Haus am Lützowplatz: Möbel mit Brustwarzen und Bauchnabel
Im Haus am Lützowplatz erkunden vier Künstlerinnen das Irrationale – von der Begierde bis zur Selbstreflexion.
Irgendetwas stimmt nicht mit diesen Schlafzimmern, Salons und Büros auf den Bildern der Fotografin Anna Lehmann-Brauns. Sie erscheinen unwirklich. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Räume nach oben offen sind, Scheinwerfer und Kameras lugen an den Rändern herein. Es sind Aufnahmen aus menschenleeren Kulissen deutscher Daily-Soaps, die jetzt in der Ausstellung „Gegen den Tag“ im Haus am Lützowplatz zu sehen sind. Die Bilder sind an sich schon zum Gruseln, denn die TV-Ausstattung ist immer künstlich und schwülstig. Aber die Berliner Fotografin, Jahrgang 1968, setzt noch eins drauf, indem sie die Szenerien dramatisch ausleuchtet. Ein pittoreskes Treppenhaus wird in ein geheimnisvolles grünes Glimmen getaucht. Eine Mansarde mit Mädchenbett in Rosa bekommt einen melancholischen grauen Schleier. All das erinnert an Ästhetik à la David Lynch. Die Sets werden zu symbolisch aufgeladenen Seelenbildern.
Man spürt noch die Wärme, die Körperlichkeit
Um das Irrationale geht es auch den drei anderen Künstlerinnen der Ausstellung. Fides Becker, geboren 1962, malt Polstermöbel im Chesterfield- Stil, eigentlich Standardmobiliar in bürgerlichen Wohnzimmern und als Motiv ungewöhnlich genug. Doch bei ihr werden sie zu Objekten der Begierde. Die Knöpfe der Polsterung erinnern an Bauchnabel und Brustwarzen, die Raffung zarter Seidenstoffe an ausgestreckte Zungen. Regelrecht spürbar ist die Körperlichkeit eines Menschen, die Wärme, die er hinterlässt, wenn er aufsteht, und sei es nur durch die meisterlich mit wenigen Pinselstrichen angedeuteten Falten einer zerwühlten Decke. Eitempera und Acryl trägt die Malerin lasierend auf, und obwohl sie auf pastellige Farben setzt, wirken ihre Betten und Sofas, Récamièren und Puffs angegammelt schmutzig.
Psychoanalytische Flohmarktkunst
Alexandra Baumgartner bearbeitet auf Flohmärkten und bei Wohnungsauflösungen gefundene Fotos: Einer Braut löscht sie mit einem schwarzen Fleck brutal das Gesicht aus, einem alten Mann brennt sie das Antlitz weg und ersetzt es durch einen Spiegel, in dem sich der Betrachter selbst erkennt. Da raunt es dann psychoanalytische Tiefe, die letztlich recht simpel ist. Ähnlich wie bei Angelika Arendt, die mit feinlinig-wuchernden Ornamenten vertreten ist. Sie überantworte sich ihrer überbordenden Fantasie, heißt es im Begleittext. Was, wenn nicht das, ist jeden Künstlers höchstes Ziel.
Haus am Lützowplatz, bis 12. April, Di- So 11-18 Uhr
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