitteln? Es fehlt an Fürsprechern, gerade für das Humboldtforum. Kanzlerin und Kulturstaatsminister schweigen.

In Frankreich sagte Jacques Chirac, der das Musée du Quai Branly mit den dortigen außereuropäischen Sammlungen auf den Weg brachte: Ein Museum wie der Louvre hat langfristig keine Zukunft, wenn wir weiterhin die Kunst von 70 Prozent der Weltbevölkerung ignorieren. Es ist ein wichtiges Zeichen und wir sind dankbar, dass Bundespräsident Joachim Gauck das Humboldt-Forum unterstützt. Ich durfte ihm das Projekt einmal ausführlich erklären, wie vor einigen Jahren auch der Bundeskanzlerin. Ich gebe gerne zu: Nur mit ein paar Schlagworten kann man für die großartige Idee des Humboldt-Forums kaum Verständnis wecken.

Man muss doch nur kurz erklären, dass auch das Pergamonmuseum kein rein europäisches Museum ist. Da gibt es griechisches Erbe aus der Türkei, es gibt Kunst aus Syrien und Persien. Man muss nur sagen, dass im Humboldtforum noch der ganze tolle Rest der Welt dazukommt.

Ich bin sicher, es wird ein Riesenerfolg. Aber es ist schwer, die Menschen für ein Museum zu begeistern, in das sie noch nicht hineingehen können. Es wird völlig neue Präsentationsformen geben, die Kunst soll überraschen. Das wird sich auch auf andere Museen auswirken, vielleicht zeigen wir auch die Antike eines Tages anders. Museen haben nur Erfolg, wenn sie sich verändern – so wie das Publikum seit dem 19.Jahrhundert.

Bei den internationalen Beziehungen zwischen Museen oder in der Archäologie hat sich ebenfalls viel geändert. Stichwort Raubkunst, Rückgabeforderungen. Wie erleben Sie die Auseinandersetzungen, etwa die ewige Diskussion um Nofretete?

Die Nofretete-Frage ist klar beantwortet, die ägyptische Regierung hat nie Forderungen gestellt, sie ist rechtmäßig bei uns. Aber es stimmt, die Beziehungen haben sich verändert, man begegnet einander heute auf Augenhöhe. Gerade haben wir mit Ägypten eine Kooperation unterzeichnet. Wir unterstützen das Land bei der Ausbildung von Kuratoren und helfen bei der Realisierung eines Armana-Museums im mittelägyptischen Minya. Die Region war schon immer stärker vom Fundamentalismus geprägt. Umso wichtiger ist es, dass wir mithelfen, einen attraktiven Ort für Kulturtourismus zu schaffen, der Arbeitsplätze und Wohlstand bringen kann.

Die Türkei forderte kürzlich in scharfem Ton fünf Objekte von den Staatlichen Museen zurück und verlangte eine Entschuldigung von Ihnen. Was erwidern Sie darauf?

Ich sehe aber durchaus wieder Ansätze für eine konziliantere Zusammenarbeit. Das eigentliche Problem ist doch der illegale Antikenhandel, der im Jahr weltweit Milliarden umsetzt. In Kriegsregionen, in Irak oder Afghanistan, aber auch anderswo gibt es im großen Stil Raubgrabungen. Weil die Gesetze bei uns nicht effektiv genug sind, ist Deutschland zur Drehscheibe des illegalen Handels geworden. Das muss sich ändern. Im Herbst wollen wir eine internationale Tagung dazu veranstalten. Unsere Arbeit ist von der Überzeugung geprägt, dass die Museen zwar die juristischen Eigentümer der Kunstschätze sind und diese bewahren und pflegen. Als Weltkulturerbe gehören sie aber der gesamten Menschheit.

Das Gespräch führten Christiane Peitz und Rüdiger Schaper.

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