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Stein gewordene Tristesse: Das Kulturforum lädt zur Durchreise ein.
© Maurizio Gambarini/dpa

Neugestaltung des Kulturforums: Nicht noch ein Museum!

Was am Kulturforum fehlt, ist nicht ein weiteres Museum, sondern Wohnhäuser und Gastronomie, meint unser Autor.

Hand aufs Herz: Wer von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, der sich in den letzten Monaten oder Jahren, vom Potsdamer Platz kommend, zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Auto Richtung Landwehrkanal bewegte, hatte das erhebende Gefühl, auf einem Terrain unterwegs zu sein, das mit dem Begriff „Kulturforum“ richtig beschrieben wäre? Entweder hat man hier ein Ziel, die Staatsbibliothek oder die Nationalgalerie, am Abend die Philharmonie oder den Kammermusiksaal – aus Gründen der Gerechtigkeit seien auch noch Gemäldegalerie und Kunstgewerbemuseum erwähnt – oder man ist auf der Durchreise.

Der Vorschlag für das Kulturforum von Gerkan, Marg und Partner hat ein paar Schönheitsfehler

Den hochtrabenden Begriff Kulturforum mit Inhalt zu füllen, ist auch (aber eben nur „auch“) der Sinn eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs, bei dem es um den Bau eines Museums der Moderne geht. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ihrer Hauptstadt gegenüber in Sachen Kultur unglaublich generös, haben dafür 200 Millionen Euro bereitgestellt. Dass die Parlamentarier davon überzeugt sind, dieses Geld gut anzulegen, haben wir auch (und vielleicht sogar mehr als „auch“) Monika Grütters zu verdanken, der Staatsministerin für Kultur. Seitdem dürfen sie schwärmen, die Architekten und auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. Der hofft, nun würde dem Kulturforum endlich eine Seele gegeben. Monika Grütters selbst nennt es einen Sehnsuchtsort. Die Hamburger Architektengemeinschaft Gerkan, Marg und Partner konzipiert in einem unaufgefordert vorgelegten Entwurf schon mal einen anmutigen „Lustgarten der Moderne“, der unter dem lustmindernden Fehler leidet, die Potsdamer Straße unter die Erde zu verlegen, ohne die Frage zu beantworten, wie der breite Fahrweg denn nun den Landwehrkanal unter- oder überwindet.

In dieses Feuerwerk von Ideen und Phantasien hinein rufen uns drei Frauen vom Fach im übertragenen Sinne zur Ordnung, indem sie aus großem Respekt vor der städtebaulichen Aufgabe die Stärken und Schwächen des Ortes analysieren und sagen, was eigentlich geschehen sollte. Die beiden renommierten Architektinnen Regine Leibinger und Gesine Weinmiller haben sich mit Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek und ebenfalls ausgebildete Architektin, auf dem Platz umgeschaut. Ihre Eindrücke kann man im SPK-Magazin, der regelmäßigen Publikation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nachlesen.

Ein weiteres Museum auf dem Kulturforum allein wäre nichts als noch eine einsame Diva

Gesine Weinmiller schildert die Aufgabe, vor der jeder Teilnehmer an dem städtebaulichen Wettbewerb steht, so: Die vorhandenen Bauten sind wie mehrere Elefanten, die auf einer großen leeren Wiese liegen, Ikonen der Architektur, wie Primadonnen auf engstem Raum nebeneinander. Wer den Begriff aus der Welt der Oper kennt, weiß, dass Primadonnen auf sich selbst bezogen sind. Das fühlt jeder, der auf diesem Platz steht. Allenfalls bei Staatsbibliothek und Philharmonie ist eine Bezogenheit aufeinander erkennbar, stammen sie doch aus dem gleichen Entwurfshaus. Regine Leibinger wie Barbara Schneider-Kempf bedauern, dass es kein einigendes Band gibt – das voneinander Abgeneigte zeigt sich bis heute, erkennt Regine Leibinger am Beispiel: An der Nationalgalerie steht groß ZU, aber nicht „Dahinter ist offen“ unter Bezug auf die Gemäldegalerie.

Alle drei bedauern, dass die autobahnähnliche Trasse auch im neuen Wettbewerb nicht auf Normalmaß gestutzt werden darf. Schließlich sind Potsdamer und Leipziger Straße doch, beklagt Gesine Weinmiller die heutige Situation, bis zum Kulturforum ganz normale Straßen, die sich dann – sinnlos – auffächern.

Mit ehrlichem Zweifel am weit gespannten Oberbegriff „Kulturforum“ und mit Bedauern registriert die Direktorin der Staatsbibliothek, dass auch das innere Band der Verknüpfung der drei Institutionen fehlt – es sei ja nicht so, dass man morgens in der Stabi Jura paukt, am Nachmittag in die Nationalgalerie und am Abend ins Konzert geht. Und fügt hinzu: Einmal habe sie es fast erlebt.

Was die drei Architektinnen daraus schließen: Hier muss mehr gebaut werden als ein weiteres Museum. Früher standen um die Matthäikirche ja auch Wohnhäuser. Gastronomie fehlt, Leben tagsüber, Kultur und Wohnen verknüpfend. Ein weiterer Elefant werde das Problem nicht lösen, öffentliche Kolloquien vor der eigentlichen Ausschreibung des Wettbewerbs wären daher wichtig. Das findet übrigens auch die Architektenkammer. Man muss den Horizont eben weiten – wenn nicht in der Kultur, wo sonst?

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