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Interview: „Nicolas Cage klingt doch cool, oder?“

Der Hollywoodstar, dessen Film „Ghost Rider – Spirit of Vengeance“ jetzt ins Kino kommt, benannte sich und seinen Sohn nach Comic-Helden. Im Tagesspiegel-Interview erklärt er, wieso.

Tagesspiegel: Mister Cage, wir haben Ihnen hier etwas mitgebracht.

Cage: Wow, ein Nachdruck der ersten Ausgabe von „Action Comics“.

Das erste Superman-Heft der Geschichte …

Der heilige Gral der Comicwelt.

Sie sind einer der wenigen Menschen, die in der jüngeren Vergangenheit eine der seltenen Originalausgaben dieses Heftes aus dem Jahr 1938 besessen haben.

Erinnern Sie mich nicht daran!

Sie verziehen das Gesicht.

Das ruft sehr schmerzhafte Erinnerungen wach, weil es mir gestohlen wurde, ebenso wie eine Originalausgabe von „Detective Comics“ Nummer 27, der erste Auftritt von Batman, sowie viele andere seltene Comics.

Aber ist der Einbruch nicht inzwischen zehn Jahre her?

Ja, aber das war so verstörend, dass es mich bis heute beschäftigt. Danach verkaufte ich einen Großteil meiner Comicsammlung. Ich wollte solche Werte nicht mehr in meinem Haus haben.

Wie fühlte es sich an, so ein Heft wie dieses als Original in den Händen zu haben?

Großartig. Es war das erste Mal, dass das Konzept eines bunten Superhelden auf diese Weise umgesetzt wurde. Zwei bis dahin unbekannte junge Männer erfanden diese Figur des Übermenschen und veränderten damit die Welt. Ohne dieses Heft wäre die Welt eine andere.

Inwiefern?

Es ist der Ausgangspunkt einer modernen Mythologie, an der die Menschen bis heute rund um die Welt festhalten. Schauen Sie sich an, was in den vergangenen Jahren im Kino passiert ist: All die wunderbaren Geschichten um Batman, Superman oder Spider-Man, die vor Jahrzehnten geschaffen wurden, sind in den vergangenen Jahren auf die Leinwand gebracht worden, weil man die Technologie entwickelt hatte, um die Fantasien von damals visuell ansprechend umzusetzen. Das Ergebnis sind einige der besten Unterhaltungsfilme der Gegenwart. Und dieses Heft hier vor uns auf dem Tisch war der Anfang von all dem.

Viele Comicsammler schweißen ja ihre wertvollen Hefte in Plastik ein und lesen sie nie, damit sie ihren Wert nicht verlieren. Haben Sie das auch so gemacht?

Nein, ich habe sie gelesen. Und es war wunderbar. Es geht nichts über die Erfahrung, ein altes Comicheft zu lesen. Du fühlst jede Faser des Papiers, du riechst es, du siehst die Farben. Das bringt dich zurück in jene fernen Zeiten. So ein Heft hat für mich eine magische Aura.

Woher kommt diese Wirkung von Comics?

Es ist ein Medium, das sich intuitiv erschließt. Ich habe meine ersten Comics verschlungen, als ich noch gar nicht lesen konnte. Ich habe mit ihnen Lesen gelernt. In dem Alter ist man sehr empfänglich für die Reize des Mediums – und wenn man Glück hat, bewahrt man sich die Faszination bis ins Alter. Es ist das Kind in mir, das sich angesprochen fühlt, wenn ich heute ein Comicheft in die Hand nehme.

Premiere: In diesem Heft hatte Superman 1938 seinen ersten Auftritt.
Premiere: In diesem Heft hatte Superman 1938 seinen ersten Auftritt.
© Promo

Vor einigen Wochen wurde eine fast perfekte Ausgabe von „Action Comics“ Nummer eins bei einer Auktion für 2,1 Millionen Dollar verkauft – der höchste Preis, der je für ein Comicheft bezahlt wurde. Es soll sich um das einst bei Ihnen gestohlene Heft handeln, das auf mysteriöse Wiese wieder bei Ihnen gelandet sein soll. Stimmt das?

Das ist eine der Geschichten, die am besten ein Rätsel bleiben.

Es hieß, ein Unbekannter habe den Inhalt eines Schließfaches ersteigert, in dem sich dann Ihr Superman-Heft befand, welches er anschließend versteigerte. Andere Quellen behaupten, das Heft sei Ihnen nach seinem Wiederauffinden zurückgegeben worden und Sie hätten es dann versteigert …

Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich mag das Mysterium, das diese Geschichte umgibt. So soll es auch bleiben.

Hier lesen Sie, was Nicolas Cage an "Ghost Rider" fasziniert.

Heiße Kiste: Cages Figur in einer Szene aus dem aktuellen Film.
Heiße Kiste: Cages Figur in einer Szene aus dem aktuellen Film.
© Promo

Welche Comics haben Sie zuletzt gelesen?

