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Natascha Wodin
© Susanne Schleyer

Die Schriftstellerin Natascha Wodin wird 70: Nachtseiten des Lebens

Geboren als Zwangsarbeiterkind in Fürth, zu Hause in Berlin: Ein Leben lang sucht Natascha Wodin ihre Heimat - in der Literatur. Am heutigen 8. Dezember feiert sie ihren 70. Geburtstag.

Heimat ist, wo man herkommt. Sagt man. Was aber, wenn man auf der Flucht oder im Krieg oder sonst zwischen Welten geboren wird: Ist Heimat dann vielleicht, wo man hingeht?

Seit den frühen Neunzigern lebt Natascha Wodin, geboren in Fürth als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter und aufgewachsen in Lagern für „displaced persons“, in Berlin, in Prenzlauer Berg. Hergezogen in diese sich so fundamental verwandelnde Gegend ist sie in der Zeit ihrer schmerzhaften, stürmischen Liebe und Ehe zu dem Dichter Wolfgang Hilbig, den es aus der DDR in eine ortlose Zukunft verschlagen hatte. Fast verstummt war sie, selber Schriftstellerin, an seiner Nachtseite; spätestens mit der Trennung aber und seinem Tod 2007 lernte sie, Wohnung ganz in sich selbst zu nehmen.

Alle Romane kreisen um fragile Ich-Heldinnen

Sechs Romane hat Natascha Wodin bislang geschrieben; fast alle kreisen um fragile Ich-Heldinnen, die es hin und her schleudert zwischen Ländern und Lieben und Lebensentwürfen. Von dem schrecklich geduckten Kind in „Einmal lebt ich“, das früh seine Mutter verliert, über die Dolmetscherin in der „Gläsernen Stadt“, die mit der Liebe zu einem wesentlich älteren Moskauer Großschriftsteller verzweifelt auch ihre eigenen russischen Wurzeln wiederzufinden sucht, bis zur älteren Frau in ihrer neuesten Veröffentlichung „Alter, fremdes Land“, die unerschrocken übers Internet Sexbekanntschaften macht – immer spricht aus Natascha Wodin eine leidenschaftliche Stimme, leidenschaftlich an jeder Faser Leben hängend, und sei sie noch so lebensgefährlich dünn.

Die „Russenlusch“ war sie für ihre kindlichen Spielkameraden, die Mutter zerbrach an der Fremde, der gewalttätige Vater steckte die Tochter ins Internat: Fremdheit, Außenseitertum, Verluste prägen diese Biografie, deren Elemente die Schriftstellerin als Steinbruch benutzt und in Literatur verwandelt. Derzeit erforscht Natascha Wodin, die an diesem Dienstag ihren 70. Geburtstag feiert, für ein neues Buch die Geschichte ihrer Vorfahren. Heimat ist die Welt, der man sich entgegenschreibt.

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