Kultur: Mutprobe
Panahis „Video-Tagebuch“ endlich auch in Berlin
Wie dreht man einen Film, wenn man nicht filmen darf? Der iranische Regisseur Jafar Panahi, der im Dezember 2010 gemeinsam mit seinem Kollegen Mohamed Rasoulof zu sechs Jahren Haft sowie 20 Jahren Berufs- und Reiseverbot verurteilt worden war, bat einen Freund, die Kamera auf ihn zu richten. Das Ergebnis heißt „This is Not a Film“, mit Mojtaba Mirtahmasb als Kameramann und Ko-Regisseur: eine schwarze Tragikomödie gegen die Zensur, 72 zum Weinen komische, dramatische Minuten, gedreht in der eigenen Wohnung im Hochhaus in Teheran. Das Video-Tagebuch wurde auf einem USB-Stick nach Cannes geschmuggelt; mittlerweile war es auf zahlreichen Festivals und in Frankreich regulär im Kino zu sehen. Am 9. November läuft „This is Not a Film“ in einer von der Berlinale, der Deutschen Filmakademie und Radio Eins organisierten Veranstaltung in der Kulturbrauerei.
Dies ist kein Film, aber was für einer. Panahi frühstückt, feilscht am Telefon mit seiner Anwältin um die Wahrscheinlichkeit einer reduzierten Haftzeit, füttert das Haustier der Panahis, die Echse Igi. Er zeigt einen Ausschnitt aus seinem ersten Film „Der Spiegel“, in dem die Hauptdarstellerin, ein kleines Mädchen, nicht mehr mitspielen will. Er spielt Szenen aus einem seiner von den Behörden abgelehnten Drehbücher vor, es geht um eine junge Frau, der die Familie das Studium in Teheran verbietet und die zu Hause eingesperrt wird. Panahi, der unter Hausarrest steht, markiert mit Klebestreifen in seinem Wohnzimmer das imaginäre Gefängnis einer imaginären Filmheldin. Zwei, drei Quadratmeter Iran: Panahi übernimmt den Part der jungen Frau, bis auch er plötzlich nicht mehr mitspielt und abbricht. „Wenn man einen Film erzählen kann, warum soll man ihn dann noch drehen?“ Selbst das Aufbegehren gegen die so drastisch gesetzten Grenzen stellt die eigene Arbeit existenziell infrage.
Aber dann macht er weiter. Ein-Mann-Theater gegen die Zensur: Er filmt mit dem Smartphone, fährt mit dem Fahrstuhl, in dem der Hausmeister gerade den Müll einsammelt. So rüttelt er am Berufsverbot. Die Berliner Vorführung hat einen traurigen Anlass. Panahis und Rasoulofs Revision wurde im Oktober abgewiesen. Zwar sitzen sie noch nicht hinter Gittern, aber bereits im September waren Mirtahmasb und weitere Filmschaffende inhaftiert worden.
Künstler und Intellektuelle sind in der Gemengelage zwischen Hardlinern und liberaleren Kräften innerhalb von Ahmadinedschads Regime erneut Schikanen ausgesetzt. Wieder werden Exempel statuiert. „This is Not a Film“ ist mehr als ein Appell zur Solidarität: ein gewitzter, zutiefst humaner, bewegender Film über die Kunst, sich das Filmemachen nicht verbieten zu lassen. Christiane Peitz
9. 11., 20.30 Uhr, Kino in der Kulturbrauerei. In Anwesenheit von Dieter Kosslick, Dokumentarfilmer Ali Samadi Ahadi und Fred Breinersdorfer, Projektleiter von „Filmmakers in Prison“
Christiane Peitz
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