Kultur: Metamorphosen in Beton
Große Flure, enge Vitrinen: Das Kunstgewerbemuseum ist nicht sehr funktional. Jetzt wird es umgebaut
Eigentlich dürfte man jetzt gar nicht hier stehen. Denn eigentlich, so schreibt das Berliner „Museumsjournal“, ist das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum seit dem 5. Mai geschlossen. Nun findet aber doch eine Ausstellung statt: „Gioiello Italiano“ heißt die famose Schau mit zeitgenössischem italienischen Schmuck. Über 200 Colliers, Armreifen und Ringe zeigen, dass sie nicht nur für Hals oder Finger gemacht sind, sondern in den Vitrinen durchaus ein Eigenleben als Designobjekte führen. Da baumeln violette Amethysten an der Kette, die sich ungeschliffen wie Kieselsteine geben (Sharra Pagano), und paart sich Gold mit Holzkohle (Alessia Semeraro). Es kriechen Schnecken aus Kunststoff über zerschmolzene Armspangen, während Italiens Star-Designerin Patricia Urquiola ein sogenanntes Necklace aus Silber und rotem Leder kreiert hat, das auch das Spielzeug einer Domina sein könnte.
Ein Glück für Museumsdirektorin Angela Schönberger, dass man im Italienischen Kulturinstitut just auf der Suche nach einem adäquaten Showroom war, um das Design auf Wanderschaft in Berlin zu präsentieren. Nun schmückt es im Museum die Halle für Wechselausstellungen, die sonst leer geblieben wäre. Und auch für die Räume gleich nebenan hat Schönberger rasch reagiert und nach dem Tod von Yves Saint Laurent vor wenigen Wochen rund 20 Kleider des Couturiers aus eigenen Beständen zur Ausstellung arrangiert.
Dazu läuft das Video einer Modenschau – so etwas ist neu und ein ästhetischer Vorgriff auf die Zeit nach der schon mehrfach annoncierten Museumspause, die sich nun allerdings noch einmal um ein Jahr verschiebt: Das Geld für den Umbau während dieser Zeit stand im falschen Haushaltstitel. Nun wird innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz neu verhandelt und abgestimmt, und bis die Etatberatungen für den Bauhaushalt im Oktober vorüber sind, bleibt erst einmal alles beim Alten.
Dabei waren die Direktorin und ihre Mitarbeiter gedanklich bereits mit dem Einpacken von Tischen, Stühlen und Kostümen beschäftigt. Auch das Berliner Architektenteam Kühn Malvezzi, das den Wettbewerb für die Umgestaltung der Räume schon 2004 gewonnen hat und auch sonst als Umbauer der Rieck-Hallen für die Flick-Collection und Gestalter des künftigen Berggruen-Erweiterungsbaus für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz regelmäßig tätig ist, muss sich weiter in Geduld üben. Dabei wünscht man dem 1985 eröffneten Kunstgewerbemuseum den ordnenden Eingriff lieber heute als morgen.
Kaum ein anderes Museum in der Stadt hat so wenig für seine Exponate übrig wie das von Rolf Gutbrod geplante Gebäude. Ein Solitär aus unverputztem Beton, der den Besucher durch ein architektonisch höchst anspruchsvolles Raumprogramm lotst – und selbst vor visuellen Eindrücken strotzt. Die hölzernen Handläufe, der farbige Granit, die schräg gestellten Wände und freistehenden Säulen lenken den Blick in jede Richtung: nur leider nicht auf die zarten Vasen oder das fragile Porzellan, und selbst die opulenten Kleider vergangener Epochen versagen im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit.
Das soll sich ändern, und wer mit Schönberger durch das Haus geht, der ahnt, dass ein Umbau mit Respekt vor Gutbrods Ideen ansteht. „Hier kommt eine Wand hin“, sagt die Chefin und teilt mit großer Geste das Foyer. Vorne wird ein heller Eingangsbereich mit Schließfächern entstehen, an seinem Ende ein neuer Zugang für die Modesammlung. Ein Tunnel wie ein Catwalk. Nebenbei gewöhnt er die Besucher mit allmählich abnehmendem Licht langsam an jene bescheidenen 50 Lux, die für die Präsentation historischer Stoffe zwingend sind.
Weiße Wände, ein weißer Kassenbereich und ein schlichter Mantel um das Treppengeländer, das sich noch als expressives Band durch alle Etagen zieht. Dank solcher Interventionen soll sich Gutbrods Gebäude sichtlich beruhigen. Und auf das architektonische Vokabular von Kühn Malvezzi, seine neutralisierende Wirkung ist Verlass, das hat das junge Team schon häufig bewiesen. Wie gut die Sprache beider Generationen zusammenpasst, wird sich erst nach dem Umbau zeigen. Schon jetzt ist klar, dass dann auch die Sammlung ein anderes Antlitz hat. Schönberger wird sie umgruppieren und neue Schwerpunkte setzen.
Einer davon gilt der Modesammlung, die in den letzten Jahren allein um über 600 Kostüme aus der Kollektion Kamer/Ruff und jene vorbildhaften Kreationen von Uli Richter gewachsen ist, die der Modeschöpfer dem Kunstgewerbemuseum verkauft hat. Über 100 Beispiele werden in den neuen Vitrinen gezeigt, an einem Ort, der vielleicht kaum wiederzuerkennen ist. Allein schon deshalb lohnt sich in den nächsten Monaten noch einmal der Besuch – um Gutbrods Entwurf mit allen architektonischen Stärken und Schwächen noch einmal zu erleben. Schönberger legt Wert auf die Feststellung, dass sämtliche Maßnahmen rückbaubar sind. Doch das wird erfahrungsgemäß dann erst eine andere Generation erleben.
Kunstgewerbemuseum, Kulturforum,
bis 5. 10., Di–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr
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