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3 frauen
© Amir Abedi

Rezension: Mut zur Tücke

Die iranische Filmemacherin Manijeh Hekmat und ihr Panorama-Beitrag "3 Frauen".

Es ist zuviel, einfach zuviel. Verkehrschaos in Teheran, ständig klingelt das Handy, die Tochter ist verschwunden, die senile Mutter auf dem Beifahrersitz muss endlich zum Arzt. Minou, die 40-jährige Heldin von Manijeh Hekmats Spielfilm „3 zan“ („3 Frauen“), ist eine erprobte Multitaskerin, aber heute wächst ihr alles über den Kopf. Mitten im Stau versucht die Teppich-Expertin zu verhindern, dass ein wertvoller Läufer ins Ausland verschachert wird, fahndet gleichzeitig nach der Tochter, schließt die stoisch vor sich hinstarrende Mutter im Truck ein und entführt den kostbaren Teppich, ein Kulturgut, das ins Museum gehört. Aber irgendwann sind alle weg: die Tochter, die Mutter, der Teppich, es ist einfach zuviel.

Drei Frauen, drei Suchbewegungen. Es ist Manijeh Hekmats zweiter Film über Frauen im Iran; ihren ersten, „Women’s Prison“ (2002), drehte sie in einem Teheraner Frauengefängnis. Jetzt sitzt die Regisseurin im Berliner Café, Lederjacke, Halstuch, hellwacher Blick, eine Kämpferin. Die 45-Jährige ist die Mutter Courage des unabhängigen iranischen Kinos, ihre Unerschrockenheit flößt einem auf der Stelle Respekt ein. Seit 27 Jahren arbeitet sie im Filmgeschäft, seit zehn Jahren produziert sie selbst. Das ist ihr Job, sagt sie. Aber ihre Passion sei die Regie.

Ebenso leidenschaftlich trotzt Manijeh Hekmat der Zensur und hat mit dem Ministerium schon viele Fehden ausgetragen. Bei ihrem Gefängnisfilm wandte sie die Zermürbungstaktik an und erwirkte nach 42 Meetings in drei Monaten eine Dreherlaubnis am Originalschauplatz. Als auch das Script von „3 Frauen“ abgelehnt wurde, versuchte sie es mit sanfter Erpressung: In Zeitungen und im Internet kündigte sie an, sie werde vor den Toren der Behörde Zigaretten verkaufen und jedem erzählen, sie tue das, weil man ihr das Filmemachen verboten habe. Worauf ihr Film schnell genehmigt wurde.

Ein gefährliches Spiel? Nein, sagt Manijeh Hekmat, sie kenne die Probleme, die Spielregeln und Tricks. Im übrigen gehe es dabei nicht um ihr Ego. „Mir liegen die Menschen am Herzen, die Iraner, die Frauen. Deshalb drehe ich Filme über soziale Themen.“

Die Willkür der Behörden hat ihre Vorteile. „Wenn der Chef wechselt, wechselt der Filmgeschmack und es gibt neue Regeln.“ Was eben noch verboten war, ist plötzlich erlaubt. „Die Regierung hat jahrelange Erfahrung darin, uns zu schikanieren. Aber wir haben genauso viel Erfahrung darin, unsere Filme dennoch zu drehen.“ Auch die mobile digitale Technik erleichtert vieles. Über 200 freischaffende Produzenten arbeiten im Iran, es gibt rund 100 unabhängige Firmen. Und die Finanzierung? Wenn man nicht zu einem Filmclan wie dem der Makhmalbaf-Familie gehört, muss man neben dem geringfügigen staatlichen Zuschuss private Investoren auftreiben. Im Fall von „3 Frauen“ hatte sie das Glück, schnell einen Investor zu finden, der an den Film glaubte.

Auf dem großen Teheraner Filmfestival Fajr, das vor wenigen Tagen zu Ende ging, hat sie „3 Frauen“ nicht gezeigt. Sie schrieb zwei Briefe, die in den Zeitungen veröffentlicht wurden. In dem einen erklärt sie ihren Protest gegen die Auswahlkriterien des Festivals, das missliebige Filme wie etwa ihren Erstling nicht zeigt. Außerdem: „Ein Wettbewerb zwischen von der Regierung unterstützten und von der Regierung behinderten Filmemachern kann nicht fair sein, deshalb boykottiere ich ihn.“ In dem zweiten entschuldigte sie sich bei ihrem Team dafür, dass die Leistung der Crew und der Schauspieler auf dem Festival nicht angemessen gewürdigt werden könne.

Manijeh Hekmat wird nicht müde, die Namen all der begabten, im Ausland viel zu wenig bekannten Regiekollegen wie Dariush Mehrjouyi, Bahram Beyzaie, Rakhshan Bani-Etemad, Naser Taghvaie oder den in New York lebenden Exiliraner Amir Naderi zu nennen. Es fällt ihr schwer zu akzeptieren, dass auch auf den internationalen Festivals von Berlin, Cannes oder Venedig die etablierten Iraner in die Wettbewerbe eingeladen werden, während die anderen eher in den Nebenreihen laufen.

Dass immer mehr iranische Filme von Frauen handeln, wundert sie nicht. „Sie sind auf der Suche nach sich selbst, wehren sich gegen die Regeln der Männer und sind dennoch der Tradition verhaftet. In dieser Spannung stecken wunderbare Filmstoffe.“ Was die Zukunft ihres Landes betrifft, weigert sie sich, pessimistisch zu sein. „Die Filmemacher, die Intellektuellen, es ist ein Aufbruch in kleinen Schritten. Wir sind manchmal erschöpft, aber wir machen weiter.“

Am Ende ihres Films gönnt sich die Heldin eine Pause von ihren Alltagskämpfen. Alle drei Frauen sind ins Offene geflüchtet und tragen die Spuren der Vergangenheit mit sich: den Teppich, ein kleines, kostbares Stück Identität.

Heute 13 Uhr (Cinemaxx 7), 16. 2., 17 Uhr (International), 17.2., 17 Uhr (Cubix 9)

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