Ich gehe immer mal in einen Comicladen bei mir in der Nähe, um ihn zu unterstützen. Dank der Konkurrenz durch das Internet und Comics auf dem iPad werden diese Läden früher oder später aussterben. In letzter Zeit kaufe ich vor allem Hefte für meinen Sohn, der ist inzwischen sechs. Ich will, dass er mit der Erfahrung aufwächst, wie es sich anfühlt, zum Comicladen in unserem Viertel zu gehen und sich aus den Heften etwas auszusuchen. Ein Erlebnis, das mir als Kind sehr viel bedeutet hat.

Was haben Sie zuletzt zusammen gekauft?

Ich habe ihm im Comicladen „Forbidden Planet“ in Manhattan ein Green-Lantern-Buch gekauft, weil ich diese Mythologie sehr gerne mag, bei der quer durch das Universum eine Gruppe von Superhelden rekrutiert wird. Dazu „Planet Hulk“, eine ziemlich mutige Geschichte.

Ist das die, in der der grüne Monstermensch auf einen anderen Planeten gejagt wird und dann Rache an der Erdbevölkerung nehmen will?

Ja, eine irre Geschichte voller neuer Ideen und sehr bunt!

Ist das Sammeln von Comics eigentlich vergleichbar mit anderen Sammelleidenschaften?

Grundsätzlich ist es wohl bei fast jedem ernsthaften Sammler so, dass er etwas berührt, das für seine Kindheit von großer Bedeutung war. Es ist der Versuch, einen Teil seiner Jugend zurückzuholen und die Zeit zu konservieren. Aber wie gesagt: In den vergangenen Jahren habe ich es weitgehend aufgegeben, Dinge zu sammeln. Nach dem Diebstahl ist mir die Lust daran vergangen. Nur manchmal, wenn ich morgens aufwache, denke ich: Ich sammele Staub an. (lacht)

Sie haben niemals Baseball-Bälle gesammelt, wie es in den USA populär ist?

Nein, aber ich verstehe, was solche Sammler antreibt. Weil es bei mir und den Comics genauso war. Wenn man einen Baseball aus einem ganz bestimmten Spiel in seiner Sammlung hat und ihn in die Hand nimmt, dann ist man in Gedanken in jenem einzigartigen Moment auf dem Spielfeld, als der berühmte Home Run stattfand. Und wenn man, wie ich für einige Jahre, „Action Comics“ Nummer eins besitzt, dann sitz man in Gedanken mit den Superman-Erfindern Siegel und Shuster zusammen in ihrem kleinen Atelier und nimmt Teil an einem außergewöhnlichen Ereignis in der Geschichte, das die Welt verändert hat.

Diese alten Comics wie die ersten Superman-Hefte sind aus heutiger Sicht fast schon rührend harmlos und naiv im Vergleich zu düsteren, zynischen Superhelden-Comics der Gegenwart, zu denen auch die neueren Folgen von „Ghost Rider“ zählen, den Sie jetzt bereits zum zweiten Mal in einem Kinofilm spielen.

Ja, Comics sind erwachsen geworden. Und sie sind immer mehr für eine erwachsenere Lesergruppe gemacht. Wie Filme auf Papier.

Komplexer als er aussieht: Nicolas Cage findet, der Ghost Rider - hier ein Band aus dem Panini-Verlag - hat sein Potenzial noch nicht ausgereizt.
Komplexer als er aussieht: Nicolas Cage findet, der Ghost Rider - hier ein Band aus dem Panini-Verlag - hat sein Potenzial noch nicht ausgereizt.
© Panini

Sie kamen 1964 zur Welt, in Ihrer Generation galten Comics als Schundliteratur. Missfiel Ihren Eltern Ihre Leidenschaft?

Das war nie ein Problem bei uns. Ich verbrachte in meiner Jugend sehr viel Zeit mit Comics. Ich erinnere mich noch, wie ich stundenlang auf das Titelbild eines Ghost-Rider-Comics starrte und dessen Wirkung einsog. Mich sprach die düstere Gestalt mit einem brennenden Totenschädel anstelle des Kopfes unmittelbar an.

Ist das der Grund, wieso Sie jetzt zum zweiten Mal diese Figur im Kino spielen?

Ja, auch. Aber es ist auch einfach eine starke Figur, die im ersten Film noch nicht in ihrer ganzen Komplexität ausgereizt war.

Manchen Menschen dürfte sich nicht erschließen, wieso ein wandelndes Skelett, das seine Feinde mit einer glühenden Eisenkette niedermäht, so komplex sein soll.

Ist es aber. Der „Ghost Rider“ ist eine faustische Figur, die einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, dessen Folgen ihn innerlich fast zerreißen. Eine Figur, die andere Menschen verletzt hat, obwohl sie doch nur Gutes tun will. Und eine Figur, die zu Selbstironie und sarkastischem, dunklem Humor fähig ist.

Die Geschichte ist im Comic und noch mehr jetzt im aktuellen Kinofilm mit religiösen Elementen aufgeladen, es geht um den Kampf zwischen dem Teufel und den Stellvertretern Gottes auf Erden. Liegt das vielleicht auch an Ihrer katholischen Erziehung, dass Ihnen so etwas zusagt?

