Kultur: Musik In Berlin: Neue Klangzeichen
Als Einspringer kann man viel verspielen - oder viel gewinnen. Der junge, in Berlin ausgebildete und am Bremer Theater tätige Gabriel Feltz, der für den erkrankten Mark Wigglesworth beim Deutschen Symphonie-Orchester in die Bresche gesprungen ist, hatte das Glück, das Können und somit den Erfolg auf seiner Seite.
Als Einspringer kann man viel verspielen - oder viel gewinnen. Der junge, in Berlin ausgebildete und am Bremer Theater tätige Gabriel Feltz, der für den erkrankten Mark Wigglesworth beim Deutschen Symphonie-Orchester in die Bresche gesprungen ist, hatte das Glück, das Können und somit den Erfolg auf seiner Seite.
Das von Wigglesworth komplett übernommene Programm, mit gleich zwei Haydn-Sinfonien (!), dirigierte er mit jugendlicher Schwungkraft, Eleganz und weit ausholender Gestik. Das Programm brachte fast ausschließlich Werke, von denen einst eine gehörige Signalwirkung ausging - wie von dem so knappen wie kecken sinfonischen Erstling von Joseph Haydn in D-Dur, der Kammersymphonie Nr. 1 E-Dur op. 9 B von Arnold Schönberg und den Sieben frühen Liedern von Alban Berg. Neue Klangzeichen, die in der Uraufführungszeit Aufsehen erregten, sind ihnen allen gleichsam eingebrannt.
Gabriel Feltz und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin verdeutlichten diese Klangzeichen mit einer pikant zugespitzten Klangrede und geradezu bildhaften Kontrastfreude. Nur schade, dass Schönbergs Kammersymphonie aus dem Jahr 1906 mit dem elektrisierenden Hornruf, den blitzartigen, gewittrigen Umschwüngen und Klangschauern nicht in der ursprünglichen Version für fünfzehn Solisten erklang, sondern in der von Schönberg selbst geschaffenen Fassung für großes Orchester (1935). Sie bringt allzu kräftige Stimmen- und Klangfarbenverstärkungen. Den provokanten Impetus der frühen Version decken diese oft zu. Dabei trieb Feltz die Aufführung heftig voran, bisweilen gab er sogar Schönbergs aufrührerischer Wildheit in zu expansiver Weise nach, so dass das Formgerüst auch mal leicht ins Wanken geriet. Mit suggestiver Gestaltungskraft und dem ihr eigenen Wagnerschen Pathos ging danach Nadine Secunde die Sieben frühen Lieder Alban Bergs an, wobei ihre offenbar von der winterlichen Witterung heimgesuchte Stimme ziemlich aufgerauht und damit in der Leuchtkraft beeinträchtigt wirkte. Mit der funkelnd klar und bis ins kleinste Detail delikat ausmusizierten c-Moll-Sinfonie Nr. 95 von Haydn schloss Gabriel Feltz lückenlos den fantasievoll ausgreifenden Programmbogen dieses unkonventionellen Konzertes in der Philharmonie.
Eckart Schwinger
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