Georg Baselitz: Mein liebstes Biest
Mit Hassliebe zu Berlin: Der Künstler und Querkopf Georg Baselitz wird 75. Sein Motto: "Dabeibleiben, jung sein, dazugehören"
Es ist nicht schlecht, im Alter auch mal bescheiden zu werden. Bei Georg Baselitz heißt das: Der ehemalige Schlossbesitzer verkauft 2006 seine Residenz und zieht in eine Villa um. Allerdings haben ihm das Wohnhaus am Ammersee die Schweizer Architekten Herzog und de Meuron gebaut – die beiden sind weltberühmt, weil sie hemmungslos mit Materialien experimentieren. Im Baselitz-Haus überwiegt jedoch konventionelles Glas, deshalb hängt dort kaum etwas aus der Sammlung des Künstlers. Lieber schaut er nach draußen, auf die Bäume und das Grün.
Georg Baselitz, geboren als Hans-Peter Kern, der an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert, hat sich von vielem befreit. Sichtbar wird das vor allem in seinen „Remix“-Gemälden. Darin greift der Maler frühere Themen und Motive auf, um sie in riesenhaften, luftigen Bildern wiederzugeben. Und obgleich sie weniger zeigen, wirken sie schärfer und präziser. Die berühmten, auf den Kopf gestellten Sujets ebenso wie andere, die seltener zu sehen sind. Ein souveränes Alterswerk eben.
In Berlin waren Beispiele aus dem „Remix“-Zyklus zuletzt in der Potsdamer Villa Schöningen und 2008 bei Contemporary Fine Arts zu sehen. Den 70. Geburtstag des Künstlers feierte die Galerie damals erst ausgiebig mit der Eröffnung einer Doppelausstellung von Baselitz und Jonathan Meese, der zufällig auch an einem 23. Januar geboren wurde. Anschließend ging es zur rauschenden Feier ins Tanzlokal „Clärchens Ballhaus“. Ein großes Fest, an das sich Baselitz bis heute gern erinnert. Was erwähnenswert ist, weil er im Übrigen kein gutes Haar an Berlin lässt. Der Künstler mag viel Ballast abgeworfen haben. Die alte Hassliebe zu Berlin aber, wo er bis 2003 als Professor an der Universität der Künste lehrte, ist fester Bestandteil seiner Biografie. Woran die erste Ausstellung in der Galerie Werner & Katz ihren Anteil haben kann.
Man muss nur kurz an die Folgen dieser Schau erinnern, die mit der Konfiszierung zweier Werke endete. 1963 galt ein Motiv wie „Die große Nacht im Eimer“ mit seinem unglücklich Masturbierenden als pornografisch. Seit dieser Zeit hadert Baselitz mit einer Stadt, die ihm Anerkennung bis heute verweigert hat. Und sei es durch den angemessenen Erwerb von Arbeiten, die man früh hätte kaufen können, um sie aus aktuellem Anlass etwa in der Neuen Nationalgalerie auszustellen. Denn Baselitz zählt zweifellos zu jenen zentralen Künstlern der Nachkriegszeit, die die figurative Malerei für die Gegenwart wichtig gemacht haben.
Den 75. Geburtstag feiern nun andere. In der Münchner Galerie Sabine Knust wird heute eine Jubiläumsschau eröffnet. Mit Bildern von Baselitz und Fotografien von Benjamin Katz, die den Maler bei der Arbeit zeigen. Und im Essl-Museum für Kunst der Gegenwart läuft eine Retrospektive mit über 40 Werken aus vier Jahrzehnten. Das Sammlerpaar Essl widmet dem Freund nicht bloß eine ausgiebige Werkschau. Es hat sie in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler realisiert.
Dennoch verfügt Baselitz über genügend Zeit für einen Rundumschlag. Neben anderen Medien hat ihn das Magazin „Spiegel“ zum Gespräch gebeten. Hier fasst der Künstler seine altbekannten Vorbehalte noch einmal zusammen. Zum Beispiel, dass er als Professor „mit den Kollegen umgehen und mit Studenten und sich diesen Akademie-Schwachsinn anhören musste.“ Und er fügt ein paar Schmähungen hinzu, die man bislang nicht von ihm kannte.
Männer hält er für die besseren Maler, weil sie „oftmals an der Grenze zum Schwachsinn sind.“ Frauen hätten mit dieser Form der Brutalität sich und anderen gegenüber ein Problem. Deshalb malten sie, von Ausnahmen wie Paula Modersohn-Becker oder Agnes Martin abgesehen, „einfach nicht so gut“.
Da ist dann doch Ballast hinzugekommen. Das Gewicht der Vorurteile hängt schwer an einem Künstler, der im selben Interview vor allem einen Wunsch formuliert: „Dabeibleiben, jung sein, dazugehören.“ Fast hätte man gedacht, es ist ihm gelungen. Christiane Meixner
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