Schon möglich. Aber es hat auch mit einer kleinen Begebenheit zu tun, die sich vor einigen Jahren zutrug. Ich war in England auf Werbetour für den ersten Film. In London hatte ich ein Fernsehinterview, zu dem ich in meinem Ghost-Rider-Kostüm ging, also ein schwarzer, enger Lederanzug mit vielen Nieten und schwere Motorradstiefel. In der Mittagspause wollte ich mir Westminster Abbey angucken. Zufällig fand dort ein Umweltgipfel statt, bei der der Erzbischof von Canterbury sprach, dazu viele hochrangige Kirchenvertreter, die alle in ihren weißen Gewändern herumstanden. Einer erkannte mich und bat mich in den Kreis hinein. Da stand ich nun in meiner schwarzen, diabolisch aussehenden Lederkluft, umgeben von all diesen Kirchenvertretern. Und einer der Bischöfe kam zu mir und flüsterte in mein Ohr: „Ach übrigens, ich kann manchmal auch richtig unanständig sein.“

Klingt, als wollte er Sie anflirten.

Wer weiß. Aber vor allem hat dieses unwahrscheinliche Zusammentreffen von all diesen Kirchenführern und dem Ghost Ridern in meinem Kopf diesen Gedankenprozess in Gang gesetzt. Wenn wir hier alle, die Vertreter Gottes auf Erden und der Abgesandte des Teufels, zusammen in Westminster Abbey stehen und über die Zukunft der Erde diskutieren, dann wäre das doch eine schöne Idee für die Fortsetzung unseres Films. So entstand die Story, die davon handelt, dass der Ghost Rider zusammen mit der Kirche gegen die Kräfte des Bösen kämpft.

Hier erfahren Sie, wieso Nicolas Cage erst sich selbst und dann seinen Sohn nach Comic-Helden benannt hat.

Familienprojekt: Diese Comic-Erzählung, die auf Deutsch bei Panini erschienen ist, entwickelte Cage zusammen mit seinem Sohn Weston.
Familienprojekt: Diese Comic-Erzählung, die auf Deutsch bei Panini erschienen ist, entwickelte Cage zusammen mit seinem Sohn Weston.
© Promo

Einen ähnlichen Konflikt wie bei „Ghost Rider“ findet man auch in einem Comic, den Sie mit Ihrem heute 21-jährigen Sohn Weston geschaffen haben, „Voodoo Child“. Wie kamen Sie auf diese Geschichte eines Südstaaten-Zombies?

Weston und ich haben viel Zeit in New Orleans verbracht, wo solche Voodoo-Geschichten weit verbreitet sind.

Und statt wie andere Väter Baumhäuser mit ihren Söhnen zu bauen, haben Sie zusammen einen Comic entwickelt?

So ähnlich. Ich habe mir seine Ideen angehört, wir haben zusammen ein Konzept entwickelt, und dann habe ich den Kontakt zu Comic-Profis hergestellt, die die Geschichte aufs Papier gebracht haben.

Ihren jüngsten Sohn haben Sie Kal-El genannt – Supermans Geburtsname. Wird er dafür in der Schule nicht gehänselt?

Nein, es ist ja auch nicht ein so ungewöhnlicher Name. Er klingt ja eher wie Cal, also ganz normal.  Das ist für mich auch eine Wertschätzung meiner Vergangenheit. Ich bleibe meinen Wurzeln treu.

Ist sich Ihr Sohn dieses Erbes bewusst?

Ja. Wie jeden normale Sechsjährige fasziniert ihn die Welt der Superhelden. Und dazu gehört auch Superman. Auch wenn er wie gesagt in letzter Zeit mehr zu Green Lantern und dem Hulk neigt – Figuren die auch für mich als Kind sehr wichtig waren. Helden wie der Ghost Rider oder auch der Hulk waren für mich eine Art Alter Ego, sie halfen mir dabei, aufzuwachsen und meine eigene Stärke zu entwickeln. Sie sahen zwar furchterregend aus, aber sie waren zugleich gut. Ich glaube, diese Comics halfen mir dabei, meine Albträume zu kontrollieren.

An Ihrer Comicleidenschaft liegt es wohl auch, dass Sie sich einst von ihrem Geburtsnamen Coppola trennten.

Ja, meinen Nachnamen habe ich mir von dem ersten schwarzen Superhelden aus den 1970er Jahren geliehen, Luke Cage.

Wie es heißt, wollten Sie zu Beginn Ihrer Schauspielkarriere den Eindruck vermeiden, als Neffe von Francis Ford Coppola so einen berühmten Namen als Eintrittskarte zu benutzen.

Ja, und ich fand, Cage klang einfach stark.

Wir haben hier ein paar alte Luke-Cage-Comics für Sie mitgebracht.

Wow, danke. Aber ob Sie es glauben oder nicht: Dieses Comics kannte ich damals kaum. Ich suchte einfach nach etwas, das einfach und einzigartig klang. Und Nicolas Cage klingt doch cool, oder?

Das Interview führte Lars von Törne.

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