Bujazzo: Muskeln aus Blech
Das Bundesjugendjazzorchester feiert in Berlin seinen 25. Geburtstag mit Stargast Kurt Elling.
Der Jazz, oder was man der Einfachheit halber so nennt, hat seit jeher ein doppeltes Gesicht. Einerseits wohnen in ihm noch immer die Elementarkräfte des schwarzen Blues, die Wucht der Funeral Marching Bands aus New Orleans und die Strukturen des Great American Songbook. Andererseits drängt in ihm alles auf harmonische und formale Entfaltung, auf Klangfarbenzauber und die suitenartige Großform. Das gilt erst recht für seine orchestralen Spielarten. Die zeitgenössische Big Band tendiert zur europäischen Kunstmusik – wenngleich sie ihre Energien aus den Ursprüngen bezieht.
Das Bundesjugendjazzorchester, das in diesen Tagen 25 Jahre alt wird, hat das Glück, sich in beiden Welten austoben zu dürfen. Es hat diese Schizophrenie sogar institutionalisiert. Denn in Gestalt des amerikanischen Posaunisten Jiggs Whigham, der im August seinen 70. Geburtstag feierte, hat es seit 2011 ein altes Schlachtross als Leiter, das von frühen Erfahrungen mit Glenn Miller, Stan Kenton und Kurt Edelhagen bis zu späten mit seinem Vorgänger Peter Herbolzheimer ostentativ lässig profitiert.
Whigham weiß, wie man mit kompakten Bläsersätzen, swingenden Einwürfen und fettem Groove die Muskeln der blechglänzenden Maschine des Bujazzo, wie es abgekürzt heißt, spielen lassen kann. Und in Gestalt des genau halb so alten Saxofonisten Niels Klein hat es einen zweiten Chef, der auch komplexen kompositorischen Ambitionen Raum gibt und das rhythmische Herz dieses knapp 30-köpfigen Organismus, zu dem sich noch ein zwölfköpfiges Vokalensemble gesellt, auch mal asynchron schlagen lässt. Die Doppel-CD „Bujazzo 25“ (Double Moon) stellt Kleins „Next Generation“-Programm und Whighams „At The Jazz Band Ball“ einfach nebeneinander.
Wie wunderbar sich indes das eine mit dem anderen verträgt, war am Donnerstag und Freitag in den beglückenden Jubiläumskonzerten des Bujazzo zu hören. Um allerdings der Wahrheit die Ehre zu geben: So richtig in Fahrt kamen die zwischen 17 und 24 Jahre alten Musiker und Musikerinnen im kleinen Sendesaal des RBB (ein Mitschnitt soll am 26.12. gesendet werden) erst nach der Pause unter Jiggs Whigham mit raffiniert arrangierten Standards.
Da fegte und hupte Bill Holmans „Woodrow“, eine Hommage an Woody Herman und seine Big Band, durch den Raum. Man gedachte des Orchestervaters Peter Herbolzheimer mit dessen „Blues In My Shoes“. Die Altsaxofonistin Anna-Lena Schnabel schwebte durch Hoagy Carmichaels Ballade „Skylark“: erst lerchenhaft zart, dann raubvogelhaft zupackend. Und der kroatischstämmige Bariton Daniel Čačija, ein Riesentalent, erklärte mit Harold Arlen und all der ihm zur Verfügung stehenden Sanftheit: „This Time The Dream Is On Me“. Bei allem, was es im Jazz an Museum und Retro-Unsinn gibt: Dies ist die packende Gegenwart
Aber wen hervorheben? Die Tenorsaxofonisten Teresia Philipp und Marc Doffey? Die Souveränität des Kontrabassisten David Helm? Die Schlagzeuger Dominik Mahnig und Silvan Strauß? Sie alle, aus Dutzenden von Bewerbern ausgewählt, gehören in ihrer Altersklasse zu den Besten – mit einer handwerklichen Sicherheit, die vor drei, vier Generationen ausgewachsenen Profis nicht zur Verfügung stand. Es gibt kaum einen eindrucksvolleren Beweis für die Qualität der deutschen Jazzausbildung. Ihr Haken besteht nur darin, dass sie nicht auch auf die Erziehung eines jungen Publikums ausgerichtet ist, das gar nicht weiß, was ihm entgeht.
Zum Schluss vier Stücke mit dem New Yorker Stargast Kurt Elling. Er versteht sich auf das elegante Crooning genauso wie auf die Laut- und Silbensturzbäche des Scat-Gesangs. Zwischen Duke Ellingtons „I Like The Sunrise“ und Coltranes „Resolution“, dem zweiten Satz des „Love Supreme“-Zyklus, segelt er über alle Stile hinweg. Und als es bei der Zugabe zu einer kleinen Battle zwischen ihm und Daniel Čačija kommt, weiß man, wer da wen zu fürchten hat – vielleicht nicht heute, aber in zehn Jahren. Gregor Dotzauer
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