Kultur: Neu ist langweilig
Galerist Anselm Dreher blickt auf seine Jahre mit dem Künstler Heimo Zobernig zurück.
Der Dauerredefluss im Hintergrund scheint den Mann auf dem Monitor kaum zu beeindrucken. Freundlich, ein wenig stoisch sitzt er vor der Bluebox in einer einzigen Kameraeinstellung. Ein tableau vivant in der Galerie Anselm Dreher. Es zeigt Heimo Zobernig, der schweigt und dem Interviewer lauscht, der aus dem Off die Fragen gleich mitbeantwortet.
Aufgezeichnet wurde das Video für das Wiener museum in progress, das seit 1992 rund 80 Künstler-Interviews initiiert hat. Doch während Kollegen wie Jeff Koons, Elke Krystufek oder Georg Herold brav Rede und Antwort stehen, hat Zobernig das Gespräch über Künstler und Kunstbetrieb zum gesammelten Schweigen geschnitten. Auch ein Kommentar. In der lakonischen Ironie typisch für den 1958 in Kärnten Geborenen, und nach wie vor aktuell. Wirkt es doch wie ein launiges Statement zur Medienwelt. Man wünscht sich Günther Jauch & Co. nur eine Talkshow lang so besonnen.
1992 begann auch die Zusammenarbeit Anselm Drehers mit dem österreichischen Konzeptkünstler. Auf der Art Cologne setzte der seinen Galeristen vor zwanzig Jahren in eine leere Messekoje. Schon angesichts der Quadratmeterpreise ein kühnes Unterfangen. Und für die anderen Galeristen ein Affront. Auf einem kleinen Schild der Titel der Installation „A1 D1“, ansonsten weiße Wände, zwei Regale, Tisch und Stühle. „Mehr ist nicht mehr zu sagen in der Kunst“, heißt es in dem eingangs erwähnten Video. Dass der Interviewpartner ausgerechnet Robert Fleck war, der als Leiter der Bundeskunsthalle gerade über zu viel Marktaffinität stolpert, mag Zufall sein, unterstreicht Zobernigs Aktualität aber einmal mehr.
Mittlerweile gehören künstlerisch gestaltete Messekojen zum guten Ton, werden für die Kreativsten Preise ausgelobt. Zobernigs Prototyp befindet sich heute in der Daimler-Sammlung, eine andere Koje, die 2006 für Drehers Teilnahme am Art Forum in Berlin entstand, ist in der Ausstellung zu sehen. Das Modell im Maßstab 1:20 und die originalen Teile als Raumintervention. Die Stehtische laden zur Kommunikation oder zum Lesen in Katalogen ein, an der Wand formiert sich der in Halb- und Viertelkreise zerlegte Tresen zum skulpturalen Objekt. Kunst auf die Spitze der Pressspanplatte getrieben, flankiert von vier Ready Mades aus Trevira CS. Den Stoff, der im Film zur Bildfreistellung eingesetzt wird, macht Zobernig zum monochromen Bild, das als Block aufgereiht, die traditionellen Bluescreen-Töne mit Video-Rot und dem grellen Grün der Digitaltechnik überlagert.
In der einen oder anderen Form war das alles schon zu sehen. In früheren Ausstellungen, auf Messen oder der art berlin contemporary von 2011. Doch gelingen Dreher immer wieder neue Bezüge und Sinnzusammenhänge. Wie heißt es bei Vilém Flusser: „Die Veränderung als solche ist gewöhnlich, redundant, der ,Fortschritt’ uninformativ, ordinär geworden.“ So ist das vergnügliche Recycling auch Strategie gegen den Zwang zur permanenten Erneuerung.Michaela Nolte
Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Str. 80; bis 27.7. Di–Fr 14–18 Uhr.
Michaela Nolte
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